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Bettina Kohlrausch, Wissenschaftliche Direktorin des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung Magazin Mitbestimmung

Interview: "Fragile Sicherheit"

Ausgabe 05/2020

Bettina Kohlrausch, Wissenschaftliche Direktorin des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung, interpretiert die Erwerbstätigenbefragung.

Die Erwerbstätigenbefragung hat gezeigt, dass Beschäftigte mitbestimmter und tarifgebundener Unternehmen deutlich seltener Einkommenseinbußen zu verzeichnen haben. Welches Signal geht von dieser Erkenntnis aus?

Es bestätigt sich, was wir auch bei anderen Themen sehen, etwa bei der Weiterbildung oder beim Homeoffice: dass mitbestimmte Unternehmen besser durch die Krise kommen und Mitbestimmung die Beschäftigten vor den Krisenfolgen schützt. Die Corona-Krise zeigt ganz klar den Erfolg gewerkschaftlicher Politik. Das beginnt schon mit der Aufstockung des Kurzarbeitergelds – das war eine zentrale Forderung der Gewerkschaften. 

Wie hätte man die Belegschaften kleiner Firmen besser gegen Einkommenseinbußen schützen können?

In den kleinen Betrieben sind die unteren Einkommensgruppen überproportional stark vertreten. Für viele dieser Beschäftigten kam die Aufstockung des Kurzarbeitergeldes zu spät – und sie hätte gerade für diese Gruppe höher ausfallen können.

Man könnte ja sagen: Einkommenseinbußen sind nicht schön, aber immer noch besser als Entlassungen.

Die Personalkostensenkungen sind, ähnlich wie die Kurzarbeit, ein Puffer, der die Gefahr von Kündigungen mindert. In vielen Fällen ist die Kurzarbeit ja der Grund für die Einkommenseinbußen. Erstaunlicherweise – das sehen wir aus den Befragungsdaten – haben die Beschäftigten relativ wenig Angst, tatsächlich arbeitslos zu werden. Die Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes ist im Vergleich zur Zeit vor der Corona-Krise kaum gestiegen und im Verlauf der Krise sogar zurückgegangen. Die Menschen beurteilen die wirtschaftliche Situation, jedenfalls solange sie an ein baldiges Ende der Krise glauben, verhalten optimistisch. Wir nennen es fragile Sicherheit. 

Die Fragen stellte Andreas Molitor.
 

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