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HBS Böckler Impuls

Frauen im Betriebsrat: Die neue Quote - kein Selbstläufer

Ausgabe 01/2005

Seit es die Minderheitenquote im Betriebsverfassungsgesetz gibt, mischen in den traditionell männerdominierten Betriebsräten deutlich mehr Frauen mit. Aber: der GenderAct ist kein Selbstläufer. Viele notwendige Veränderungen - auch in den Köpfen - stehen noch aus.

Zwei Jahre nach der ersten Wahl mit Quote hat das Büro für Sozialforschung in Kassel aus zahlreichen Fallstudien eine Zwischenbilanz herausgearbeitet - nicht repräsentativ, aber charakteristisch. Die wichtigsten Befunde:

Wahlen und Kandidatensuche bedeuten eine Kraftanstrengung. Der wichtigste Schritt kommt aber erst danach. Männer und Frauen müssen ihre neuen Rollen im Betriebsrat finden, das funktioniert keineswegs immer auf Anhieb. "Oft ist für Männer in der Betriebsratsspitze das Thema damit erledigt, dass man nach zusätzlichen Kandidatinnen Ausschau hielt und die Zahl der weiblichen Mandate tatsächlich erhöhen konnte." Man erwartet Dankbarkeit. Wenn die Neuen aber statt dessen im Betriebsrat eigene Ansprüche formulieren und neue Sichtweisen äußern, neige der alte Kern eher dazu, ihnen mangelnde Befähigung vorzuwerfen, als die tradierten Strukturen zu hinterfragen. Frust auf beiden Seiten bleibt nicht aus.

Neuen Schwung in die Arbeit bringen Frauen dann, wenn sie zu mehreren sind. Einzelkämpferinnen dagegen sind eher isoliert. Die Studie: "Vielfach scheint noch eine Erkenntnis bevor zu stehen: Den größten Gewinn hat man durch die ‚Neuen‘, wenn man sie fordert, einbezieht und ihnen notwendige Freiräume gibt. Dann können Qualifikationen zusammenfließen, die insgesamt einen Zugewinn an Teamarbeit möglich machen." Zu mehreren schaffen Frauen es auch, Impulse für einen neuen Arbeitsstil zu geben: pragmatischer, mit weniger Reibungsverlusten.

Oft fehlt die Akzeptanz. Häufig sehen die männlichen Betriebsrats-Protagonisten, die nun verstärkt mit dem weiblichen Geschlecht umzugehen haben, bei den neuen Frauen nur die Schwachpunkte. Dazu zählen vor allem wenig ausgeprägtes gewerkschaftliches Denken, fehlender gewerkschaftlicher Stallgeruch.

Frauen im Betriebsrat wollen keine Quotenfrauen sein. Darauf legen sie selbst großen Wert. Unterstützung und Bekanntheitsgrad vorausgesetzt, haben sie auch keine Probleme, genügend Stimmen von Männern und Frauen zusammenzubringen.

Eine Nachbesetzung kann schnell zum Quotenkiller für Frauen werden. Vor allem in kleinen Betrieben fehlen Kandidatinnen. Generell zeigt sich: Wo die amtierenden Mandatsträgerinnen rechtzeitig Nachfolgerinnen suchen, ist die Kontinuität gewährleistet. Eine Vorbildfunktion kann helfen, den Nachwuchs zu sichern: "Die Frauen sind da plötzlich viel interessierter, wenn auf der Betriebsversammlung vorn eine Frau steht - das hat Wirkung!", so wird eine Betriebsratsvorsitzende zitiert.

Ob mehr Frauen auch mehr frauenpolitische Initiativen ergreifen, steht noch nicht fest. Grundsätzlich gilt: "Wo Frauen eine starke Minderheit oder Mehrheit in den Betriebsräten bilden, nehmen die Betriebsräte mittlerweile oftmals die Position zuverlässiger Akteure für die Geschlechteremanzipation ein."

Zuwachs der Frauen ging nicht auf Kosten der Männer. Beim ersten Mal mit Quote haben die Frauen hauptsächlich Mandate abgeschöpft, die es wegen der neuen Wahlbestimmungen zusätzlich gab. Unterm Strich ging der Gewinn also nicht auf Kosten der Männer.

Männer behalten die Spitze. Auch bei mehrheitlich weiblicher Belegschaft: Den Vorsitz sichern sich weiterhin meist Männer, Stellvertreterinnen nicht ausgeschlossen.

Schub durch Quote. Fast 70 Prozent der Betriebe haben jetzt einen Betriebsrat, in dem Frauen und Männer gemäß ihren Anteilen in der Belegschaft vertreten sind. In 44 Prozent der Betriebe gibt es mehr, in 10 Prozent weniger Frauen als vor der Quote.

  • Seit es die Minderheitenquote im Betriebsverfassungsgesetz gibt, mischen in den traditionell männerdominierten Betriebsräten deutlich mehr Frauen mit. Zur Grafik

"Betriebsräte nach der Reform" von Wolfram Wassermann und Wolfgang Rudolph, Büro für Sozialforschung Kassel, November 2004. Erscheint im Mai 2005 im Verlag Westfälisches Dampfboot, Münster.

"Gleichstellung von Frauen und Männern in der betrieblichen Interessenvertretung" von Christina Klenner und Christiane Lindecke, in: WSI-Mitteilungen 3/2003
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