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HBS Böckler Impuls

Versicherungsfremde Leistungen: Die beste Lösung für mehr Ausgleich

Ausgabe 10/2005

Gutverdiener, Rentner, Arbeitslose... Wer profitiert, wer hat das Nachsehen, wenn die versicherungsfremden Leistungen der Sozialversicherung nicht mehr über Beiträge, sondern über Steuern finanziert werden? Entscheidend ist, welche Steuern erhöht werden, zeigen die Modellrechnungen des DIW. Im besten Fall profitieren die meisten finanziell. Zusätzlich entsteht eine halbe Million neuer Jobs.

Insgesamt geht es um 83,7 Milliarden Euro. Diese Summe geben die Sozialversicherungen heute für Leistungen aus, die eigentlich nicht ihre Aufgabe sind, sondern von der Allgemeinheit getragen werden müssten (siehe dazu auch Böckler Impuls Nr. 6 und 7). Mehrere Varianten einer - zumindest teilweisen - Steuerfinanzierung dieser Leistungen hat das DIW durchgerechnet. Die Ergebnisse sind eindeutig: Am meisten Erfolg verspricht die Kombination aus einer Erhöhung der Mehrwert- und einem zehnprozentigen Aufschlag zur Einkommensteuer, ähnlich dem Solidaritätszuschlag.

Die Vorbehalte gegen höhere Mehrwertsteuern: Sie würden ausgerechnet die treffen, denen ohnehin am wenigsten Geld zur Verfügung steht. "Die Belastung durch die Mehrwertsteuer fällt mit steigendem Einkommen", so das DIW. Das Institut hat deshalb in seinen Modellrechnungen den ermäßigten Satz von 7 Prozent - der unter anderem für Nahrungsmittel gilt - von vornherein unverändert gelassen. Und dennoch: Wenn der normale Mehrwertsteuersatz von derzeit 16 auf 20 Prozent erhöht würde, träfe es (relativ zum Einkommen) vor allem Arbeitslose. Ein Erwerbslosen-Haushalt, der 660 Euro im Monat zur Verfügung hat, müsste zusätzlich 16 Euro an der Ladenkasse lassen - ein Einkommensverlust von 2,4 Prozent. Und auch Rentner müssten auf rund 1,7 Prozent ihres Haushaltseinkommens verzichten. Das wäre nicht nur ungerecht, sondern würde auch die Massenkaufkraft senken - und damit die Konjunktur bremsen.

Ganz anders sähe das Bild bei einem Mix aus Erhöhung der Mehrwert- und Einkommensteuer aus: Arbeiter- und Angestellten-Haushalte mit einem Haushalts-Bruttoeinkommen von bis zu 4.276 Euro kämen mit einem Plus heraus, Rentnerinnen und Rentner durch die Bank ebenfalls. Und selbst bei Arbeitslosen-Haushalten läge der monatliche Nettoeinkommens-Verlust im Ein-Euro-Bereich. Bei Arbeitslosen zahlt die Bundesagentur für Arbeit die Kranken- und Rentenversicherungsbeiträge. Vorschlag des DIW: Es "böte sich an, dass die jeweiligen Träger die Hälfte des Entlastungsbetrages an die Transferempfänger auszahlen". Die Belastungsunterschiede zwischen Arbeitnehmern und Arbeitslosen "würden damit korrigiert".

Am stärksten gebeutelt wären Beamte und Selbstständige. Einem Selbstständigen-Haushalt mit 9.272 Euro brutto im Monat würden 98 Euro durch die Lappen gehen. Viel Geld - aber angesichts der Einkommenshöhe auch nur 1,24 Prozent. Und ein gerechter Ausgleich dafür, dass diese Haushalte (ebenso wie Beamte) nicht verpflichtet sind, in Renten-, Kranken-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung einzuzahlen.

Bleibt die Frage: Muss es ausgerechnet die Mehrwertsteuer sein, die steigt? Höhere Vermögensteuern könnten "gerade unter Verteilungs-, aber auch unter Wachstumsaspekten" eine "echte Alternative" sein, so das DIW - dem Institut fehlten jedoch die Instrumente, um das durchzurechnen.

  • Gutverdiener, Rentner, Arbeitslose... Wer profitiert, wer hat das Nachsehen, wenn die versicherungsfremden Leistungen der Sozialversicherung nicht mehr über Beiträge, sondern über Steuern finanziert werden? Entscheidend ist, welche Steuern erhöht werden, zeigen die Modellrechnungen des DIW. Im besten Fall profitieren die meisten finanziell. Zusätzlich entsteht eine halbe Million neuer Jobs. Zur Grafik
  • Gutverdiener, Rentner, Arbeitslose... Wer profitiert, wer hat das Nachsehen, wenn die versicherungsfremden Leistungen der Sozialversicherung nicht mehr über Beiträge, sondern über Steuern finanziert werden? Entscheidend ist, welche Steuern erhöht werden, zeigen die Modellrechnungen des DIW. Im besten Fall profitieren die meisten finanziell. Zusätzlich entsteht eine halbe Million neuer Jobs. Zur Grafik

Gesamtwirtschaftliche Wirkungen einer Steuerfinanzierung versicherungsfremder Leistungen in der Sozialversicherung
Gutachten des DIW im Auftrag des DGB-Bundesvorstands, der Hans-Böckler-Stiftung und der Otto-Brenner-Stiftung, März 2005
Download (pdf)

zur Gutachten-Berichterstattung in Böckler Impuls (Teil 1)
zur Gutachten-Berichterstattung in Böckler Impuls (Teil 2)

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