Quelle: Karsten Schöne
Service aktuellInterview mit Sebastian Dullien: "Um die Klimaziele zu erreichen, wird mehr Geld notwendig sein"
Wie kann eine erfolgreiche ökologische Transformation zugleich sozial ausgestaltet werden? Ein Interview mit IMK-Direktor Sebastian Dullien über notwendige Investitionen und unsere Online-Konferenz zum Thema am 3. Dezember.
Sebastian, die Bundesregierung hat sich das Ziel gesetzt, Deutschland bis 2050 weitgehend CO2 neutral zu machen. Dafür sind laut IMK auch erheblich höhere Investitionen des Bundes in nachhaltige Infrastruktur und Forschung notwendig. Sind die bereitgestellten und geplanten Mittel dafür schon ausreichend?
Die Mittel im Rahmen des Konjunktur- und Zukunftsprogramms und des Klimafonds sind ein wichtiger erster Schritt zur Klimaneutralität in Deutschland. Um tatsächlich die Klimaziele zu erreichen, wird aber noch viel mehr Geld notwendig sein. Neben dem Aufbau von Infrastruktur, der jetzt angegangen wird, geht es dabei auch um die richtige Unterstützung privatwirtschaftlicher Investitionen in klimafreundliche Industrieanlagen, etwa durch öffentliche Beteiligungsfonds oder durch einen CO2-Grenzausgleich.
Du hast Dich zuletzt für eine Reform der Schuldenbremse ausgesprochen, damit das Land nach der Corona-Krise nicht in die Gefahr gerät, den Aufschwung wieder abzuwürgen. Sind die langfristig nötigen Investitionen in eine soziale Nachhaltigkeit ein weiterer Grund für diesen Reformbedarf?
Ja, ein ganz zentraler. Die aktuelle Schuldenbremse erzwingt eine Tilgung der Corona-bedingten Schulden in den kommenden Jahren, obwohl das Verschuldungsniveau gar nicht problematisch ist. Selbst wenn diese Tilgung über mehrere Jahrzehnte gestreckt wird, fehlt das Geld für notwendige Investitionen in die sozial-ökologische Transformation.
Erschwert die Corona-Pandemie eigentlich die Transformation, weil Aufmerksamkeit und Ressourcen für die Bewältigung dieser Krise gebraucht werden? Oder erleichtert sie den Wandel, weil wir gelernt haben, wie schnell und entschieden wir auf Krisen reagieren können?
Ich bin mir nicht sicher. Einerseits ist mit dem Zukunftsprogramm ein Einstieg etwa in die Förderung der Wasserstoffinfrastruktur gelungen, den es sonst wahrscheinlich 2020 nicht so gegeben hätte. Andererseits begrenzen über die Tilgungsverpflichtungen der Schuldenbremse die aufgenommenen Kredite den Spielraum der Finanzpolitik für die sozial-ökologische Transformation in den kommenden Jahren. Auch scheinen Menschen in der Pandemie vom ÖPNV aufs Auto umgestiegen zu sein. Hier bleibt zu hoffen, dass sich dieses Verhalten wieder ändert.
Am 3. Dezember 2020 (ab 15 Uhr bei uns im Livestream) veranstaltet das IMK ein Online-Forum zum Thema sozial-ökologische Transformation, unter anderem mit Bundesumweltministerin Svenja Schulze, Andreas Burger vom Umweltbundesamt und Manfred Fischedick, dem Vizepräsidenten des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie. Was erhoffst Du Dir von dem Austausch?
Das Wichtige an der Debatte ist, dass eine Transformation sozial UND ökologisch sein soll. Neben dem Ausbau von transformativen Dienstleistungen wie dem ÖPNV muss auch der Industrie eine Brücke in die CO2-freie Zukunft gebaut werden, denn dort gibt es besonders viele gut abgesicherte und gut bezahlte Arbeitsplätze. Darum bringen wir ExpertInnen sowohl mit verteilungspolitischem als auch mit industriepolitischem Fokus zusammen. Ich erhoffe mir aus dem Austausch Erkenntnisse, wie die Dekarbonisierung sozial ausgewogen und unter Erhalt einer starken Industriestruktur in Deutschland gelingen kann.
IMK-Forum zur sozial-ökologischen Transformation
3. Dezember 2020, 15 bis 20 Uhr, online
Die Bundesregierung hat sich das Ziel gesetzt, Deutschland bis 2050 weitgehend CO2 neutral zu machen. Es ist klar, dass eine solche Transformation nur mit fundamentalen Veränderungen in den Produktionsweisen und Verbrauchsgewohnheiten möglich ist. Doch kann eine solche Transformation gelingen, ohne den Wohlstand Deutschlands zu gefährden? Inwieweit hat die Corona-Krise den wirtschaftspolitischen Spielraum zur Unterstützung der Transformation verändert? Und wie kann sichergestellt werden, dass die Veränderungen nicht auf dem Rücken der wirtschaftlich Schwächsten ausgetragen werden? Welche Bedeutung haben CO2-Preise, Klimaprämien, Investitionen und Industriepolitik für die sozial-ökologische Transformation? Über diese Fragen wird im Rahmen des IMK Forums mit folgenden Expertinnen und Experten diskutiert:
Lisa Badum MdB, Sprecherin für Klimapolitik, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
Dr. Kajsa Borgnäs, Stiftung Arbeit und Umwelt der IGBCE
Dr. Andreas Burger, Umweltbundesamt, Leiter des Referates „Wirtschafts- und sozial-wissenschaftliche Umweltfragen
Prof. Dr. Sebastian Dullien, Wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böcker-Stiftung
Prof. Dr. Manfred Fischedick, Vizepräsident des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie
Svenja Schulze, Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz und Nukleare Sicherheit
Ulrike Stein, PhD, Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böcker-Stiftung