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HBS Böckler Impuls

Arbeitsrecht: Verantwortungsvoll umgesetzt: Das novellierte Betriebsverfassungsgesetz

Ausgabe 10/2005

Zu bürokratisch, zu aufwändig, aber vor allem zu teuer - so wurde die Betriebsverfassungsreform 2001 kritisiert. Vier Jahre später zeigt sich: Betriebsräte und Arbeitgeber nutzen die neuen Möglichkeiten des Gesetzes gewissenhaft und mit Augenmaß. Die von vielen Reformkritikern erwartete kostenträchtige Prozessflut blieb aus.

Der vorab von Unternehmern beschworene Ärger mit der Novelle des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) müsste sich inzwischen deutlich bei den Arbeitsgerichten niederschlagen. Eine umfassende Recherche bei Gerichten und in juristischen Datenbanken zeigt jedoch: Weitgehend herrscht Frieden um die neuen Paragrafen. Nur der kleinteilige Uraltstreit um Kommunikationsmittel im Betriebsratsbüro - von Telefon bis Internet - wird trotz klärender Neuregelungen unvermindert fortgesetzt.

Vereinfachtes Wahlverfahren: Für das neu eingeführte vereinfachte Wahlverfahren für Kleinbetriebe in Paragraf 14 a BetrVG, von seinen Gegnern aufgrund der kürzeren Fristenregelung auch gerne als "Hauruck-Wahl" bezeichnet, haben sich die befürchteten Anfechtungsrisiken nicht bestätigt. Nur wenige Wahlen nach Paragraf 14 a BetrVG hatten ein gerichtliches Nachspiel - dies bestätigt, dass dieses Wahlverfahren von den Kleinbetrieben gut umgesetzt wird und keinesfalls zu kompliziert für diese ist, wie zunächst bemängelt wurde.

Berufsbildung: Das Mitbestimmungsrecht des Paragraf 97 Absatz 2 BetrVG, nach dem der Betriebsrat bei Fällen eines drohenden Qualifikationsverlustes Berufsbildungsmaßnahmen durchsetzen kann, widersteht der Kritik. In dieser Vorschrift sahen manche eine starke Einschränkung der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit, die investitionshemmend wirke. Von einer Investitionshemmung konnte bisher nicht die Rede sein: Entgegen den Unkenrufen war hier nur ein einziges Mal eine gerichtliche Einigung erforderlich.

Gruppenarbeit: Das Mitbestimmungsrecht bei Gruppenarbeit (Paragraf 87 Absatz 1 Nr. 13 BetrVG) scheint in den Betrieben problemlos zu funktionieren. Vor Gericht trugen die Parteien jedenfalls keine Konflikte aus.

Beschäftigungssicherung: Das neue Vorschlagrecht zur Beschäftigungssicherung aus Paragraf 92 a BetrVG fand seinen Weg in die betriebliche Praxis bislang ebenfalls ohne gerichtliche Hilfe. Der neue Paragraf stärkt die Anhörungsrechte des Betriebsrates, wenn er Initiativen zur Beschäftigungssicherung vorschlägt, wie etwa Weiterbildung, Qualitätsmanagement, Arbeitszeitmodelle. Ab 100 Beschäftigte muss der Arbeitgeber seit 2001 schriftlich Stellung nehmen.

Externe Berater: Und auch nur einmal musste ein Gericht bemüht werden, um in einer Streitigkeit aufgrund Paragraf 111 Satz 2 BetrVG zu entscheiden. Seit der Novelle dürfen Betriebsräte in Unternehmen mit mehr als 300 Beschäftigten bei kritischen Betriebsänderungen einen externen Berater hinzuziehen, ohne zuvor den Arbeitgeber zu fragen. Auch hier konnte von einer kostenträchtigen Prozesslawine, Rechtsunsicherheit und vermehrten Konflikten keine Rede sein. Das befürchtete "Stör- und Blockadepotenzial" für unternehmerisches Handeln blieb offenbar aus.

Neue Medien im Betriebsratsbüro: Unerwartet viel Arbeit bereitete den Gerichten dagegen die Neuregelung in Paragraf 40 Absatz 2 BetrVG. Informations- und Kommunikationstechnik werden jetzt ausdrücklich als erforderliche Arbeitsmittel der Betriebsräte genannt. Die hohe Anzahl der Entscheidungen zeigt deutlich, wie stiefmütterlich dieser Bereich von der Arbeitgeberseite bisher behandelt wurde. Die Vorstellungen über die Erforderlichkeit moderner Arbeitmittel liegen zwischen Betriebsräten und Arbeitgebern weit auseinander. Die Gerichte hatten neben Fragen des Internetzugangs oder der Homepage im Intranet auch über die Verfügbarkeit von PC und Telefax zu entscheiden - mancherorts wohl längst noch keine Selbstverständlichkeit.

Stefanie Ecke: Auswertung von Gerichtsentscheidungen zum novellierten Betriebsverfassungsgesetz. Studie im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung, 2005.
Zur Studie (pdf)

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