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HBS Böckler Impuls

Rente: Extreme Unterschiede in den Regionen

Ausgabe 06/2007

Die Chancen auf eine gute Rente stehen nicht überall gleich. Erstmals haben Forscher die durchschnittlichen Renten und Zugangsalter für alle Landkreise und Städte ermittelt. In einigen Regionen zahlt die Rentenkasse je Neurentner fast doppelt so viel aus wie andernorts. Und in manchen Gebieten gehen die Versicherten vier Jahre früher in den Ruhestand als sonst wo in der Republik.

Der Übergang in den Ruhestand und die Rentenzahlungen sind in Deutschland durch "extreme regionale Unterschiede" gekennzeichnet. Zu diesem Ergebnis kommen
Forscher des Internationalen Instituts für Empirische Sozialökonomie (INIFES). Professor Ernst Kistler, Andreas Ebert und Falko Trischler haben zum ersten Mal für alle Landkreise und Städte der Republik die Wege in den Ruhestand, die durchschnittliche Rentenhöhe und das Zugangsalter ermittelt. Sie werteten regionale Renten-, Arbeitsmarkt- und Bevölkerungsdaten aus, um Informationen für die bessere Integration von Älteren in die lokalen Arbeitsmärkte zu liefern. Ihre Recherche ist Teil des von der Hans-Böckler-Stiftung und der Europäischen Kommission finanzierten Projekts "Smart Region".

Der Blick auf die so entstandenen Rentenkarten zeigt: In manchen Kreisen gehen die Versicherten im Schnitt bis zu vier Jahre früher in den Ruhestand als andernorts. Und die Zahlungen variieren deutlich: Durchschnitts-Rentner bekommen in den ländlichen Gegenden des Westens nur etwas mehr als die Hälfte dessen, was in Ballungsräumen und weiten Gebieten Ostdeutschlands gezahlt wird. Die Wissenschaftler des INIFES nennen mehrere Gründe für die regionalen Differenzen. Entscheidend sind der Umfang der Frauenerwerbstätigkeit, die lokale Arbeitsmarktlage, die gängigen Arbeitsbedingungen und -belastungen sowie die Wirtschaftshistorie.

Große Unterschiede zwischen Ost und West. Im Osten bekommen Neurentner im Schnitt mehr. In Potsdam beziehen sie sogar monatlich 830 Euro, im Landkreis Bitburg-Prüm in der Eifel hingegen nur 495 Euro. Der Hauptgrund für diesen Vorsprung sind die stärkere Frauenerwerbstätigkeit in Ostdeutschland und die konstanteren Erwerbsbiographien in der DDR. Auf mehr Wohlstand im Alter lassen die höheren Renten aber nicht unbedingt schließen, so die Autoren der Studie. Denn ältere Ostdeutsche verfügen seltener über Vermögen und Betriebsrenten.

Wer heute in Rente geht, bekommt weniger als in den Vorjahren. Seit 2001 sinkt der durchschnittliche Zahlbetrag der Neurenten. Hauptgrund dafür sind die 1997 eingeführten Abschläge, die bei einem vorzeitigen Berufsausstieg die monatlichen Ansprüche reduzieren. Besonders in  westdeutschen Ländern mit Problemen im Strukturwandel macht sich das bemerkbar: Nordrhein-Westfalen und das Saarland mussten die stärksten Einbußen hinnehmen. An der Saar sackten die durchschnittlichen Zahlbeträge zwischen 1996 und 2004 von 747 Euro auf 565 Euro. In den neuen Bundesländern liegen die Beträge der Neurentner 2004 zwar über denen des Jahres 1996, aber auch dort sinken sie schon seit einigen Jahren.

Männer bekommen mehr als Frauen. Ob Stadt oder Land, Ost oder West - überall fallen die neuen Männerrenten höher aus. Doch die Abstände weichen erheblich voneinander ab. Die Rentnerinnen in Frankfurt/Oder erhalten 706 Euro und damit immerhin 85 Prozent der lokalen Männerrente. In ganz Ostdeutschland liegen die Frauenrenten bei 75 Prozent. Ein Wert, der in den alten Bundesländern teilweise weit unterschritten wird. Nur in Regionen mit einem ausgeprägten Dienstleistungssektor rangieren die Renten der Frauen bei mehr als 60 Prozent des Zahlbetrags der Männer. Im ländlichen Raum rutscht die Marke noch weiter ab, weil dort das traditionelle Familienmodell noch stärker verbreitet ist und es Jobs vor allem in der Produktion gibt. Das Schlusslicht bildet der Landkreis Kusel, wo Frauen im Schnitt nur 325 Euro bekommen, gerade mal 37 Prozent von den Bezügen der Männer. Viele westdeutsche Frauen sind nach der Familienphase nicht wieder ins Erwerbsleben zurückgekehrt - oder nur zu einem geringen Gehalt.

Unterschiede zwischen Stadt und Land: In den Flächenländern Rheinland-Pfalz, Bayern und Niedersachsen zahlt die Rentenkasse bundesweit am wenigsten aus. Besser stehen ältere Berliner und Hamburger da; die Rentenrückgänge zwischen 1996 und 2004 waren hier vergleichsweise gering. Kistler und sein Team führen das auf die höheren Beschäftigungsquoten Älterer in den Stadtstaaten zurück - mehr Neurentner bleiben von Abschlägen verschont. Den gleichen Effekt beobachten sie auch in anderen Ballungsräumen. So fallen die Renten in und um München deutlich höher aus als in den Randlagen des Freistaats.

Selbst in so wohlhabenden Gegenden wie dem Landkreis Garmisch-Partenkirchen droht verstärkt Altersarmut. Die meist prekäre Beschäftigung im Tourismus und in der Landwirtschaft sichert vielen Erwerbstätigen allenfalls spärliche Rentenansprüche. Ein Befund, der für zahlreiche Urlaubsregionen in Deutschland gilt.

Junge und alte Rentner. Die jüngsten Neurentner hat der vorpommersche Kreis Demmin - hier beginnt der Ruhestand mit durchschnittlich 57,3 Jahren. Im schwäbischen Landkreis Alb-Donau kommt die Rente im Schnitt erst mit 61,6. Das Renteneintrittsalter steigt deutschlandweit: 2004 lag es bei 60,4, elf Monate über der Marke des Jahres 1996. Der Grund dafür sind mehr Altersrenten mit 65. Doch die Wissenschaftler des INIFES sehen das nicht als Hinweis auf mehr Jobs für Ältere; nur 17,5 Prozent wechseln tatsächlich aus einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung in den Ruhestand. Überwiegend gehen jene Versicherten mit 65 in Rente, die mal regulär beschäftigt waren, aber mittlerweile längst keine Beiträge mehr zahlen.

Kein gleiches Risiko der Erwerbsminderung: In München oder in Starnberg scheidet nur jeder zehnte mit einer Erwerbsminderung aus dem Arbeitsleben aus. Einen erheblich höheren Anteil haben die Wissenschaftler in ländlichen Regionen gefunden, wo es fast nur im produzierenden Gewerbe Jobs gibt. Im bayerischen Hof und im mecklenburgischen Ludwigslust müssen rund 30 Prozent der Versicherten aufgrund eines gesundheitlichen Handicaps zu Hause bleiben.

  • Deutschland: bei der Rente ein Flickenteppich. Zur Grafik
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