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HBS Böckler Impuls

Vermögen: Rentenansprüche dämpfen Ungleichheit

Ausgabe 01/2010

Ansprüche an die Rentenkasse und Beamtenpensionen sind gleichmäßiger verteilt als Geld- und Sachbesitz. Sie schaffen damit etwas Ausgleich zur zunehmenden Polarisierung der  Vermögen. Durch Rentenreformen und veränderte Erwerbsverläufe dürften die Unterschiede aber wachsen - und die Altersarmut.

4,6 Billionen Euro - so hoch waren 2007 die Anwartschaften, die Menschen in Deutschland an die verschiedenen Systeme der Alterssicherung hatten. Dies haben Joachim R. Frick und Markus M. Grabka in einer von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Untersuchung erstmals ermittelt.  Ansprüche auf die gesetzliche Rente und Beamtenpensionen haben für viele Menschen einen großen Stellenwert in ihrem Gesamtvermögen. Das wird deutlich, wenn die beiden Wissenschaftler des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) das so genannte Alterssicherungsvermögen rechnerisch neben das private Geld- und Sachvermögen stellen: Netto, also nach Abzug aller Schulden, besaß jeder Erwachsene im Jahr 2007 im Schnitt ein individuelles Vermögen von gut 155.000 Euro. Davon waren gut 88.000 Euro Geld- oder Sachvermögen, rund 67.000 Euro entfielen auf Renten- oder Pensionsanwartschaften.

Für ihre Berechnungen kombinierten Frick und Grabka die neuesten verfügbaren Befunde aus dem Sozio-oekonomischen Panel (SOEP), einer regelmäßigen Befragung von über 20.000 Menschen, mit anonymisierten Daten der Rentenversicherung. Auf Basis von Erwerbsbiografien, Alter und Daten zur Lebenserwartung lässt sich für verschiedene Bevölkerungsgruppen der "Gegenwartswert" ihrer Alterssicherungsansprüche zum Zeitpunkt der Erhebung abschätzen.

Die Anwartschaften aus Rente und Beamtenpensionen sind für die Einkommenverteilung in der Bundesrepublik von Bedeutung, weil sie gleichmäßiger verteilt sind als anderes Vermögen - von den Geld- und Sachwerten besitzen zwei Drittel der Erwachsenen nichts oder nur sehr wenig. Den weniger wohlhabenden 70 Prozent der Bevölkerung gehörten 2007 gerade einmal knapp neun Prozent aller Geld- und Sachwerte in Deutschland. Dagegen verfügte allein das reichste Zehntel über mehr als 60 Prozent. Teilt man die Bevölkerung in zehn gleich große Gruppen, dann hat das erste Zehntel unter dem Strich Schulden, die beiden folgenden besitzen netto keinerlei Geldvermögen, Sachwerte, Immobilien oder Unternehmenskapital. Erst im sechsten Zehntel übersteigt das Geld- und Sachvermögen 20.000 Euro.

Beim Alterssicherungsvermögen ist die Polarisierung  geringer, mehr Menschen haben einen nennenswerten Besitz, zeigen die DIW-Forscher. Schließlich sind die meisten Erwerbstätigen in eines der Alterssicherungssysteme einbezogen; gleichzeitig gibt es durch die Beitragsbemessungsgrenze in der Sozialversicherung auch eine "Deckelung" dieser Ansprüche. So verfügen selbst Angehörige der, gemessen am Geld- und Sachvermögen, ärmeren fünf Dezile über Renten- und Pensionsanwartschaften -  zwischen 40.000 und 50.000 Euro. Ab dem 6. Zehntel nehmen die Altersvorsorgeansprüche zu und erreichen im 10. Zehntel einen Spitzenwert von durchschnittlich 120.000 Euro.
Trotzdem bleibt "das Ausmaß der Vermögenskonzentration weiterhin hoch", betonen die Wissenschaftler.  Und auch beim Alterssicherungsvermögen gibt es durchaus Unterschiede.

Arbeiter und Angestellte: Bei den größten Beschäftigtengruppen, die in die Gesetzliche Rentenversicherung einzahlen, gilt das Äquivalenzprinzip. Die Höhe des Ruhegeldes hängt - bis zur Beitragsbemessungsgrenze - von der Höhe der Einzahlungen ab. Phasen der Arbeitslosigkeit reduzieren den Rentenanspruch. Un- und angelernte Arbeiter sowie Angestellte ohne Ausbildungsabschluss hatten 2007 Rentenanwartschaften von durchschnittlich 40.000 Euro. Facharbeiter und Angestellte mit einfachen Tätigkeiten lagen lediglich rund 500 Euro höher. Vorarbeiter, Meister und Angestellte mit qualifizierter Tätigkeit besitzen im Schnitt Ansprüche an die Alterssicherungssysteme von gut 49.000 Euro. Deutlich mehr haben Angestellte, die in hohen Führungspositionen arbeiten: über 78.000 Euro. Dabei spielt allerdings auch eine Rolle, dass diese Personengruppe im Schnitt etwas älter ist. ­Arbeitslose besitzen durchschnittlich rund 39.500 Euro an Alterssicherungsvermögen.

