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Die DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi auf der Aufsichtsrätekonferenz Magazin Mitbestimmung

Aus der Stiftung: Klare Worte bei der Aufsichtsräte-Konferenz

Ausgabe 04/2022

Die traditionsreiche Veranstaltung der Hans-Böckler-Stiftung war ein Plädoyer für mehr Mitbestimmung – gerade in Krisenzeiten. Von Andreas Molitor

Yasmin Fahimi hat bei ihrem Auftritt auf der diesjährigen Aufsichtsrätekonferenz der Hans-Böckler-­Stiftung den Nerv der etwa 150 anwesenden und digital zugeschalteten Aufsichtsräte getroffen. „Wir sollten endlich rauskommen aus dem antiquierten Mitbestimmungs-Baukastensystem“, nahm die neue DGB-Vorsitzende Anlauf und fragte: „Warum setzen wir den Schwellenwert für die Unternehmensmitbestimmung nicht herunter, sodass es für alle Unternehmen eine paritätische Mitbestimmung gibt?“ Und sie setzte gleich noch einen drauf  – mit dem Vorschlag, man könne in Deutschland die Börsennotierung davon abhängig machen, ob im Aufsichtsrat Arbeitnehmervertreter mit am Tisch säßen. Der Zuhörerschaft sprach sie damit aus der Seele.

Für eine kräftige Prise Dissens sorgte zu Beginn Volker Quaschning, Professor für regenerative Energie aus Berlin, mit einem in den Ohren der gewerkschaftlich geerdeten Zuhörerschaft dystopisch klingenden Szenario. „Die Menschen machen momentan das Falsche“, postulierte er mit Blick auf die Automobilindustrie. „Sie müssen weg vom Band und hin zu den Erneuerbaren“ – wo in den kommenden Jahren eine Million neue Jobs entstünden. Man müsse „den Beschäftigten jetzt ehrlich sagen: ‚Spätestens in drei Jahren werden wir das Band hier dichtmachen.‘“

Leer stehende Fabrikhallen an den Automobilstandorten – das mag sich Christiane Benner nicht vorstellen. „Wenn ich so etwas als Vision verträte, knallen mir die Kolleginnen und Kollegen ihre Gewerkschafts­mitgliedsbücher vor die Füße“, plädierte die Zweite­ Vorsitzende der IG Metall für eine Transformation mit Maß. Ein Unternehmen wie zum Beispiel der Kolbenhersteller Mahle, hat 70 000 Beschäftigten weltweit, „die hängen noch überwiegend am Verbrenner. Da kämpft die Arbeitnehmerseite im Aufsichtsrat mit aller Kraft darum, dass nicht desinvestiert wird.“ In den Aufsichtsräten solcher Firmen „fordern wir den erforderlichen strategischen Kurswechsel ein“,  berichtete Benner. Vielfach seien es die Arbeitnehmervertreter, die zu mehr Tempo beim Wandel mahnen – und die Belegschaft zu Akteuren machen. Der Diskussionsblock zeigte deutlich, dass die ökologische Wende sich nur realisieren lässt, wenn sie nicht gegen, sondern mit den Beschäftigten vollzogen wird.

Vereinbarungen mit dem Management

Dass die Transformation von zwei schweren Krisen begleitet wird – zuerst Corona, jetzt dem Ukrainekrieg –, macht die Lage noch komplizierter. „Was wir in den vergangenen zwei Jahren erlebt haben, kann man nur als Wahnsinn beschreiben“, berichtete Hakan Bölükmese, Aufsichtsrat beim Frankfurter Flughafenbetreiber Fraport AG. Über die gesamte Pandemiezeit hinweg war dem Unternehmen ein Großteil des Geschäfts wegge­brochen. Immerhin sei es gelungen, einen Notlagen­tarifvertrag mit Beschäftigungssicherung bis Ende 2023, Arbeitszeitverkür­zungen und Corona-Sonderzahlungen abzuschließen. Trotzdem verließen 4000 Mitarbeiter das Unternehmen. Jetzt fehlen überall Leute: beim Check-in, bei den Sicherheitskontrollen, bei der Gepäckabfertigung.

Allerdings hat Bölükmese auch festgestellt, „dass in Krisenzeiten die Bereitschaft des Managements größer ist, die Meinung der Arbeitnehmervertreter einzuholen – und sei es am Rand einer Sitzung im persönlichen Gespräch“. Denn der eine oder andere Vorstand hat mittlerweile erlebt, dass Unternehmen mit einer starken Beschäftigtenvertretung tendenziell besser durch Krisen kommen als nicht-mitbestimmte Firmen.

Auch in den aktuellen Krisensituationen bestätigt sich der Wert der Mitbestimmung. Hier und dort konnten die Beschäftigtenvertreter wichtige Vereinbarungen mit dem Management treffen, berichtete Heike Hausfeld, Aufsichtsrätin bei der Bayer AG. So entstand auf Initiative der Arbeitnehmerseite ein Zukunftskonzept für die deutschen Standorte des Konzerns. Welches sind die Geschäftsfelder der Zukunft? Wo soll investiert werden? „Da haben wir den Arbeitgeber auf unsere Seite gekriegt.“

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