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Magazin Mitbestimmung

Globalisierung: Die Gewerkschaft als Feind

Ausgabe 03/2013

DHL ist das größte Logistikunternehmen der Welt. Während die Tochter der Deutschen Post in Europa Gewerkschaftsrechte achtet, sieht es international ganz anders aus. Massive Klagen kommen aus Kolumbien. Von Knut Henkel

Nel arbeitet seit vielen Jahren in der DHL-Filiale im kolumbianischen Cartagena. „DHL ist ein internationales Unternehmen, und das hat Vorteile. Hier muss ich nicht um meinen Arbeitsplatz fürchten“, sagt er. Aber wenn man ihn nach seinen Arbeitsbedingungen fragt, macht er dicht: „Darüber dürfen wir nicht reden, das ist Anweisung von oben“, erklärt er und beendet das Telefongespräch.

„Das ist kein Einzelfall“, sagt Catalina Vásquez. Die Wissenschaftlerin der Universität von Medellín untersucht in einer Studie für das Gewerkschaftsbildungszentrum ENS, wie internationale Unternehmen in Kolumbien mit den Rechten der Arbeitnehmer umgehen. Neben DHL steht auch Manpower, ein international agierender Personalvermittler, im Fokus ihrer Arbeit.

Mehrfach hat die Wissenschaftlerin für ihre Untersuchung um ein Hintergrundgespräch in der DHL-Filiale in Medellín gebeten – ohne Erfolg. „Nur heimlich, nach Feierabend und abseits des Unternehmens ist es möglich, mit DHL-Angestellten zu sprechen“, sagt sie. Oscar, ein Mitarbeiter der Filiale im Stadtteil Guayabal, hat ihr so ein paar Informationen gegeben. Etwa, dass die Mitarbeiter nicht mal untereinander über ihre Löhne und Verträge sprechen dürfen.

„Die Arbeiter haben Angst“, schildert Vásquez ihre Erfahrungen in Medellín. „So war es schlicht unmöglich, über Probleme am Arbeitsplatz, gewerkschaftliches Interesse oder Diskriminierung zu sprechen. Da wird nur abgewunken.“ Sie sei sich vorgekommen, als laufe sie gegen eine Gummiwand. Daher hat sie versucht, in anderen Städten Kontakte zu knüpfen. Über einen Kollegen hat sie die Nummer von Nel und von Luz Amparo Rodríguez in Barranquilla bekommen.

ÜBERSTUNDEN, SCHIKANEN UND DER LÜGENDETEKTOR

Rodríguez ist die Frauenbeauftragte der Internationalen Transportarbeitergewerkschaft (ITF). In den vergangenen Monaten hat sie Kontakt zu Mitarbeitern der dortigen DHL-Filiale aufgebaut. „Überstunden sind für viele der Arbeiter, die ich gesprochen habe, ein ernstes Problem. Sie werden schlecht bezahlt und sind nahezu obligatorisch“, berichtet die Gewerkschafterin. „So kommt es, dass die Männer und Frauen bei DHL auf mehr als 60 Stunden pro Woche kommen.“

Das liegt auch daran, dass der Wirtschaftsboom der letzten Jahre Kolumbien auch für europäische Investoren wieder attraktiv gemacht hat. Zuletzt hat das Land auch in Deutschland offensiv geworben – mit der guten Lage, billigem Personal und guten Perspektiven. DHL ist mit seinen 26 Filialen in Kolumbien so etwas wie ein Trendsetter. Von den rund 1500 Mitarbeitern sind – laut Daten des Gewerkschaftsbildungszentrums ENS – 480 direkt angestellt, die große Mehrheit jedoch Leiharbeiter. „DHL, aber auch andere deutsche Unternehmen setzen auf Outsourcing“, kritisiert Wissenschaftlerin Vásquez. „Leiharbeiter dürfen sich nicht organisieren, und genau das möchte man auch bei der DHL-Stammbelegschaft verhindern.“ Die Tochter der Deutschen Post trete in Kolumbien „hochgradig gewerkschaftsfeindlich“ auf. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt eine gemeinsame Studie der Internationalen Transportarbeitergewerkschaft (ITF), der UNI Global Union und des IGB aus dem Frühjahr 2012. Schon auf dem Titel klingen die Probleme an: „Unternehmerische Verantwortungslosigkeit: Weltweite Arbeitspraktiken von Deutsche Post DHL“. Die Studie selbst dokumentiert den Einsatz von Lügendetektoren. In Kolumbien musste etwa DHL-Mitarbeiter Edwin Velásquez Ayala einen Lügendetektortest machen. Ihm wurde Diebstahl vorgeworfen. Nach dem Test wurde Ayala ohne Angaben von Gründen entlassen. Er selbst sagt, das Verhör durch zwei Ex-Militärs habe ihm jegliches Selbstwertgefühl geraubt.

DHL – KEIN EINZELFALL

An der Gewerkschaftsschule in Medellín kennt auch Direktor Luciano Sanín die Probleme mit den deutschen Firmen. „Leider agieren Unternehmen, die sich in Deutschland für den sozialen Dialog mit den Arbeitnehmern starkmachen, in Kolumbien vollkommen anders“, kritisiert der Wissenschaftler. Er hat sich auch mit Siemens um einen Dialog bemüht. Rund 2000 Menschen arbeiten in Kolumbien für den deutschen Konzern, eine gewerkschaftliche Vertretung gibt es aber nicht, obwohl das Unternehmen schon seit 55 Jahren dort produziert. „Wir haben den Kontakt aufgenommen, aber als wir mit den Mitarbeitern sprechen wollten, wurde uns das untersagt“, erinnert sich Sanín kopfschüttelnd. Kein Einzelfall, denn nur in zwei der 15 größten deutschen Unternehmen in Kolumbien gibt es eine Gewerkschaftsvertretung. Eine traurige Bilanz, die einiges mit den Vorurteilen gegen Gewerkschaften in Kolumbien zu tun hat.

So lernen angehende Manager an kolumbianischen Universitäten, dass die Gründung einer Gewerkschaft der erste Schritt zum Ende des Unternehmens sei, moniert Sanín. So entstehe ein Klima, das es ausländischen Investoren leicht mache, größere Profite auf Kosten der Arbeitnehmerrechte zu erzielen. „Das Problem ist, dass es in Kolumbien keinerlei Kontrollen gibt“, erklärt Sanín. Ein Manager des französischen Supermarktgiganten Carrefour habe ihm in einem vertraulichen Gespräch sogar mal gesagt, als Arbeitgeber könne man in Kolumbien machen, was man wolle.

Dieses Klima sorgt anscheinend dafür, dass sich auch deutsche Unternehmen in Kolumbien deutlich anders verhalten als zu Hause. So ist für die Siemens-Ansprechpartnerin in Kolumbien, Katarina Steinwachs, eine Gewerkschaft in den Niederlassungen dort gar nicht nötig: „Die Mitarbeiter sind gemäß dem lokalen Recht frei, sich gewerkschaftlich zu organisieren. Das gute und vertrauensvolle Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Verhältnis hat aber dazu bisher keinen Anlass gegeben“, erklärt die Kommunikationsbeauftragte. Ganz ähnlich klingt das bei DHL. Man respektiere die nationalen Gesetze, erklärt die Kommunikationsbeauftragte Alejandra Larrota. Den DHL-Mitarbeitern stünde es frei, sich gewerkschaftlich zu organisieren – oder es zu lassen.

 

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