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Mehr Rechte nötig Böckler Impuls

Europäische Betriebsräte: Mehr Rechte nötig

Ausgabe 05/2022

Ob Europäische Betriebsräte sich effektiv für Belegschaften einsetzen können, hängt stark vom Wohlwollen des Managements ab. Mehr substanzielle Rechte und Sanktionen könnten helfen.

In einem grenzüberschreitenden Markt müssen Beschäftigte die Möglichkeit haben, ihre Interessen grenzüberschreitend zu vertreten. In der EU gibt es dafür unter anderem Europäische Betriebsräte: Sie sollen sicherstellen, dass Belegschaften von multinationalen Konzernen über transnationale Angelegenheiten informiert werden, und einen Meinungsaustausch mit der Geschäftsführung ermöglichen. Zweck dieser Institution sei es, den Beschäftigten Einfluss auf Entscheidungen einzuräumen, erklärt Stan De ‌­Spiegelaere.‌ Der Sozialwissenschaftler von der Universität Gent hat untersucht, welche Faktoren dazu beitragen, dass das tatsächlich funktioniert. Ergebnis: Da die gesetzliche Position von Europäischen Betriebsräten bislang relativ schwach ist, spielt aktuell das Verhalten des Managements die maßgebliche Rolle.

Dass es bei der grenzüberschreitenden Mitsprache regelmäßig hapert, zeige eine Reihe von Studien, so De Spiegelaere. Demnach würden Eurobetriebsräte zwar oft informiert, aber kaum angehört und hätten selten Einfluss auf die Entscheidungsfindung des Managements. Bei einer Umfrage des Europäischen Gewerkschaftsinstituts ETUI von 2018, an der über 1600 Mitglieder von Eurobetriebsräten in ganz Europa teilgenommen haben, gab nur ein Viertel der Befragten an, dass Information und Konsultation im Allgemeinen rechtzeitig erfolgen. Nur 22,5 Prozent waren der Meinung, dass Sitzungen dazu beitragen, Entscheidungen der Geschäftsführung zu beeinflussen.

Um empirisch zu überprüfen, unter welchen Umständen Europäische Betriebsräte effektive Arbeit leisten können, hat der Forscher Daten der erwähnten ETUI-Befragung ausgewertet. Dabei hat er statistisch analysiert, inwieweit sich die geschäftliche Ausrichtung, die Struktur des Managements und der Arbeitsbeziehungen im Konzern, die Politik der Unternehmensführung, das Verhältnis der Belegschaftsvertreter und -vertreterinnen untereinander sowie das Verhältnis zwischen Management und Eurobetriebsrat auswirken. Berücksichtigt wurden bei den Berechnungen zudem die Herkunft der Mitglieder sowie Branche und Sitz der Unternehmen.

Ob Europäische Betriebsräte tatsächlich informiert und angehört werden und Einfluss auf die Entscheidungsfindung im Unternehmen nehmen können, das hat den Ergebnissen zufolge in erster Linie das Management in der Hand: Wenn an den Sitzungen auf Seiten der Geschäftsführung diejenigen teilnehmen, die tatsächlich die fraglichen Entscheidungen fällen, hat das einen signifikant positiven Effekt. Ebenso wirkt es sich aus, wenn sich Manager oder Managerinnen um gemeinsame Lösungen mit der Belegschaft bemühen. Messbar positive Auswirkungen haben darüber hinaus regelmäßige Kontakte unter Belegschaftsvertreterinnen und -vertretern zwischen den Sitzungen sowie die Abstimmung mit lokalen Arbeitnehmervertretungen. Ein feindliches Verhältnis zwischen Eurobetriebsrat und Unternehmensführung ist schädlich.

Hinsichtlich der statistischen Erklärungskraft und der Stärke des Effekts seien die Management-Variablen klar am wichtigsten, schreibt De Spiegelaere. Daher stelle sich die Frage, wie man Unternehmen dazu bringen kann, Europäische Betriebsräte als Institution wirklich ernst zu nehmen. Die Mitglieder selbst hätten da kaum Druckmittel, weil sie zum Beispiel nicht das Recht haben, zu Streiks aufzurufen. Erfolg versprechender wären nach Ansicht des Wissenschaftlers präzisere gesetzliche Vorgaben: Der Gesetzgeber könnte etwa eine offizielle Stellungnahme des Europäischen Betriebsrats für bestimmte Maßnahmen verbindlich vorschreiben sowie strengere Sanktionen für Unternehmen vorsehen, die sich nicht an die Regeln halten.

Stan De Spiegelaere: When are European Works Councils informed and consulted, and how do they gain influence? A quantitative analysis, Industrial Relations Journal 6/2021

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