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Gefahr für Klima und Umwelt Böckler Impuls

Handelsabkommen mit Kanada: Gefahr für Klima und Umwelt

Ausgabe 17/2022

CETA, das Handelsabkommen zwischen der EU und Kanada, gefährdet staatliche Handlungsfähigkeit und ambitionierte Klimapolitik. Für intensiven Handel ist eine Ratifizierung unnötig.

Die Bundesregierung forciert den endgültigen Abschluss des Handels- und Wirtschaftsabkommens zwischen Kanada und der EU (CETA). Höchst umstritten ist darin der Investitionsschutz, der es ausländischen Investoren ermöglicht, das Gastland vor einem privaten Schiedsgericht zu verklagen. Dadurch sind Staaten einem großen finanziellen Risiko ausgesetzt, wenn sie Regeln setzen und Gesetze erlassen, etwa zum Schutz von Klima, Umwelt, Gesundheit, Verbraucherinnen und Verbrauchern oder Beschäftigten. Für eine Intensivierung des Handels ist eine Ratifizierung von CETA nicht nötig. Zu diesem Ergebnis kommt Sabine Stephan vom IMK in einer Analyse.

Seit September 2017 wird CETA bereits in allen Teilen, die den Handel betreffen, vorläufig angewendet. Ausgenommen ist bislang der Investitionsschutz. Dieser tritt erst in Kraft, wenn die nationalen Parlamente aller EU-Mitgliedsstaaten dem Abkommen zugestimmt haben. Ausländische Investoren hätten dann die Möglichkeit, vor einem privaten Schiedsgericht zu klagen, wenn sie der Meinung sind, dass der Ertrag ihrer Investition durch Gesetze oder Regulierungsmaßnahmen beeinträchtigt wird. Dieses Privileg birgt nach Ansicht der IMK-Expertin ein großes Risiko: „In Zukunft werden immer mehr Länder immer drastischere Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels ergreifen müssen, und es besteht die Gefahr, dass diese Maßnahmen von internationalen Konzernen angegriffen, verzögert und gegebenenfalls sogar verhindert werden“, schreibt Stephan.

Die in CETA enthaltenen Bestimmungen zum Investitionsschutz sehen die Schaffung eines „Investment Court System“ vor. Dabei handele es sich im Kern um das bekannte Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren ISDS, an dem lediglich wenige Verbesserungen vorgenommen wurden. „Die strukturellen und grundlegenden Probleme wurden jedoch nicht behoben“, so Stephan. Der Investitionsschutz führe „zu einer ungerechtfertigten Bevorzugung ausländischer Investoren, weil er ihnen Sonderrechte einräumt, die Inländer nicht haben“. 

Schon beim ISDS beobachten Fachleute eine stetig wachsende Klagewelle und enorme Entschädigungsforderungen. Immer häufiger enden Auseinandersetzungen, bei denen es im Kern um den Konflikt zwischen Gemeinwohl und Profitinteressen geht, vor einem privaten Schiedsgericht. „Mit der Ratifizierung von CETA würde dieses Problem noch weiter verschärft, weil es den Kreis der Anspruchsberechtigten drastisch vergrößert, da nicht nur kanadische und europäische Investoren klageberechtigt wären, sondern zum Beispiel auch US-Konzerne mit Tochtergesellschaften in Kanada und in Europa“, schreibt Außenhandelsexpertin Stephan.

Die Bundesregierung hatte im Sommer dieses Jahres angekündigt, CETA im Herbst zu ratifizieren. Hintergrund der Initiative ist das engere Zusammenrücken des Westens angesichts von geopolitischen Spannungen und fragilen Lieferketten. Handelsbeziehungen mit befreundeten Staaten sollen intensiviert werden. Die Ratifizierung würde dazu aber gar keinen Beitrag leisten, sagt die IMK-Expertin, weil alle den Handel betreffenden Vereinbarungen längst gelten.

Die Probleme mit dem Investitionsschutz seien der Bundesregierung bewusst. Deshalb bemühe sie sich aktuell um eine „Interpretationserklärung“, die den Investitionsschutz auf direkte Enteignungen und Diskriminierungen konzentrieren und damit eine missbräuchliche Anwendung verhindern soll. Ob dies mit solch einer Erklärung tatsächlich gelingt, sei aber zweifelhaft, schreibt Stephan.

Einer Ratifizierung des Handelsabkommens haben erst 16 der 27 EU-Mitgliedsstaaten zugestimmt. Zu den EU-Mitgliedern, die dies bislang nicht getan haben, zählen neben Deutschland auch Frankreich und Italien. Solange der Prozess nicht abgeschlossen ist, läuft die vorläufige Anwendung unbefristet weiter.

Das Fazit der Forscherin: „In einer Zeit, in der die Bekämpfung des Klimawandels oberste Priorität haben muss und uns die aktuellen Krisen täglich vor Augen führen, wie wichtig ein handlungsfähiger Staat ist, ist die Ratifizierung eines Abkommens, das beides massiv behindern kann, brandgefährlich. Der sicherste Weg, diese Gefahr abzuwenden, besteht darin, CETA nicht zu ratifizieren.“

Sabine Stephan: Ratifizierung von CETA ist unnötig und brandgefährlich, IMK Kommentar Nr. 8, Oktober 2022

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