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HBS Böckler Impuls

Arbeitsmarkt: Mehr Jobs in Europa - aber kaum bessere

Ausgabe 08/2008

In weiten Teilen der Europäischen Union sind in den letzten Jahren neue Jobs entstanden. Die Qualität der angebotenen Arbeit hat sich aber kaum verbessert, zeigt eine Untersuchung des Verbunds europäischer Wirtschaftsforschungsinstitute ELNEP. In Deutschland ist sie sogar gesunken.

13 Millionen neue Jobs entstanden zwischen 1999 und 2007 in den damals noch 13 Mitgliedstaaten der Europäischen Währungsunion. Dementsprechend ging in den meisten Ländern die Arbeitslosigkeit zurück. Ausnahmen sind Portugal, Österreich, die Niederlande und Deutschland. Hierzulande ist die Arbeitslosigkeit aktuell etwa so hoch wie zu Beginn der Währungsunion. Außerdem verringerte sich die Jobqualität - absolut und im Vergleich zu den europäischen Nachbarstaaten. So das Ergebnis einer Studie des European Labour Network for Economic Policy (ELNEP). Ihm gehören neun Forschungsinstitute aus ebenso vielen europäischen Ländern an. Deutsches Mitglied ist das IMK.

Um Arbeit qualitativ bewerten und europaweit vergleichen zu können, hat das Europäische Gewerkschaftsinstitut (ein weiteres ELNEP-Mitglied) einen Indikator entwickelt: den Job Quality Index (JQI). Ziel war es, die Qualität der Arbeit nicht nur zwischen den einzelnen Ländern, sondern auch im Zeitverlauf vergleichen zu können.

Der Index umfasst:

Löhne: Gemessen wird die inflationsbereinigte Entlohnung in Kaufkraftparitäten (so lässt sich die unterschiedliche Kaufkraft in den verschiedenen Ländern ausgleichen).

Atypische Arbeit: Dies setzt sich zusammen aus dem Anteil unfreiwillig befristeter Arbeit und dem Anteil unfreiwilliger Teilzeitarbeit an der gesamten Beschäftigung.

Arbeitszeit und Vereinbarkeit von Beruf und Familie oder anderen sozialen Aufgaben: Bestandteile dieses Merkmals sind der Anteil der Beschäftigten, die standardmäßig mehr als 48 Stunden die Woche arbeiten, der Anteil der Schicht-, Nacht-, Abend- und Wochenendarbeiter, die Zahl der freiwilligen Teilzeitkräfte und der Anteil der Beschäftigten, die angeben, mit ihrer "Work Life Balance" zufrieden zu sein.

Arbeitsbedingungen und Arbeitsplatzsicherheit: Dazu gehören die Arbeitsintensität, das Ausmaß der Autonomie am Arbeitsplatz und der körperlich anstrengenden Arbeit (zum Beispiel schwer heben, viel stehen oder gehen) und die Zahl der Arbeitsunfälle.

Weiterbildung und Karrierechancen: Da die verschiedenen Ausbildungssysteme nicht direkt miteinander vergleichbar sind, dient der Anteil der erwachsenen Arbeitnehmer, die in den vergangenen vier Wochen vor Datenerhebung an einer Fortbildung teilgenommen haben, als Indikator.

Kollektive Interessenvertretung: Dies setzt sich zusammen aus dem Anteil der Arbeitnehmer, deren Gehälter und Arbeitsbedingungen einer Tarifbindung unterliegen, und der Quote der gewerkschaftlich Organisierten.

Der nun erstmals vorliegende Gesamtindex besteht aus dem ungewichteten Mittelwert der sechs Einzelkategorien. Bei seiner Interpretation sind einige Einschränkungen zu beachten, so die Forscher. Denn sie benötigten Daten sowohl für 15 EU-Mitgliedsländer als auch für zwei Zeitpunkte. Deshalb ließen sich einige potenziell relevante Informationen nicht verwenden. Die Autoren bleiben bei der Interpretation der Ergebnisse daher vorsichtig.

Der JQI zeigt: In den 15 alten Mitgliedern der EU entstanden in jüngster Zeit durchschnittlich kaum bessere Jobs als im Vergleichsjahr 2000. In Deutschland hat sich die Qualität der Arbeit sogar verschlechtert. In der Hitliste des Job Quality Index ganz oben geblieben sind Dänemark, Schweden und die Niederlande. Deutschland rangiert unterhalb des EU-15-Schnitts. Schlechtere Noten bekamen 2006 die Südeuropäer: Italien, Portugal und Spanien sowie Schlusslicht Griechenland.

Im Jahr 2000 entsprach die Jobqualität in Deutschland fast genau dem Mittelwert. Seitdem haben Frankreich und Irland die Deutschen überholen können. Auch absolut haben sich die Noten für deutsche Jobs verschlechtert. Besonders ausgeprägt ist das bei der Komponente "Atypische Arbeit", entsprechend dem stark steigenden Anteil unfreiwilliger befristeter Beschäftigung und Teilzeitarbeit.

  • Zur Grafik

More and better jobs? - Labour market developments in the euro area since 1999 (pdf), Companion report to the ELNEP economic forecast and policy recommendations, Brüssel, Mai 2008

Janine Leschke, Andrew Watt, Mairéad Finn: Putting a number on job quality? Constructing a European Job Quality Index, Working Paper 2008.03 des Europäischen Gewerkschaftsinstituts, Brüssel, Mai 2008

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