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HBS Böckler Impuls

Altersrente: Rentenkürzung durch die Hintertür

Ausgabe 04/2006

Die Rente mit 67 kommt näher. Längere Lebensarbeitszeiten sind also angesagt - theoretisch. Dabei gibt es bereits heute nur wenige Beschäftigte, die den Anforderungen an den so genannten Eckrentner entsprechen, der volle 45 Jahre in die Rentenkasse eingezahlt hat. Abschläge bei der Rente sind bereits der Regelfall.

Wer 100 Prozent der Altersrente erhalten möchte, der muss das Modell des so genannten Eckrentners erfüllen. Dieser Idealtyp hat ununterbrochen 45 Jahre lang Beiträge in die gesetzliche Rentenkasse gezahlt, hatte also nie lange Ausbildungsphasen, Kinderbetreuungszeiten oder war arbeitslos.

Die Realität sieht anders aus: Nur ein Drittel aller derjenigen, die mit 65 in Rente gingen, war direkt vor dem Renteneintritt noch sozialversicherungspflichtig beschäftigt, zeigt das Gelsenkirchener Institut Arbeit und Technik (IAT) in der jüngsten Ausgabe seines Altersübergangs-Reports. Ein weiteres Drittel erhielt vor Rentenbezug Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung. Das letzte Drittel bezog bereits eine Form von vorzeitiger Altersrente - sei es die Frauenaltersrente ab 60 oder die Rente für langjährig Versicherte mit mindestens 35 Beitragsjahren. Diese letzte Personengruppe kann bereits mit 63 in den Ruhestand gehen. Von 2012 an, wenn nach dem Willen der Bundesregierung das gesetzliche Rentenalter nach und nach auf 67 Jahre angehoben wird, ist dies die einzige Möglichkeit eines früheren Rentenbezugs.

Schon jetzt erhalten also zwei Drittel aller Rentner nicht die volle Altersrente. Denn alle Formen des vorzeitigen Ruhestands müssen von den Geburtsjahrgängen 1942 bis 1951 - und nur für diese Jahrgänge gelten die Regelungen noch - bereits heute mit Abschlägen in Höhe von 0,3 Prozent je Monat des Rentenbezugs vor der Vollendung des 65. Lebensjahres abgegolten werden. Wer heute mit 60 Jahren in Rente geht, muss also Abschläge von 18 Prozent hinnehmen, mit 62 Jahren sind es 10,8 Prozent und mit 63 Jahren noch 7,2 Prozent. Zudem muss der Verlust von Beitragspunkten hinzuaddiert werden, die der Rentner in spe noch erwerben würde, wenn er weitergearbeitet und damit Beiträge gezahlt hätte.

Diese Abschläge bei der Frührente, seit 1997 schrittweise eingeführt, zeigen bereits Spuren beim Renteneinstiegsalter. Das ist von 1996 bis 2004 um ein Jahr auf durchschnittlich 63,1 Jahre angestiegen. Die älteren Arbeitnehmer sind also durchaus sensibilisiert und versuchen, länger im Erwerbsleben zu bleiben, resümieren die Gelsenkirchener Forscher.

Ob es gelingen wird, ältere Erwerbstätige in Arbeit zu halten oder neu in Arbeit zu bringen und somit das Renteneintrittsalter weiter hinaus zu schieben, wird vor allem vom Beschäftigungsverhalten der Unternehmen abhängen. Die Zielvorgaben des Europäischen Rats sehen vor, dass 50 Prozent aller 55- bis 64-Jährigen im Arbeitsleben verbleiben. Dafür reicht es nicht aus, dass Ältere länger im bisherigen Betrieb beschäftigt bleiben können. Denn selbst wenn das Aussortieren nach Alter zum Beispiel über Frühverrentung völlig unterbleibt, sind von Betriebsschließungen und Insolvenzen auch die älteren Beschäftigten betroffen. Hier müsste die Bereitschaft steigen, Ältere auch neu einzustellen. Nach den Ergebnissen des IAB-Betriebspanels wurde im ersten Halbjahr 2004 aber nur jede zehnte zu vergebende Stelle mit einem Mitarbeiter über 50 besetzt - bei gleichen Einstellungschancen Älterer müssten es mehr als doppelt so viele sein.

Es gibt zwar zahlreiche Initiativen und Modelle, die auf eine Veränderung der Personalpolitik von Unternehmen abzielen und die Wiedereingliederung älterer Arbeitnehmer zum Ziel haben. Nachhaltige Erfolge sind jedoch noch nicht zu verzeichnen. Sollte die stärkere Integration der Älteren in die Erwerbstätigkeit bis zum gesetzlichen Rentenalter nicht gelingen, so bedeutet die Heraufsetzung eben dieses Rentenalters de facto nichts anderes als eine Rentenkürzung durch Abschläge, warnt das IAT. 

  • Rentenabschläge setzen viele Ältere unter Druck. Zur Grafik
  • Nur sehr wenige Rentner beziehn mehr als 1.500 Euro aus der Rentenkasse. Zur Grafik

Matthias Knuth, Renate Büttner, Martin Brussig: Ein längeres Arbeitsleben für alle?, Altersübergangs-Report 2006-01, Institut Arbeit und Technik, im Erscheinen.

Altersrente - Therapie mit Nebenwirkungen, in: Böckler Impuls 03/2006.

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