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Corona: Prekär Beschäftigte im Abseits Böckler Impuls

Krisenpolitik: Corona: Prekär Beschäftigte im Abseits

Ausgabe 14/2022

Auf die Coronakrise haben Deutschland und die USA mit unterschiedlichen arbeitsmarktpolitischen Strategien reagiert. Schlecht bezahlte Jobs waren jeweils am wenigsten geschützt.

In der Arbeitsmarktpolitik gibt es traditionell große transatlantische Unterschiede: Während US-amerikanische Unternehmen weitgehend ungehindert heuern und feuern dürfen, gelten hierzulande strengere Regeln. Das spiegelt sich auch im Umgang mit den Verwerfungen der Corona-Pandemie: In Deutschland ist es gelungen, Jobs durch „interne Flexibilität“ in Form von Kurzarbeit zu retten. Die USA haben dagegen vor allem auf „externe Flexibilität“ gesetzt, nämlich auf vorübergehende Entlassungen in Kombination mit Einkommenssicherung durch Transferzahlungen. Beide Strategien weisen eine gemeinsame Schwachstelle auf: Geringverdienende und atypisch Beschäftigte kamen dabei am schlechtesten weg. Das geht aus einer Studie hervor, die Alexander Herzog-Stein und Ulrike Stein vom IMK gemeinsam mit Patrick Nüß von der Universität Kiel und Lennert Peede von der Universität Münster verfasst haben.

Der Analyse zufolge hat sich die Pandemie auf die hiesige Wirtschaftsleistung ähnlich verheerend ausgewirkt wie auf die amerikanische. In Deutschland ist das Bruttoinlandsprodukt allein im zweiten Quartal 2020 um 9,5 Prozent eingebrochen, in den USA um 8,9 Prozent. Markante nationale Unterschiede weisen dagegen die Arbeitsmarktdaten auf: In den USA ist die Arbeitslosenquote von Februar bis April 2020 von 3,5 auf 14,7 Prozent in die Höhe geschnellt, danach ähnlich rasch wieder gesunken. In Deutschland war der Anstieg moderater, dafür etwas länger andauernd: Von Februar bis August 2020 stieg die Quote von 3,5 auf 4,1 Prozent, ab Dezember ging sie zurück. Gleichzeitig ist die Zahl der pro Beschäftigten geleisteten Arbeitsstunden zyklisch – also um langfristige Trends bereinigt – um 8,8 Prozent zurückgegangen, in den USA nur um 1 Prozent.

Verantwortlich für diese Entwicklungen machen die Forschenden die jeweilige Krisenpolitik. Die deutsche Bundesregierung habe bereits im März 2020 großzügigere Regelungen für Kurzarbeit beschlossen. Im April haben fast sechs Millionen oder 17,9 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten kurzgearbeitet, im Schnitt betrug die Arbeitszeitreduktion annähernd 50 Prozent. Der Rückgang der geleisteten Arbeitsstunden während der Krise ging zu 89 Prozent auf das Konto der Kurzarbeit. Anders als in der Wirtschafts- und Finanzkrise ab 2008, als vor allem die Industrie von diesem Instrument Gebrauch machte, wurde es besonders im Dienstleistungssektor viel genutzt.

In den USA haben laut der Untersuchung dagegen vorübergehende Entlassungen die wichtigste Rolle gespielt, bei denen Arbeitgeber Betroffenen eine baldige Wiederanstellung in Aussicht stellen. Im April 2020 sind 11,5 Prozent der US-Beschäftigten vorübergehend entlassen worden, das entsprach vier Fünftel aller Arbeitslosen. Gleichzeitig zahlte der Staat von März bis Juli 2020 zusätzliche Leistungen für Arbeitslose in Höhe von 600 Dollar pro Woche, weitete den Kreis der Anspruchsberechtigten und die Höchstdauer der Förderung aus. Zudem trugen einmalige Transferzahlungen von bis zu 1200 Euro pro Erwachsenen und 500 Dollar pro Kind zur Einkommenssicherung bei.

Während die Maßnahmen sowohl in Deutschland als auch in den USA die Verluste von Jobs und Einkommen gelindert haben, hätten die Vorgehensweisen in beiden Staaten ein ähnliches Manko, heißt es in der Studie. Beschäftigte in einer „schwachen Arbeitsmarktposition“ seien jeweils zu kurz gekommen. In Deutschland haben geringfügig Beschäftigte keinen Anspruch auf Kurzarbeit, da es sich um eine Leistung der Arbeitslosenversicherung handelt. Die Folge: Während die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zwischen März und Mai 2020 nur um 1,3 Prozent abgenommen und sich anschließend stetig erholt hat, ist die Zahl der Minijobs um 7,5 Prozent und in der zweiten Welle erneut geschrumpft. Zudem waren die Einkommensverluste durch Kurzarbeit bei Geringverdienenden im Schnitt höher, Aufstockungen durch den Arbeitgeber seltener. In den USA wiederum haben die staatlichen Transferzahlungen zwar insbesondere die Einkommen im unteren Bereich stabilisiert. Allerdings haben Geringverdienende wesentlich häufiger als die besser Bezahlten ihre Jobs dauerhaft verloren.

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