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Magazin Mitbestimmung

: Editorial

Ausgabe 01+02/2007

Bürgerin und Bürger, nicht nur Kunde


Liebe Leserinnen, liebe Leser,

kurz vor Drucklegung dieser Ausgabe erreicht uns die Meldung, dass erstmalig ein Krankenhaus in Konkurs geht, das vor knapp fünf Jahren ein privater Investor von der Stadt übernommen hatte. So geschehen in Herbolzheim, einer baden-württembergischen Kleinstadt.

Krankenhäuser, Wasserversorgung, öffentlicher Personennahverkehr und Wohnraum, Verkehrswege, Gefängnisse - es gibt inzwischen kaum einen Bereich der ehedem rein öffentlich vorgehaltenen Infrastrukturen, in dem die Bürgerinnen und Bürger nicht schon seit Jahren vergeblich darauf warten, die Früchte der vorgeblich überlegenen ökonomischen Effizienz privater Betreiber etwa in Form niedriger Gebühren oder besserer Servicequalität zu ernten.

Ihre Erfahrungen widerlegen längst den ideologischen Kern dieser Versprechungen. In Freiburg haben die Bürger deshalb kurz vor Weihnachten in einem spektakulären Bürgerentscheid die Pläne der schwarz-grünen Ratsmehrheit durchkreuzt, das kommunale Schuldenloch durch Veräußerung der städtischen Wohnungen zu stopfen - mehr dazu auf Seite 16. Damit haben sie eine Grundfrage, nämlich die Frage nach der Rolle des Staates in einem demokratischen Gemeinwesen, in den politischen Raum zurückgeholt.

Der Glaube an die Segnungen des freien Marktes ist erschüttert. "Im letzten Vierteljahrhundert ist das Pendel zu weit in Richtung Markt ausgeschlagen", belegt Ernst Ulrich von Weizsäcker in seinem Beitrag auf Seite 10. Für den Club of Rome hat er - mit anderen gemeinsam - die "Grenzen der Privatisierung" weltweit ausgelotet. Sein Fazit: Geglückte Privatisierungen gehen "mit einem starken Staat und festen, allseits respektierten Regeln einher".

Erhard Eppler legt nach - auf Seite 28: "Was dem Markt übergeben wird, muss zur Ware werden. Also brauchen wir eine Diskussion darüber, was zur Ware werden darf und was nicht. Und die Einsicht, dass es Aufgabe des demokratischen Rechtsstaates ist, dafür zu sorgen, dass nicht zur Ware wird, was, nimmt man die Verfassung ernst, nicht zur Ware werden darf."

Die Bürgerinnen und Bürger von Freiburg und Herbolzheim wissen um den Preis.

Margarete Hasel
margarete-hasel@boeckler.de

 

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