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Mc'Donalds, Systemgastronomie Magazin Mitbestimmung

Gastronomie: Nie wieder Gastro

Ausgabe 04/2021

Seit dem Sommer dürfen Restaurants und Hotels wieder öffnen, finden aber kaum Personal. Die ökonomische Ausnahmesituation ist noch nicht vorüber. Von Kay Meiners

Ob das Schnitzel Wiener Art, das indische Kartoffelcurry oder der Latte macchiato – die Welt scheint für die meisten Deutschen in Ordnung, seit sie wieder im Lieblingsrestaurant speisen können. Sicher, man ahnt, dass das Geld bei manchen Gastronomen knapp ist – aber ist das ein Grund, nicht mehr unbesorgt essen zu gehen?

Nur die wenigsten Gäste dürften ahnen, was sich hinter den Kulissen abspielt. Dass die Speisen und Getränke, die die Gäste bestellen, auch an den Tisch gebracht werden, ist seit Corona nicht mehr selbstverständlich. Viele Betriebe sind in der Existenz bedroht, und auch das Personal ist ihnen abhanden gekommen.

Es wurde entlassen, was das Zeug hielt, aber auch so liefen die Leute einfach weg, weil sie sich nicht mehr leisten konnten, zu bleiben. Sie haben anderswo bessere Jobs gefunden. In der Krise reichte das Geld nicht mehr – etwa die 60 Prozent vom Lohn, die das Kurzarbeitergeld bringt. „60 Prozent von wenig ist sehr wenig“, kommentiert Christoph Schink, Leiter des Referats Gastgewerbe bei der Gewerkschaft NGG, spitz.

Wer Pech hat, kriegt keinen Cent

Ausgerechnet die Arbeitgeber der Fast-Food-Res­taurants erkannten offenbar das Problem und handelten weitsichtig. Der Bundesverband der Systemgastronomie (BdS) bekommt jetzt Lob von gewerkschaftlicher Seite, weil er das Kurzarbeitergeld aufgestockt hat. Christoph Schink freut sich: „Statt der gesetzlichen 60 Prozent haben wir mit Burger King, McDonald’s und anderen 90 Prozent ausgehandelt.“ Ein sehr anständiges Ergebnis in einer Branche, in der sonst raue Sitten herrschen.

Andere bekommen keinen Cent, so wie Anna Bajur. Ihren echten Namen will sie nicht in der Zeitung lesen. 13 Euro pro Stunde hat sie in der Gastronomie verdient – ein Minijob, der aus der Sozialversicherung und aus dem Kurzarbeitergeld fällt. Jetzt geht sie putzen und merkt, dass sie viel zufriedener ist: „Ich bekomme 15 Euro und habe endlich am Wochenende frei. Ich will nie wieder zurück.“

Niedriglöhne, unbezahlte Überstunden, unregelmäßige Pausen – so sah der Gastro- und Hotelalltag schon vor Corona aus. Nun hat sich die Personalknappheit drastisch verschärft. „Die Betriebe finden kein Personal, egal ob für die Spülküche oder die Direktionsassistenz“, sagt Gewerkschafter Schink.

Trotz Gästen bleibt die Bar zu

Die Maritim-Hotel-Gesellschaft betreibt allein in Deutschland 29 Hotels, die alle monatelang keine touristischen Gäste beherbergen durften. Thomas Klein, der Vorsitzende des Gesamtbetriebsrats und stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzender der Maritim-Hotels, war vor der Krise für mehr als 4300 Mitarbeiter zuständig. Aktuell sind es noch 3300.

Klein schildert, zu welch absurden Situationen der Personalmangel führt: „An der Ostsee, wo die Gäste schon zurückkehren, können wir teilweise nicht alle Restaurants und Bars öffnen. Die Leute sitzen lieber bei Real oder Lidl an der Kasse, als im Hotel zu arbeiten.“ Klein versucht jetzt, wo immer möglich, die Kurzarbeit zu beenden.

Bei Maritim und anderswo helfen die Arbeitnehmervertreter, das vorhandene Personal so gut wie möglich einzusetzen. Der Ausnahmezustand dürfte sich nur langsam ausschleichen. Eine Beratungsfirma, die der Maritim-Kette zur Seite steht, hat auf die Frage, wann seine Branche wieder mit Normalbetrieb rechnen kann, die Jahreszahl 2024 genannt.

Hilfe kann auch ein Gift sein

Die NGG-Gewerkschafter sind natürlich dankbar für die Staatshilfen. Aber sie erleben auch, dass manche Betriebe Hilfsgelder und Kurzarbeit nutzen, um Geld zu sparen und mit einer zu kurzen Personaldecke zu öffnen. Die Lage ist schwierig. Dazu kommt ein gewerkschaftlicher Organisationsgrad, den Schink „ausbaufähig“ nennt.

Für Schink geht es jetzt unter anderem da­rum, die Betriebe von der Kurzarbeit zu entwöhnen und zugleich die Hilfen, die der Staat in der Überbrückungshilfe III Plus bereitstellt, in Anspruch zu nehmen. „Wenn ich im Juli 2021 Leute aus der Kurzarbeit hole, neue Menschen einstelle, dann kann ich mir die Lohndifferenz zum Mai 2021 zu 60 Prozent erstatten lassen, im August zu 40 und im September zu 20 Prozent.“ Schink predigt allen Betriebsräten, diese Möglichkeit zu nutzen.

Höhere Löhne müssten her

Nach dem Lehrbuch müssten jetzt, angesichts des Personalmangels, die Löhne steigen. Schink hat Zweifel: „In den Tarifverhandlungen sagen Arbeitgeber immer, sie hätten kein Geld. Das hat zwar noch nie gestimmt, aber der Lockdown stellt viele Unternehmen vor betriebswirtschaftliche Herausforderungen.“ Der Hotel- und Gaststättenverband Dehoga Nordrhein empfiehlt seinen Mitgliedsbetrieben bereits, die Wieder­eröffnung als Chance für Preiserhöhungen zu nutzen.

Die Rede ist von einem Anstieg um 10 bis 20 Prozent. Die Frage ist, ob die Beschäftigten ihren Teil vom Kuchen abbekommen. Höhere Löhne fände eigentlich auch Thomas Klein richtig. „Wer Personal anwerben will, der muss ja wenigstens mit dem Mitbewerber mithalten können.“ Zugleich sagt er: „Bei den Maritim-Hotels waren die Verluste immens. Wir müssen anfangen, Geld zu verdienen, bevor wir es wieder ausgeben können.“

  • Maritim-GBR-Chef Thomas Klein: „Wir müssen erst mal Geld verdienen.“
    Maritim-GBR-Chef Thomas Klein: „Wir müssen erst mal Geld verdienen.“

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