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Solo-Selbstständige brauchen mehr Schutz Böckler Impuls

Arbeitsmarkt: Solo-Selbstständige brauchen mehr Schutz

Ausgabe 14/2021

In der Coronakrise müssen viele Selbstständige um ihre wirtschaftliche Existenz bangen. Helfen würde ihre Aufnahme in die Sozialversicherung.

Die Pandemie ist angesichts von Kurzarbeit und Jobverlusten auch finanziell eine schwierige Zeit für viele Arbeitnehmer. Noch schlimmer hat es laut einer Studie der WSI-Forscher Karin Schulze Buschoff und Helge Emmler zum Teil die Selbstständigen erwischt. Insbesondere Solo-Selbstständige, die ohnehin oft unter prekären Bedingungen arbeiten, habe die Krise schwer belastet. „Die Erfahrung mit der Pandemie verdeutlicht, dass der Mangel an sozialer Absicherung für Selbstständige eine schwerwiegende und folgenreiche Lücke in den Sozialversicherungssystemen darstellt“, heißt es in der Studie. Selbstständige sollten möglichst umfassend in die staatlichen Versicherungssysteme einbezogen werden.

Schulze Buschoff und Emmler haben Daten der Erwerbspersonenbefragung der Hans-Böckler-Stiftung ausgewertet, für die zuletzt im Juli 2021 gut 5000 Erwerbstätige und Arbeitsuchende interviewt worden sind. Dank gezielter Aufstockung der Stichprobe standen Angaben von insgesamt 1350 Selbstständigen zur aktuellen Situation zur Verfügung. Zusätzlich wurden die Aussagen von 208 Selbstständigen berücksichtigt, die an allen fünf Befragungswellen seit April 2020 teilgenommen haben.

Jeder Dritte der befragten Selbstständigen hat den zeitlichen Umfang der Selbstständigkeit in der Coronakrise reduziert. Verantwortlich dafür machen über 40 Prozent der Betroffenen „betriebliche Gründe“, also zum Beispiel Auftragseinbrüche oder Lieferengpässe. Zwei Drittel derjenigen, die ihre selbstständige Tätigkeit zurückgefahren haben, führen gesetzliche Vorgaben aufgrund der Corona-Pandemie an. Bei 55 Prozent der Befragten blieb der Umfang der Selbstständigkeit unverändert, 13 Prozent haben sie ausgeweitet. 

Während Selbstständige im April 2020 zu 33 Prozent und im Juli 2021 zu 21 Prozent „zeitlich spürbar weniger“ als vor der Pandemie gearbeitet haben, waren es bei den abhängig Beschäftigten 10 und 3 Prozent. Die Arbeitszeiten sind insbesondere bei den Solo-Selbstständigen zum Teil massiv eingebrochen: Im Schnitt kamen diese im Frühjahr 2020 nur noch auf zwei Drittel ihres üblichen Pensums. Aktuell liegen sie mit durchschnittlich 31,9 Wochenstunden weiterhin weit unter dem Vorkrisenniveau von 37,7 Stunden, während sich die Arbeitszeiten bei den anderen Befragten wieder weitgehend normalisiert haben.

Seit Beginn der Krise machen sich Selbstständige durchgehend häufiger Sorgen um ihre eigene Beschäftigung und ihre wirtschaftliche Existenz: Im April 2020 betrug der Anteil 35 Prozent, zuletzt waren es 19 Prozent, im Vergleich zu 22 und 12 Prozent bei den abhängig Beschäftigten. Die Selbstständigen nehmen ihre Arbeitssituation auch deutlich häufiger als äußerst oder stark belastend wahr. Finanziell stark belastet fühlten sich vor allem die Solo-Selbstständigen.

Dass sich die Coronakrise negativ auf das Einkommen ausgewirkt hat, bejahten im Juli 2021 21 Prozent der abhängig Beschäftigten und 37 Prozent der Selbstständigen. Unter den Solo-Selbstständigen sind es sogar 44 Prozent. Während sich an der Einkommensverteilung bei den Arbeitnehmern wenig verändert hat, ist bei den Selbstständigen eine klare Verschiebung nach unten festzustellen: Der Anteil derjenigen mit weniger als 1500 Euro netto im Monat hat sich verdoppelt.

Die Ergebnisse zeigen, dass die Coronakrise die sozialen Nöte vieler Solo-Selbstständiger weiter verschärft hat, stellen Schulze Buschoff und Emmler fest. Um diese Nöte zu lindern, plädieren sie dafür, eine „sozialversicherungsrechtliche Gleichbehandlung von Selbstständigen und abhängig Beschäftigten“ anzustreben. Konkret sei eine allgemeine Altersvorsorgepflicht dringend nötig, und zwar in der gesetzlichen Rentenversicherung. Der fehlende Arbeitgeberanteil bei Selbstständigen lasse sich zum Teil durch Zuschüsse aus Steuermitteln kompensieren. Bei der Krankenversicherung brauche es Beiträge, die sich am realen Einkommen orientieren. Im Hinblick auf die Arbeitslosenversicherung wäre nicht nur eine weitere Öffnung für Selbstständige wünschenswert, sondern eine Versicherungspflicht, um eine „negative Risikoselektion zulasten der Versicherungsgemeinschaft“ zu verhindern.

Auch Tarifverträge für Solo-Selbstständige halten die WSI-Forscher für sinnvoll. Sie verweisen auf die in der Medien- und Kulturbranche geltende Regelung, die Tarifverträge für arbeitnehmerähnliche Personen vorsieht, deren Einkommen zu mindestens einem Drittel von einem Auftraggeber stammt. Diese Regelung könnte auf andere Branchen ausgeweitet werden. Im europäischen Recht sollte ein Recht auf Tarifverhandlungen festgeschrieben werden, das allen Erwerbstätigen zusteht.

Karin Schulze Buschoff, Helge Emmler: Selbstständige in der Corona-Krise, WSI Working Paper Nr. 213, September 2021 

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