zurück
HBS Böckler Impuls

Mitbestimmung: Teamarbeit und Mitsprache: Rezept für mehr Produktivität

Ausgabe 15/2006

Das Modellprojekt Auto 5000 des Volkswagenkonzerns glänzt mit überzeugenden Ergebnissen in punkto Wirtschaftlichkeit, Innovationskraft und Mitarbeiterzufriedenheit. Ihren Erfolg verdankt die Wolfsburger Versuchsfabrik zu einem guten Teil den erweiterten Mitspracherechten der Arbeitnehmer.

"Je überzeugender die arbeitspolitischen Interessen von Betrieb und Beschäftigten verknüpft werden konnten, desto stärker wächst die Bereitschaft der Belegschaft zum aktiven Mitspiel", bilanziert das Soziologische Forschungsinstitut der Uni Göttingen (SOFI). Die SOFI-Forscher haben die Umsetzung des Auto-5000-Konzepts von 2002 bis 2006 auf Schritt und Tritt verfolgt. Ihr Fazit: Das deutsche Konsensmodell hat Zukunft, wenn es klug weiterentwickelt wird.

Das 2001 gestartete Projekt Auto 5000 bedeutete für die - größtenteils zuvor arbeitslose - Belegschaft zwar Lohn und  Arbeitszeiten auf dem Niveau des Metall-Flächentarifs, also weniger als bei VW üblich. Auto 5000, das hieß aber auch: Eine völlig neue Arbeitsorganisation und erweiterte Möglichkeiten zur demokratischen Partizipation der Mitarbeiter. Die Teams organisieren sich weitgehend selbst, von den Arbeitsabläufen bis zur Urlaubsplanung. Arbeitspensum und Personalbesetzung werden in enger Kooperation mit den Teams und dem Betriebsrat festgelegt - betriebsfremde Kontrolleure mit Stoppuhr gibt es nicht. Gewählte Teamsprecher unterstützen die Selbstorganisation der Teams. Ebenfalls gewählt werden so genannte Kommunikationsbeauftragte der IG Metall - vergleichbar gewerkschaftlichen Vertrauensleuten - als arbeits- und bereichsnahe Interessenvertretung. Die Zahl der Hierarchieebenen ist gegenüber dem traditionellen VW-Modell geschrumpft.

Die neue Organisationsform trägt Früchte: Laut VW ging ein Drittel des positiven wirtschaftlichen Gesamtergebnisses 2004 auf die "Strukturinnovationen" zurück. Ein gleich großer Anteil beruhe auf den "tarifvertraglichen Sonderkonditionen". Im folgenden Jahr hat sich das Ergebnis - zu gleichen Tarifen - um 25 Prozent verbessert. Die Folge: Der neue Geländewagen "Tiguan" wird nicht im Ausland, sondern von der Wolfsburger Auto 5000 GmbH produziert.

Der "innovative Anspruch" des Projekts wurde eingelöst, so das SOFI: mehr Wirtschaftlichkeit durch attraktivere Arbeit, die - in der traditionellen Fabrikorganisation ungenutzte - Leistungspotenziale der Mitarbeiter freisetzt.

Stärkere Einbeziehung der Arbeitnehmer heißt allerdings nicht, dass alle Interessengegensätze zwischen Beschäftigten und Management beseitigt wären: Die Forscher haben bei Auto 5000 einen neuen, "modernen" Arbeitnehmertyp ausgemacht, der sich mit dem Betrieb identifiziert, engagiert und selbstverantwortlich zum Unternehmenserfolg beitragen will, aber dennoch seine Eigeninteressen vertritt - und zwar nachdrücklich und konfliktbereit. Zunehmend werden die Mitarbeiter auch in die Prozessoptimierung einbezogen. Den Befürchtungen der Belegschaft, durch die Mitarbeit bei Rationalisierungsmaßnahmen am eigenen Ast zu sägen, trete das Management mit einer Politik der Beschäftigungssicherung entgegen - beispielsweise durch In- statt Outsourcing von Dienstleistungen. Trotz kritischer Stimmen im Zusammenhang mit Rationalisierungen bleibe das Urteil der Mitarbeiter über die Beteiligung an der Prozessoptimierung insgesamt positiv, so die Forscher. Ihr Gesamteindruck: Die Auto-5000-Belegschaft ist nicht außergewöhnlich angepasst, Kritik hat aber typischerweise einen konstruktiven Tenor.

Der Studie zufolge ist das "anti-tayloristische Fabrikmodell" Auto 5000 zwar keine Blaupause für andere Betriebe. Dennoch habe es Vorbildcharakter: "Mit diesem Vorhaben werden arbeits- und beteiligungsspezifische Optionen des Modells Deutschland erkennbar, die bisher nur unzureichend genutzt wurden." Auto 5000 könne als "Good-Practice-Beispiel" für innovative Fabrikgestaltung gelten.

Die Wissenschaftler betonen die Bedeutung neuer Konzepte für die industrielle Produktion in Deutschland. Denn eine Arbeitsteilung nach dem Motto "High-Tech-Produkte werden hier produziert, der Rest in Niedriglohnländern" komme für die Autoindustrie nicht infrage. Der Verlust der Produktion würde die Abwanderung von Forschung und Entwicklung nach sich ziehen.

Auto 5000 stehe für einen - lehrreichen - Versuch, das deutsche Modell mit seinem Ausbildungs-, Arbeitsbeziehungs- und Sozialsystem weiterzuentwickeln, so die Studie. Die Interessenvertretung der Arbeitnehmer bleibe dabei "in ihrer institutionellen Form konstitutiv", sollte aber erweitert und neu justiert werden. Dabei müsse die Selbstvertretung des modernen Arbeitnehmertypus gestärkt werden.

  • Das Modellprojekt Auto 5000 glänzt mit überzeugenden Ergebnissen. Zur Grafik

Michael Schumann, Martin Kuhlmann, Frauke Sanders, Hans Joachim Sperling: Vom Risiko- zum Vorzeigeprojekt: Auto 5000 bei Volkswagen, in: WSI-Mitteilungen 6/2006.

Auto 5000: SOFI-Beiträge auf der Abschlusskonferenz

mehr Infos zur Mitbestimmung

Impuls-Beitrag als PDF

Zugehörige Themen

Der Beitrag wurde zu Ihrerm Merkzettel hinzugefügt.

Merkzettel öffnen