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HBS Böckler Impuls

Arbeitswelt: Ältere sind für viele Betriebe kein Thema

Ausgabe 07/2018

Der Altersdurchschnitt der Belegschaften steigt. Doch dies schlägt sich nicht in verstärktem Engagement für altersgerechte Arbeitsbedingungen nieder.

Mehr als die Hälfte der 50- bis 64-Jährigen ist berufstätig. Im Jahr 2000 lag die Quote erst bei gut 30 Prozent. Aber wie kommen die Betriebe mit dem wachsenden Anteil älterer Beschäftigter zurecht, haben die Personalabteilungen spezielle Maßnahmen im Angebot? Dem sind Lutz Bellmann, Sandra Dummert und Ute Leber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) nachgegangen. Ihre Auswertung des IAB-Betriebspanels zeigt: Die Zahl der Angebote für ältere Beschäftigte stagniert.

Ein Vergleich der letzten beiden Jahre, in denen die regelmäßige Befragung von rund 16 000 Betrieben einen Abschnitt zu Maßnahmen für Über-50-Jährige enthielt, zeigt sogar einen leichten Rückgang. 2011 gaben noch 18 Prozent der Betriebe an, besondere Programme für ältere Kollegen in petto zu haben, 2015 waren es nur noch 17 Prozent. Das liegt, so die IAB-Forscher, vor allem am Auslaufen der geförderten Altersteilzeit. Sehe man von diesem Sondereffekt ab, sei eine Stagnation zu verzeichnen. 2015 taten nicht mehr Betriebe etwas für Ältere als 2006.

Weniger Weiterbildung für Ältere

So hat sich etwa die Häufigkeit spezieller Weiterbildungen für Ältere nicht verändert. Ältere nehmen seltener an Fortbildungen teil: Während die Teilnahmequote aller Arbeitnehmer 2015 bei 35 Prozent lag, kamen die Ü50-Beschäftigten nur auf 27 Prozent. Wer älter und zudem gering qualifiziert ist, profitiert noch seltener von Weiterbildung.

Dass es vielerorts keine besonders ausgestatteten Arbeitsplätze, reduzierte Anforderungen, spezielle Gesundheitsförderung oder Extra-Fortbildungen für Beschäftigte in höherem Alter gibt, muss allerdings nicht heißen, dass sich die Personalabteilungen nicht um Ältere kümmern, betonen Bellmann, Dummert und Leber. Vielmehr zeige die Befragung, dass sie häufig gar nicht als Problemgruppe wahrgenommen würden. So sieht ein Großteil der Betriebe zum Beispiel in Sachen Lernfähigkeit keinen nennenswerten Unterschied zwischen Jungen und Alten. 

Dazu passt, dass Bewerbungen Älterer auch nicht unbedingt aus den Gründen scheitern, die man erwarten würde. Das lässt sich ebenfalls aus der IAB-Befragung ableiten: Von den Betrieben, die ältere Bewerber abgelehnt haben, begründet dies nur ein Fünftel mit Zweifeln an der Belastbarkeit. Noch seltener wird mangelnde Flexibilität genannt. 

Ausnahme Chemieindustrie

Dass die Zahl der Angebote für Ältere stagniert, führen die IAB-Forscher unter anderem darauf zurück, „dass viele Betriebe Maßnahmen für die ganze Belegschaft einsetzen und dabei nicht zwischen verschiedenen Beschäftigtengruppen differenzieren“. Allerdings gibt es Unterschiede zwischen den Branchen. So sind beispielsweise in der Chemieindustrie deutlich mehr Betriebe aktiv als in der Gesamtwirtschaft. Dies führen die Wissenschaftler unter anderem darauf zurück, dass in der Chemiebranche ein Tarifvertrag gilt, der das Thema Demografie in den Mittelpunkt stellt.


„Gesundheit und Leistungsfähigkeit, Sinnstiftung und Freude an der Aufgabe beeinflussen die Motivation und die Kreativität der Menschen – und damit auch den Unternehmenserfolg.“ Das haben wissenschaftliche Studien gezeigt, wie die von der Hans-Böckler-Stiftung eingesetzte Kommission „Arbeit der Zukunft“ berichtet (pdf). 

Zwar seien Beschäftigte meist recht anpassungsfähig und zeigten sich auch unter widrigen Umständen motiviert. Wer dauerhaft kreativ und leistungsfähig sein soll, sei aber auf gute Arbeitsbedingungen angewiesen. Dazu gehören den Experten zufolge „die Vermeidung von anhaltender Überforderung, eine realistische Arbeitsplanung, die Anerkennung der Person, der Schutz vor Diskriminierung und Überwachung, die Teilhabe an Qualifizierung und Optionen für beruflichen Aufstieg“. Auch wenn Gesundheits- und Arbeitsschutz in Deutschland rechtlich weit entwickelt seien, hapere es oft an der betrieblichen Umsetzung. So geht jeder Sechste aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig in Rente, die Hälfte davon aus psychischen Gründen. 

Die Experten begrüßen, dass Studien, die das Potenzial der Arbeitsgestaltung betonen, zuletzt wieder mehr Aufmerksamkeit erhielten. Es sei Zeit, das in den 1970er-Jahren begonnene und Ende der 1980er-Jahre eingestellte Forschungsprogramm zur „Humanisierung des Arbeitslebens“ wieder aufzunehmen.

Lutz Bellmann, Sandra Dummert, Ute Leber: Konstanz altersgerechter Maßnahmen trotz steigender Beschäftigung Älterer, WSI-Mitteilungen 1/2018  

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