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Vereinspräsident Hubertus Hess-Grunewald mit Schal im Stadion von Werder Bremen Magazin Mitbestimmung

Altstipendiat: Der Vereinspräsident

Ausgabe 05/2023

Hubertus Hess-Grunewald lenkt als Präsident die Geschicke des SV Werder Bremen. Für den promovierten Juristen geht es dabei aber nicht nur um Fußball, sondern um gesellschaftliche Verantwortung. Von Joachim F. Tornau

Um den Blick aus seinem Bürofenster dürfte ihn, grob geschätzt, halb Bremen beneiden. Hubertus Hess-Grunewald arbeitet im Weserstadion, direkt unter ihm breitet sich der Rasen aus, auf dem der SV Werder Bremen seine Heimspiele in der Männer-Fußballbundesliga austrägt. Wenige Tage zuvor ging hier das Saisonauftaktspiel mit 0 : 4 gegen den FC Bayern München verloren, unverdient hoch, findet der 63-Jährige. Doch kein Grund, lange Trübsal zu blasen. „Ich habe keine Eisenbahn im Keller, ich züchte keine Rosen“, sagt er, „ich hatte seit meiner Kindheit nur ein Hobby: Werder Bremen.“

Seit mehr als einem halben Jahrhundert ist er Mitglied bei den Grün-Weißen, spielte in der Jugend zusammen mit Thomas Schaaf, der später als Spieler und Trainer zur Werder-Legende wurde. „Dass es bei mir für eine Profikarriere nicht reichen würde“, sagt Hess-Grunewald, „war spätestens seit der U17 klar.“ Mit etwas Verzögerung aber hat auch er sein Hobby zum Beruf gemacht: Vor neun Jahren reduzierte der promovierte Jurist seine Tätigkeit als Rechtsanwalt. Seither ist er nicht nur Präsident des Sportvereins Werder, er amtierte zugleich auch als Geschäftsführer der ausgegliederten Profisportsparte, ehe er zu Jahresbeginn an die Spitze des Aufsichtsrats wechselte.

In die Wiege gelegt war dem Mann, den viele kurz „Hupe“ nennen, diese Karriere nicht. Er stammt aus einem Nichtakademikerhaushalt, wuchs als Scheidungskind auf, konnte nur dank BAföG und Mutterliebe studieren. „Meine Mutter hat sich sehr gestreckt, um mir das zu ermöglichen“, erzählt er. Mit seinem Jurastudium habe er eigentlich Journalist werden wollen, dann sei er umgeschwenkt auf das Berufsziel Gewerkschaftssekretär. Die Mitarbeit in AStA, Fachschaft und der von Thomas Oppermann und Stephan Weil mitgegründeten Basisgruppe Jura an der Universität Göttingen habe ihn sehr geprägt. „In dem komplexen Rechtssystem wollte ich auf der richtigen Seite stehen.“

Als er dann doch die Juristenlaufbahn einschlug und Anwalt wurde, trat er in eine Bremer Kanzlei ein, die Betriebsräte, Beschäftigte und Gewerkschaften vertrat. Mit dem Betriebsverfassungsgesetz hatte er sich schon in seiner Doktorarbeit beschäftigt, gefördert durch ein Stipendium der Hans-Böckler-Stiftung. „Ohne die Stiftung“, sagt er, „wäre das, glaube ich, nichts geworden.“

Die Verpflichtung, sich gesellschaftspolitisch zu engagieren, sieht der Vereinspräsident nun auch beim Fußball. Er hat für Schlagzeilen gesorgt, weil er öffentlich klarstellte, dass man nicht gleichzeitig Werder und die AfD mögen könne. Und er betont: „Werder ist mehr als nur Fußballbundesliga, mehr als nur Millionäre in kurzen Hosen.“

Von der Inklusions-Handballmannschaft erzählt er, von Integrationsteams mit Geflüchteten, vom „Spielraum“-Programm, mit dem der Verein Kinder und Jugendliche in benachteiligten Stadtteilen anspricht. „Wir wollen Sportbiografien ermöglichen und Werte vermitteln wie Respekt, Fair Play, Antidiskriminierung“, erklärt er. „Es geht darum, sich für eine bessere Gesellschaft einzusetzen.“

Seit Mai sitzt Hess-Grunewald auch noch für die SPD in der Bremer Bürgerschaft. „Ehrlich gesagt, habe ich mich dafür entschieden, ohne wirklich genau zu wissen, was mich erwartet“, räumt der Quereinsteiger ein. Und ohne sich davon abschrecken zu lassen, dass er als Werder-Präsident im Clinch liegt mit SPD-Innensenator Ulrich Mäurer, der den Fußball für Polizeigroßeinsätze zur Kasse bitten will.

Beim Märchen von den Bremer Stadtmusikanten mag Hubertus Hess-Grunewald übrigens den Esel am liebsten. „Er ist optimistisch und eröffnet den anderen verzweifelten Tieren damit eine Perspektive“, erklärt der 63-Jährige. „Das spricht mich an.“

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