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Mitarbeiterin einer Reinigungsfirma in einer Bochumer Schule. Magazin Mitbestimmung

Arbeit: „Aschenputtel für alles“

Ausgabe 03/2025

Reinigungskräfte werden gebraucht, aber nicht geschätzt. Die Hans-Böckler-Stiftung lässt erforschen, wie die Einfachjobs dank Weiterbildung attraktiver und stressärmer werden könnten. Von Clara Libovsky

Sie arbeiten dann, wenn andere noch schlafen. Damit der Schmutz des Vortages aus Büros, Schulen, Krankenhäusern oder Betrieben möglichst geräuschlos verschwindet, beginnt die Schicht für Beschäftigte
im Reinigungsgewerbe manchmal schon um 5 Uhr in der Frühe. Solche Arbeitszeiten, im Expertenjargon „Randzeiten“ genannt, sollen dafür sorgen, dass andere nicht gestört werden. Dabei sind die extremen Arbeitszeiten für die Beschäftigten selbst alles andere als optimal, wie Viveka Ansorge erklärt, eine Expertin der Berliner Arbeits-und Organisationsberatung ArbeitGestalten: „Wir wissen, dass die Randzeiten sozial und gesundheitlich belastend sind. Sie zerschneiden den Tag und lassen wenig Raum für Freizeit und Familie.“

Hinzu kommt, dass es generell an Wertschätzung für die Putztrupps fehlt. „Häufig bekommen Reinigungskräfte nicht mal ein ‚Guten Morgen‘ zu hören“, sagt Ansorge. „Was sie tun, wird als niedere Aufgabe angesehen.“ In einer Untersuchung über die spezifischen Belastungsfaktoren, an der Ansorge mitgearbeitet hat, kommen die Beschäftigten des Reinigungsgewerbes endlich selbst zu Wort. „Du bist Aschenputtel für alles“, sagt eine Frau, die an einer Schule putzt. „Da darf man sich nicht unterkriegen lassen. Wichtig sind Regeln. Dass man sagen kann: Jetzt ist die Tür zu! Jetzt wird sauber gemacht!“ Aber oft klappt das nicht. Konflikte sind an der Tagesordnung – etwa in dem Krankenhaus, von dem die Beschäftigte einer Reinigungsfirma erzählt: „Letztens, es war zehn Minuten vor Feierabend, rief mich eine Oberärztin an und sagte, ich solle alles stehen und liegen lassen und zu ihr kommen. Ich habe das nicht gemacht, weil ich ja gleich  Feierabend hatte. Dann hatte ich viel Stress mit der Ärztin. Sie hat mich angeschrien.“

Prekäre Verhältnisse

Die Gebäudereinigung zählt zu den am stärksten prekarisierten Branchen Deutschlands. Rund 80 Prozent der Beschäftigten arbeiten ohne Ausbildung. Oft sind es Frauen mit Migrationsgeschichte. Dazu kommt ein immenser Wettbewerbsdruck, wie Ansorge berichtet: „Der Markt ist schwer umkämpft, und es geht immer darum, möglichst viel für wenig Geld zu reinigen.“

Bei ihrem Versuch, die Arbeitsbedingungen zu verbessern, setzt sie darauf, die Beschäftigten durch eine gezielte Weiterbildung besser zu qualifizieren. Für bessere Löhne und Arbeitszeiten müssen die Gewerkschaften kämpfen, aber die Beschäftigten sollen auch lernen, mit Ignoranz, Herablassung und unangemessenen Anforderungen souverän umzugehen.

Gefördert durch die Hans-Böckler-Stiftung, hat Ansorge deshalb zusammen mit Elke Ahlhoff, der Geschäftsführerin der Beratungsfirma, Interviews mit Reinigungskräften, Vorarbeiterinnen und Betriebsräten, mit Personalverantwortlichen, der IG BAU und der Gebäudereiniger-Innung Berlin ausgewertet, um zu verstehen, was die Probleme sind, und sie gezielt anzugehen. Dabei sind sie auch auf Zielkonflikte gestoßen:  Wenn man die Arbeiten von den Randzeiten auf die regulären Tagesstunden verlegt, ist das eigentlich eine Verbesserung. Doch Ansorge weiß auch: „Der direkte Kontakt mit anderen Menschen birgt neue Herausforderungen.“ Im laufenden Betrieb geraten die Reinigungskräfte schon mal zwischen die Fronten.

Aufgabe der Beraterinnen ist es, Situationen zu erkennen, in denen die Beschäftigten Stress oder Überforderung erleben, und Vorschläge zu machen, wie man sie entschärfen kann. Das Krankenhausbeispiel, in dem es zum Streit zwischen der Reinigungsfrau und der Oberärztin kommt, deutet Viveka Ansorge so: Die Beschäftigte kann die Anweisung der Oberärztin nicht ablehnen, ohne die Kundenbeziehung zu belasten. Sie versucht, sich gegen die Forderung zu wehren. Aber da ihr das kommunikative Handwerkszeug für diese Situation fehlt, kommt es zum Konflikt.

Weiterbildung kann die Lösung sein. Bessere kommunikative Fähigkeiten könnten den Konflikt entschärfen und den Stress reduzieren. Daran sollte in Zukunft gearbeitet werden. Ebenso wichtig sind Selbstorganisation und Flexibilität, vor allem während der Tagesreinigung. Räume sind mitunter nicht zugänglich, Abläufe ändern sich spontan. „In solchen Fällen muss man in der Lage sein, flexibel zu reagieren, indem man sagt: Gut, dann mache ich das eben später“, erklärt die Beraterin.

Auch mehr Sachwissen brauchen die Beschäftigten, etwa zum Verhalten im Notfall sowie zu den Arbeitsschutzvorschriften. Ansorge fordert eine umfassende Strategie: bessere Schulungskonzepte, Unterstützung durch Betriebsräte – und mehr Wertschätzung. Von mehr Know-how könnten am Ende auch die Firmen profitieren – und mitziehen.

Die Hans-Böckler-Stiftung formuliert auf der Projekt-Website die Hoffnung, es könnte gelingen, den „Arbeitskräftemangel mit besseren Arbeitsbedingungen zu bremsen“. Auch bei den Beschäftigten selbst gilt es noch Aufklärungsarbeit zu leisten: Viele von ihnen wissen nicht einmal, dass ihnen Schulungen oder Informationsangebote zustehen.

Mehr zum Thema:

Die Förderlinie Transformation der Hans-Böckler-Stiftung bringt wissenschaftliche Expertise und betriebliche Praxis zusammen. In den Projekten wird an Problemen einzelner Betriebe oder Branchen gearbeitet und möglichst zeitnah nach Lösungen gesucht.

Mehr zum Projekt: Weiterbildungsbedarf von Reinigungskräften

 

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