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HBS Böckler Impuls

Corporate Social Responsibility (CSR): Die Chefs beim schönen Wort nehmen: Betriebsräte und Selbstverpflichtungen

Ausgabe 05/2005

Neues Denken oder bloß Oberflächenglanz für Unternehmensbroschüren? Auch deutsche Unternehmen setzen sich Sozial- oder Umweltziele und legen darüber Berichte vor. Betriebsräte sind an freiwilligen Festlegungen beteiligt und sehen darin mehr Chancen als Gefahren. Sie setzen aber oft andere Schwerpunkte als das Management.

Henkel, Ende Februar. Der Düsseldorfer Markenartikel-Hersteller erhält eine Auszeichnung für den besten "Nachhaltigkeitsbericht" unter 150 Unternehmen und glänzt mit gestiegenen Gewinnen. Gleichzeitig kündigt das Management an, bis 2006 weltweit 3.000 Arbeitplätze zu streichen. Begründung: Nur mit weniger Personal könne das Unternehmen wettbewerbsfähig bleiben.  

Gewerkschaften zeigen Zurückhaltung

Es sind solche Erfahrungen, die Skeptiker Zurückhaltung anmahnen lassen, wenn sich immer mehr Großkonzerne öffentlichkeitswirksam zu ihrer "gesellschaftlichen Verantwortung" bekennen. "Corporate Social Responsibility", kurz CSR, ist bei Arbeitgebern in Mode. Und gerade deshalb nicht unumstritten.
Zurückhaltung herrsche - trotz einzelner Initiativen - auch bei den deutschen Gewerkschaften, konstatieren Axel Hauser-Ditz und Peter Wilke*. Einen Grund dafür vermuten die Forscher "in der Befürchtung, die Arbeitgeberseite betreibe unter dem Deckmantel von CSR durch die Betonung von Freiwilligkeit den schleichenden Abbau von gesetzlich garantierten Schutz- und Beteiligungsrechten". Im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung haben sie nun untersucht, wie Arbeitnehmervertreter in großen Betrieben mit CSR-Initiativen umgehen. Dazu befragten sie die Betriebsratsspitzen von 32 Großunternehmen. Untersucht wurden überwiegend DAX-Gesellschaften und Firmen, die in Sachen CSR als besonders aktiv gelten.

Mehr als eine kosmetische Behandlung?

Welche Tücken birgt CSR also aus Arbeitnehmersicht? Klar ist: Das aus den USA stammende Modell setzt auf den Eigennutz der Unternehmen anstatt auf staatlich garantierte
Normen. Der gute Ruf wird poliert, weil er wichtiges "Reputationskapital" darstellt. Dazu gehen Unternehmen, insbesondere international tätige, ökologische oder soziale Selbstverpflichtungen ein.

Wirtschaftliche Grundsätze setzt CSR natürlich nicht außer Kraft: Auch CSR-begeisterte Manager haben die Rendite im Blick. Für viele sei das Modell "wenig mehr als eine kosmetische Behandlung", schätzt deshalb das liberale britische Wirtschaftsblatt "The Economist". Trotzdem läßt sich die Idee durchaus gegen Mitbestimmungsrechte in Stellung bringen. Mögliche Argumentation: Wenn die Unternehmensleitung freiwillig auf soziale und ökologische Aspekte achtet, wozu braucht es dann noch eine Arbeitnehmervertretung?

Auch Absichtserklärungen binden

Die befragten Betriebsräte liefern jedoch kaum Hinweise auf Versuche, CSR gegen Mitbestimmungsrechte auszuspielen. Im Gegenteil: Die große Mehrheit der Betriebsräte empfindet es als Stärkung der eigenen Position, wenn das Management sich dazu bekennt, nicht nur Renditeziele zu verfolgen.
Dementsprechend sind die Belegschaftsvertreter an CSR-Initiativen oft direkt beteiligt. Beispielsweise haben 26 der untersuchten 32 Firmen einen Sozialverhaltens-Kodex. In jedem zweiten Fall hat der Betriebsrat daran mitgearbeitet. Zwei Drittel der befragten Arbeitnehmervertreter geben an, sie hätten eigene Inhalte in die betriebliche CSR-Diskussion eingebracht.

