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Daniel Hlava ist wissenschaftlicher Referent für Sozialrecht und europäisches Arbeitsrecht am Hugo Sinzheimer Institut der Hans-Böckler-Stiftung. Magazin Mitbestimmung

Zur Sache: "Es drohen Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren."

Ausgabe 03/2020

Daniel Hlava ist wissenschaftlicher Referent für Sozialrecht und europäisches Arbeitsrecht am Hugo Sinzheimer Institut der Hans-Böckler-Stiftung. Er erklärt, warum der Missbrauch von Kurzarbeitergeld kein Kavaliersdelikt ist.

Kurzarbeit ist ein effektives Instrument, um in Krisenzeiten betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden. Arbeitszeiten lassen sich vorübergehend bis auf null reduzieren, während der Verdienstausfall von der Bundesagentur für Arbeit (BA) durch das Kurzarbeitergeld zum Teil ausgeglichen wird. Das Instrument hatte sich bereits in der Finanzkrise 2008/2009 bewährt und wird in Zeiten von Covid-19 deutlich stärker genutzt. 

Es geht um viel Geld, das nicht nur bei krisengeschüttelten Unternehmen Begehrlichkeiten weckt. Es mehren sich Berichte, wonach Arbeitnehmer trotz Kurzarbeit weiter in Vollzeit oder über das angezeigte Maß hinaus arbeiten. Erhält der Arbeitgeber aufgrund vorsätzlich falscher Angaben Kurzarbeitergeld, liegt ein Betrug vor (§ 263 StGB). Darüber hinaus kann es sich auch um Subventionsbetrug (§ 264 StGB) handeln, für den bereits leichtfertiges Handeln ausreicht. Ob Kurzarbeitergeld eine Subvention ist, ist noch nicht abschließend geklärt. Da aber auch der Arbeitgeber ein wirtschaftliches Interesse an der Leistung hat, spricht viel dafür, dass der Straftatbestand hier greift.

Gleiches gilt im Übrigen, wenn der Betrieb mit Kurzarbeit null stillgelegt wurde, die Arbeitnehmer aber mit anderen Aufgaben (zum Beispiel mit aufräumen und Regale abstauben) betraut werden. Auch Überstunden während Kurzarbeit widersprechen deren Zweck und sind bis auf wenige Ausnahmefälle (etwa dringende Reparaturen) unzulässig. Bei Betrug oder Subventionsbetrug drohen Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren (in besonders schweren Fällen bis zu zehn Jahren) oder Geldstrafe. Auch können gegen das Unternehmen empfindliche Bußgelder verhängt werden (§ 30 OWiG).

Aber nicht nur der Arbeitgeber kann sich strafbar machen. Arbeitnehmer können dem Vorwurf der Beihilfe zum Betrug oder Subventionsbetrug (§ 27 StGB) ausgesetzt sein. Wenn sie Kurzarbeit in dem Wissen zustimmen, trotzdem in Vollzeit zu arbeiten, oder den Stundenzettel bewusst falsch ausfüllen oder nach dem Ausstechen weiterarbeiten, kann dies eineHilfestellung zum Betrug sein. Sie sollten sich daher nicht darauf einlassen, falsche Angaben zu ihrer Arbeitszeit zu machen oder wissentlich mehr zu arbeiten, als für die Zeit der Kurzarbeit vereinbart wurde. Zwingt der Arbeitgeber Beschäftigte zu falschen Angaben, indem er zum Beispiel mit Kündigung droht, kann er eine Nötigung oder Erpressung begehen.
Einigen sich Arbeitgeber und Beschäftigte darauf, die Differenz zwischen dem Kurzarbeitergeld und dem regulären Arbeitsentgelt schwarz auszubezahlen, sind beide dem Vorwurf der Lohnsteuerhinterziehung (§ 370 AO) ausgesetzt und der Arbeitgeber zudem dem des Sozialversicherungsbetrugs (§ 266a StGB). Bei alledem handelt es sich um keine Kavaliersdelikte, und es ist davon auszugehen, dass die Kontrollen spätestens im Nachgang der Krise verschärft werden. 

Bei Verdacht auf Rechtsverstöße sollte zunächst versucht werden, dies im Betrieb zu klären. Ansprechpartner sind der Betriebsrat oder die Compliance-Abteilung. Ist das nicht erfolgreich oder nicht zumutbar, kann man sich direkt an die zuständigen Behörden wenden. Der Betriebsrat hat ein Mitbestimmungsrecht bei der Einführung von Kurzarbeit (§ 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG) und sollte deren Einhaltung überwachen. In Betriebsvereinbarungen zur Kurzarbeit sollten der Umfang der Arbeitszeitverkürzung klar geregelt und Kontrollmechanismen festgelegt werden. Ebenso ist eine zuverlässige Erfassung der Arbeitszeiten (auch bei Vertrauensarbeitszeit), wie sie vom EuGH allgemein gefordert wird, schon aus Beweisgründen notwendig.
 

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