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HBS Böckler Impuls

Betriebsräte: Frauen bringen neuen Arbeitsstil

Ausgabe 04/2007

In den Betriebsräten kleiner Unternehmen sind Frauen nach wie vor unterrepräsentiert. Bei den jüngsten Betriebsratswahlen 2006 traten jedoch vermehrt junge Kandidatinnen aus den Büros an, ergab eine Untersuchung der Sozialforscher Wolfram Wassermann und Wolfgang Rudolph.

Die Wissenschaftler vom Büro für Sozialforschung Kassel befragten 40 Betriebsräte von Kleinbetrieben der Metall-, Holz- und Elektroindustrie mit zwischen 20 und 200 Beschäftigten. Die Forscher suchten Firmen aus, in denen sich das Geschlechterverhältnis deutlich verändert hatte - oder Frauen in die Betriebsratsspitze rückten. Männliche Arbeiter stellen in diesen Branchen traditionell die Belegschaftsmehrheit und hatten bisher auch die Betriebsratsarbeit dominiert.

Bei den Wahlen im vergangenen Jahr hat es jedoch in vielen Kleinbetrieben einen "Schub an weiblichen Kandidaturen" gegeben, schreiben Wassermann und Rudolph. Dieser "ging offenbar in größerem Umfang von der Gruppe junger und neu in den Betrieb gekommener Frauen aus". Dabei handelte es sich oft um kaufmännische Angestellte aus Sekretariaten, Lohnbuchhaltung, Verkauf und Vertrieb. "Mit diesen jungen Frauen aus Verwaltungspositionen kam also ein bisher in den Betriebsräten kleiner Betriebe nur selten vertretenes Angestelltenmilieu in die Interessenvertretungsarbeit", analysieren die Forscher. In der deutlichen Mehrheit der Fälle waren die Frauen für ihre Wahl nicht auf die gesetzliche Minderheitenquote angewiesen. Auch in Betrieben mit eher kleinem weiblichen Belegschaftsanteil wurden die Frauen über eigene Stimmenmehrheiten - also auch von den Männern - in die Betriebsräte gewählt.

Auffallend oft sind in Kleinbetrieben weibliche Betriebsratsmitglieder 2006 auch in die Spitzenpositionen des Gremiums gewählt worden. In rund 14 Prozent der Betriebe wurden Frauen zur Vorsitzenden, in rund 18 Prozent zur Stellvertreterin gewählt - ein Anteil, der nicht niedriger ist als im Durchschnitt aller Betriebe im Organisationsbereich der IG Metall. Das sei deshalb bemerkenswert, weil die Kleinbetriebe bei Erfüllung der Geschlechterquote deutlich hinter den Großen liegen, schreiben Wassermann und Rudolph. Laut Wahlauswertung erreichte 2006 der Mittelstand nur zu 68 Prozent die Quote, während sie 86 Prozent der Betriebe mit mehr als 200 Beschäftigten schafften.
Wo Frauen stärker Einfluss auf die Betriebsratsarbeit nehmen, sind nicht selten die bisherigen Vorsitzenden "müde" geworden, "haben das Handtuch geschmissen", erfuhren die Forscher. Aufgrund eines gewandelten Rollenverständnisses gehe die Führung dann selbst in Betrieben mit überwiegend männlichen Beschäftigten problemlos auf die Frauen über. Der Weg von Frauen in die Betriebsratsspitzen verläuft auch in kleinen und mittleren Betrieben meist über mehrere Stationen, oft eine längere Phase einfacher Betriebsratspraxis, in der stabile Vertrauensbeziehungen aufgebaut wurden.

Damit überwinden sie kulturelle Hürden: Traditionell haben die männlichen Betriebsräte aus der Arbeiterschaft zu den "Damen im Büro" ein problematisches Verhältnis, so die Wissenschaftler. Frauen hätten in kleinen Metallbetrieben häufig führungsnahe Aufgaben, stünden deshalb unter dem Verdacht, sich als "Spionin" für den Chef zu betätigen. Auch der Arbeitgeber befürchte häufig einen Loyalitätsverlust bei Frauen aus dem unmittelbaren Führungsumfeld, wenn diese sich in den Betriebsrat wählen lassen. Doch wenn Männer und Frauen über Jahre gemeinsam als Arbeitnehmervertreter tätig sind, wächst das gegenseitige Vertrauen. Wo Frauen an die Spitze der Betriebsräte rücken, ändert sich der Arbeitsstil, so Wassermann und Rudolph: "Sie legen Wert auf ausführliche Diskussionen vor Entscheidungen, sie gehen niemals alleine zu Gesprächen mit der Geschäftsführung und betreiben die schriftliche Seite der Betriebsratsarbeit systematischer." Dabei helfe vielen ihre kaufmännische Qualifikation.

Frauen im Betriebsrat erhöhen auch die Repräsentativität des Gremiums für unterschiedliche Beschäftigtengruppen. "Endlich verstehen wir besser, wie im Büro gedacht wird", erzählte einer der befragten Betriebsräte. Ebenso konnten Frauen aus weiblich dominierten Abteilungen wie Verpackung und Lager, Vertrieb oder Kundendienst erstmals die Probleme von Arbeitnehmergruppen mit prekären Arbeitsbedingungen - zum Beispiel Teilzeit oder Leiharbeit - in die Betriebsratsarbeit einbringen. Weitere frauenspezifische Themen spielen in den Gremien jedoch noch keine bedeutende Rolle, so die Forscher. So stehen Fragen der gerechteren Entlohnung speziell der Arbeiterinnen oder besondere Arbeitszeitregelungen zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie nicht vermehrt auf der Tagesordnung.

  • Die Enführung eines Familiensplittings käme in erster Linie Besserverdienern zugute. Zur Grafik

Wolfram Wassermann, Wolfgang Rudolph: Zur Repräsentanz von Männern und Frauen in Betriebsräten kleiner Betriebe, gefördert von der Hans-Böckler-Stiftung, Februar 2007.

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