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HBS Böckler Impuls

Berufsausbildung: Der lange Weg von Kopenhagen

Ausgabe 08/2005

Nur jeder 50. Bürger der alten EU arbeitet außerhalb seines Geburtslandes - und das über zehn Jahre nach der Schaffung des Europäischen Binnenmarktes. Nun verschärft die EU das Tempo: Für mehr Arbeitnehmermobilität soll ein Punktesystem sorgen, mit dem im Ausland absolvierte Ausbildungsabschnitte bewertet und damit übertragbar gemacht werden können. Noch in diesem Jahr soll ein Probelauf starten.

Das Kreditpunktesystem ECVET (European Credit System for Vocational Education and Training) soll zunächst ermöglichen, dass Lernabschnitte zwischen verschiedenen Ländern angerechnet werden. Längerfristig ist aber auch daran gedacht, dieses Punktesystem innerhalb der nationalen Systeme anzuwenden. So könnten etwa einzelne Abschnitte aus einer beruflichen Ausbildung auch für ein Hochschulstudium anerkannt werden. Und in welchem Land die Ausbildungsabschnitte absolviert wurden, spielt dann keine Rolle mehr.

Zunächst müssen die nationalen Ausbildungswege in Einheiten unterteilt werden, die dann Kreditpunkte bekommen. Für eine abgeschlossene dreijährige Berufsausbildung sind derzeit 180 Punkte im Gespräch - 60 pro Jahr. Doch damit die Kreditpunkte international übertragbar sind, ist ein europaweiter Vergleichsmaßstab notwendig, der so genannte European Qualification Framework (EQF). Ein Arbeitsvorschlag sieht acht Niveaus für Berufsqualifikationen vor, die von der niedrigsten Stufe - Pflichtschule ohne Abschluss - bis hin zu hoch qualifizierten Berufstätigkeiten auf Doktoratsniveau reichen.

Starke Bedenken in Deutschland

Eine Umsetzung des Systems würde viele Freiheiten bringen: Wer sich für eine Ausbildung entscheidet, könnte eigene Bildungswege verfolgen - und zwar europaweit. Auch der Übergang zwischen Berufsbildung, Weiterbildung und Studium würde erleichtert. Doch bis es soweit ist, müssen sich die Regierungen der EU auf zahlreiche Details einigen.

Vor allem in Deutschland sind die Bedenken gegen eine Untergliederung der Berufsausbildung (Modularisierung) in Teilabschnitte groß. Der größeren individuellen Freiheit bei der Berufsausbildung stehen aus gewerkschaftlicher Sicht Risiken gegenüber: So verlöre das geforderte "Recht auf Ausbildung für alle" bei Betonung der Eigenverantwortung seinen Realitätsbezug, heißt es beispielsweise in einem Diskussionspapier der IG Metall.

Unumkehrbarer Prozess

Doch scheint der Prozess, der im Spätherbst 2002 von den Bildungsministern in Kopenhagen angestoßen wurde, unumkehrbar. Zudem ließe sich auch das deutsche duale Ausbildungssystem in den Rahmen von ECVET und EQF einfügen, meint Winfried Heidemann, Bildungsexperte der Hans-Böckler-Stiftung und Mitglied der technischen Arbeitsgruppe für das ECVET-System: "Können schon die klar strukturierten Berufsbildpositionen der Ausbildungsberufe als Grundformen von Modulen angesehen werden, so nehmen erst recht die Pflicht- und Wahlbausteine ein solches Strukturprinzip auf." Mit diesem Verständnis könnte das deutsche Ausbildungssystem ECVET offensiv vorantreiben.

  • Nur jeder 50. Bürger der alten EU arbeitet außerhalb seines Geburtslandes - und das über zehn Jahre nach der Schaffung des Europäischen Binnenmarktes. Nun verschärft die EU das Tempo: Für mehr Arbeitnehmermobilität soll ein Punktesystem sorgen, mit dem im Ausland absolvierte Ausbildungsabschnitte bewertet und damit übertragbar gemacht werden können. Noch in diesem Jahr soll ein Probelauf starten. Zur Grafik

Winfried Heidemann, ECVET und EQF im Kopenhagen-Prozess der europäischen Berufsbildung, Düsseldorf 2004

Europäisches Zentrum für Förderung der Berufsbildung (CEDEFOP), Berufsbildung - der Schlüssel zur Zukunft, Luxemburg 2004

IG Metall, Ressort Bildungs- und Qualifizierungspolitik, Auf der Suche nach Transparenz in der Europäischen Berufsbildung, 2005

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