Unternehmer und Selbstständige unterliegen im Allgemeinen nicht der Versicherungspflicht. Sie sorgen mit ihrem Geld-, Sach- und insbesondere dem ­Betriebsvermögen auch für das Alter vor. Hinzu kommen häufig kleinere Rentenansprüche aus vorangegangener abhängiger Beschäftigung sowie bei Freiberuflern wie Ärzten oder Rechtsanwälten Ansprüche an berufsständische Versorgungswerke. Diese können aber über SOEP und Rentendaten, wie auch Betriebsrenten, nur zum Teil erfasst werden. All das führt dazu, dass die Stichprobe für Selbstständige unterdurchschnittliche Alterssicherungsvermögen ausweist. Unternehmer mit mehreren Mitarbeitern haben im Mittel lediglich rund 23.000 Euro, während Soloselbstständige auf etwa 46.000 Euro kommen. Gerade die letzte Gruppe ist allerdings sehr heterogen: Neben gut verdienenden Freiberuflern umfasst sie auch Selbstständige, die sich mit wenig Einkommen und Vermögen durchschlagen müssen. 

Die geringeren Ansprüche verkleinern etwas den deutlichen Vermögensvorsprung, den Selbstständige durch ihren überdurchschnittlichen Geld- und Sachbesitz gegenüber anderen Gruppen haben. Trotzdem stehen sie im Schnitt vergleichsweise gut da: Soloselbstständige besitzen gut 220.000 Euro, bei Selbstständigen mit zehn und mehr Mitarbeitern steigt das Nettovermögen inklusive Alterssicherungsansprüche auf mehr als 1,1 Millionen. Zudem, geben die DIW-Forscher zu bedenken, hat Geld- und Sachvermögen Qualitäten, die den Altersversorgungsansprüchen weitgehend fehlen: Zum Beispiel kann es vererbt und  beliehen werden, was insbesondere für Unternehmer wichtig ist. Darüber hinaus ist es mit weitaus mehr Macht und Prestige verbunden.

Beamte: Das höchste Alterssicherungsvermögen unter den Beschäftigten haben nach der DIW-Studie Beamte. Staatsdiener des einfachen und mittleren Dienstes verfügen im Durchschnitt über Pensionsansprüche von mehr als 80.000 Euro, im gehobenen und höheren Dienst sind es sogar gut 128.000 Euro. Beamte profitieren davon, dass sie nicht arbeitslos werden - und von der im Vergleich zur Rentenversicherung vorteilhaften Berechnungsgrundlage bei den Pensionen: Deren Höhe bemisst sich nicht am langjährigen Verdienstdurchschnitt, sondern an den Bezügen in den letzten Jahren vor der Pensionierung. Außerdem müssen sie keine Beiträge für ihre Altersversorgung bezahlen. Das trägt nach der DIW-Untersuchung dazu bei, dass Beamte auch ein relativ hohes Geld- und Sachvermögen besitzen. Hinzu kommen aber noch weitere Faktoren: Wer verbeamtet werden soll, muss eine obligatorische Gesundheitsprüfung durchlaufen. Und im Durchschnitt verfügen Beamte über eine höhere formale Qualifikation als sozialversicherungspflichtig Beschäftigte.

Am deutlichsten treten die Vorteile der Beamtenversorgung beim Vergleich von Rentnern und Pensionären hervor: Weil sie länger in die Rentenkassen eingezahlt haben, besitzen Rentner mit rund 125.000 Euro zwar ein höheres Alterssicherungsvermögen als derzeit noch aktive Arbeiter und Angestellte. Im Vergleich zu Pensionären bleiben sie aber deutlich zurück: Für die Beamten im Ruhestand weist das SOEP 2007 mehr als 300.000 Euro aus.

Wirtschaftskrise ändert wenig an Verteilung

Die Wirtschaftskrise wird die Vermögen in Deutschland zwar schmälern. Auf längere Sicht dürfte dieser Effekt aber eher gering sein und entsprechend wenig an der Verteilung verändern, vermuten die Wissenschaftler. Als ein Indiz dafür werten sie den letztlich moderaten Rückgang des privaten Geldvermögens im ersten Jahr der Finanzkrise: Zwischen 2007 und 2008 sank es um 2,4 Prozent, nachdem es zwischen 2001 und 2007 um gut 32 Prozent gestiegen war. Die öffentlichen Alterssicherungssysteme sind von der Krise ohnehin weniger betroffen, betonen Frick und Grabka. Auch dies belege die "gesamtwirtschaftliche Stabilisierungsfunktion" der Alterssicherung. Allerdings gerate diese Qualität aus anderen Gründen unter Druck. Absenkungen des gesetzlichen Rentenniveaus oder der Beitragszahlungen für Arbeitslose im Zuge der Hartz-Reformen vergrößerten das Risiko von Altersarmut, schreiben die Forscher. Und schließen: "Insgesamt ist davon auszugehen, dass der seit etwa 1993 zu beobachtende Trend einer zunehmenden Vermögensungleichheit in Deutschland durch die Reformen der Alterssicherung weiter verstärkt wird." In den neuen Ländern verschärft sich die Situation nach Einschätzung der Experten besonders: Die Geld- und Sachvermögen sind geringer als im Westen. Und die hohe Arbeitslosigkeit wird die Alterssicherungsvermögen künftiger Ost-Rentner deutlich schmälern. 

  • Die unteren 60 Prozent der Bevölkerung besitzen kaum nennenswertes Vermögen - aber sie haben Ansprüche auf Rente und Beamtenpensionen. Zur Grafik
  • So viel Geld- und Sachvermögen besitzen die Menschen in Deutschland - und so hoch sind in etwa ihre Ansprüche an die Rentenkasse und die Beamtenpensionen. Zur Grafik

Joachim R. Frick, Markus M. Grabka: Alterssicherungsvermögen dämpft Ungleichheit, aber große Vermögenskonzentration bleibt bestehen. DIW-Wochenbericht 3/2010

zum Projekt "Vermögens- und Einkommensverteilung in Deutschland"

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