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HBS Böckler Impuls

Mehrwertsteuer: Die kleineren Einkommen haben die größeren Verluste

Ausgabe 20/2005

Eine höhere Mehrwertsteuer und insgesamt niedrigere Sozialbeiträge sind beschlossene Sache. Arbeitslose, Rentnerinnen und Rentner werden durch dieses Reformpaket die höchsten Einkommenseinbußen erleiden, ergeben Modellrechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW).

Anfang 2007 soll der Regelsatz der Mehrwertsteuer von 16 auf 19 Prozent steigen; der reduzierte Satz vor allem für Nahrungsmittel, öffentliche Verkehrsmittel und Druckerzeugnisse bleibt unangetastet. Die Bundesregierung plant, mit einem Teil der Mehreinnahmen die Sozialbeiträge zu senken. Der Beitragssatz in der Arbeitslosenversicherung soll 2007 um 2 Prozentpunkte verringert werden. Die Rentenversicherung wird allerdings teurer: Ihr Beitragssatz soll um 0,4 Prozentpunkte auf 19,9 Prozent steigen.

Wird die höhere Mehrwertsteuer komplett über die Preise weitergegeben, bringt das Reformpaket dem Fiskus netto 15 Milliarden Euro ein. Die größte Belastung haben die privaten Haushalte zu tragen, so das DIW. Dabei sind Haushalte mit niedrigem Einkommen relativ zum verfügbaren Haushaltseinkommen stärker betroffen als wohlhabende Haushalte. Da für sehr hohe Einkommen mit mehr als 18.000 Euro monatlichem Nettoeinkommen keine statistischen Daten vorliegen, nehme die Einkommensungleichheit tendenziell sogar noch stärker zu, als die Modellrechnungen zeigen.

Der Grund für die stärkere Belastung der kleinen Einkommen ist leicht ausgemacht: Wer wenig verdient, gibt einen größeren Teil seines Einkommens gleich wieder aus. Andersherum: Mit zunehmendem Einkommen steigt die Sparquote. In Haushalten mit niedrigem Einkommen ist sie sogar deutlich negativ; diese verschulden sich sogar oder gehen an die Ersparnisse, um ihren Konsum zu finanzieren. Weder die ermäßigt besteuerten Ausgaben noch die Steuerbefreiungen für Wohnungskosten, die von der Erhöhung der Mehrwertsteuer nicht betroffen sind, machen sich selbst bei den Geringverdienern stark bemerkbar.

Die Entlastungen bei den Sozialbeiträgen ändern an diesen Verteilungswirkungen nur wenig. Profitieren können von den niedrigeren Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung ohnehin nur sozialversicherungspflichtig Beschäftigte: Sowohl Geringverdiener, die häufig nicht in die Sozialversicherung einzahlen, als auch kleine Selbstständige und Beamte sowie Arbeitslose und Ruheständler belasten die geplanten Reformen überdurchschnittlich. Denn sie haben noch nicht einmal etwas von der Senkung der Sozialversicherungsbeiträge.

Arbeitslose und Rentner erleiden insgesamt die höchsten Einkommenseinbußen. Sie haben in der Mehrheit nur ein mittleres oder niedriges Einkommen, werden also stärker be- und überhaupt nicht entlastet. Die Belastung der Arbeitslosen steigt um 1,3 Prozent, die der Rentner und Pensionäre um 1,25 Prozent der verfügbaren Einkommen. Im Durchschnitt liegt die Mehrbelastung der privaten Haushalte lediglich bei etwa 0,8 Prozent.

Das Reformpaket wird von 2007 an dämpfend auf die Konjunktur wirken, prognostiziert das Berliner Forschungsinstitut. Immerhin vermindern sich auch für die Arbeitgeber die Sozialbeiträge, so dass mehr Beschäftigung möglich ist. Allerdings: "Würden die Mehreinnahmen aus der Mehrwertsteuererhöhung in voller Höhe in eine Senkung der Sozialversicherungsbeiträge investiert, fielen diese Effekte vermutlich noch stärker aus."

  • Eine höhere Mehrwertsteuer und insgesamt niedrigere Sozialbeiträge sind beschlossene Sache. Arbeitslose, Rentnerinnen und Rentner werden durch dieses Reformpaket die höchsten Einkommenseinbußen erleiden, ergeben Modellrechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Zur Grafik
  • Eine höhere Mehrwertsteuer und insgesamt niedrigere Sozialbeiträge sind beschlossene Sache. Arbeitslose, Rentnerinnen und Rentner werden durch dieses Reformpaket die höchsten Einkommenseinbußen erleiden, ergeben Modellrechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Zur Grafik

Koalitionsvertrag: Belastungen durch Mehrwertsteuererhöhung werden nur zum Teil durch Senkung der Sozialbeiträge kompensiert,
DIW-Wochenbericht Nr. 47, 23. November 2005 (kostenpflichtige PDF-Datei, Bezahlung über Firstgate)

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