Die eingespielte Beteiligungskultur eines mitbestimmten Großunternehmens funktioniert offenbar auch bei CSR. Wenn sie sagen sollen, warum sich die Manager für Nachhaltigkeitsziele engagieren, attestieren ihnen etliche Betriebsräte sogar Motive, die über schlichte Imagepflege hinausgehen. Beispielsweise das Firmen-Interesse an einer möglichst qualifizierten Belegschaft. Für die Arbeitnehmerseite eröffnen sich damit Möglichkeiten, Themen wie Arbeitsbedingungen, Gesundheitsschutz oder Chancengleichheit stärker in den Blickpunkt zu rücken.

Selbst die wenigen Befragten, welche die Nachhaltigkeitsdebatte im eigenen Unternehmen als reine PR-Politik erleben, sehen wenigstens einen Vorteil: Sie können die Arbeitgeberseite künftig mit ihren schönen Worten konfrontieren. Insgesamt nehmen die Arbeitnehmer die Selbstverpflichtungen ihrer Chefs durchaus wahr: "Das Management war selbst überrascht, wie (…) schwierig es ist, hinter die eigenen Absichtserklärungen zurückzufallen", zitieren Hauser-Ditz und Wilke einen Befragten. Weitere Hoffnung: Wo durch regelmäßige Berichte mehr Transparenz herrscht, wird es schwerer, verschiedene Standorte gegeneinander auszuspielen.

Doch auch wenn die meisten befragten Belegschaftsvertreter CSR überwiegend positiv sehen - Verbesserungsbedarf gibt es reichlich. So halten es beispielsweise zwei Drittel der Befragten für sinnvoll, dass der Betriebsrat eine eigene Stellungnahme abgeben kann, wenn eine CSR-Ratingagentur das Unternehmen prüft. Gut die Hälfte befürwortet einen noch weiter gehenden direkten Kontakt zu externen Prüfern. Bislang gibt es in den meisten Unternehmen keine Regelungen, die einen systematischen Austausch zwischen Betriebsrat und externen Gutachtern erlauben oder gar fördern.

Arbeitnehmersicht kommt noch zu kurz

Mehr Dialog könnte dazu beitragen, der Arbeitnehmersicht "ein angemessenes Gewicht" zu geben. Dass es in der noch jungen deutschen CSR-Debatte Nachholbedarf gibt, zeigt ein Blick auf die Schwerpunkte, die Betriebsräte beim Thema Unternehmensverantwortung selber setzen: Beschäftigungssicherung im eigenen Betrieb, die Vermeidung von Produktionsverlagerungen ins Ausland und Ausbildungsplätze. Sie sind bislang eher selten Bestandteil der Selbstverpflichtungen, rangieren aber für die Arbeitnehmervertreter deutlich vor klassischen CSR-Themen. Unternehmen, Ratingagenturen oder Nichtregierungsorganisationen halten solche Themen wie die Arbeitsbedingungen bei Zulieferern in Entwicklungsländern für wichtiger.
Um das zu ändern, empfehlen die Autoren Arbeitnehmervertretern auch, systematisch die eigene Kompetenz auszubauen. Eine Herausforderung für Betriebsräte und Gewerkschaften. Doch wirklich riskant, da ist sich die Mehrheit der befragten Betriebsratsspitzen einig, wäre etwas anderes: Keinen Einfluss auf die Debatte zu nehmen.

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Axel Hauser-Ditz, Peter Wilke: Corporate Social Responsibility - Soziale und ökologische Verantwortung von Unternehmen. Eine Betriebsrätebefragung zu den Handlungsfeldern für Arbeitnehmervertretungen, Arbeitspapier 2005. Diskussionspapier zum Download

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