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HBS Böckler Impuls

Werkverträge: Kurzsichtige Unternehmer

Ausgabe 10/2016

Mit dem massiven Einsatz von Werkverträgen leisten Unternehmen prekären Arbeitsbedingungen Vorschub und gefährden Ausbildungsplätze. Langfristig dürfte sich das kaum auszahlen.

Werkverträge sind en vogue: Umfragen zufolge machen Unternehmen zunehmend Gebrauch von diesem Instrument. Wie problematisch das ist, haben Tim Obermeier und Stefan Sell für die Hans-Böckler-Stiftung dokumentiert. Die Sozialwissenschaftler von der Hochschule Koblenz haben sich in Fallstudien mit den Gründen und Konsequenzen dieser Entwicklung auseinandergesetzt. Ihrer Einschätzung zufolge nutzen Arbeitgeber Werkverträge zum Teil gezielt dazu, Tarifstandards zu unterminieren. Auf lange Sicht könnte sich das rächen: Die wahren betriebswirtschaftlichen Kosten werden oft unterschätzt.

Für ihre Untersuchung haben Obermeier und Sell mit dem Bezirk Mitte der IG Metall kooperiert, der für Hessen, Rheinland-Pfalz, das Saarland und Thüringen zuständig ist. Gemeinsam mit Gewerkschaftsexperten wurden drei Automobilzulieferer und ein Maschinenbauer ausgewählt, die insgesamt 11.000 Menschen beschäftigen und auf regionaler Ebene jeweils eine wirtschaftliche Schlüsselstellung innehaben. Die Forscher haben Betriebsräte dieser Unternehmen und ihrer Dienstleister, Gewerkschaftsbevollmächtigte und einen Manager interviewt. Zusätzlich wurden die ausgewählten Betriebe inspiziert und Daten ausgewertet.

Dabei sind die Wissenschaftler auf eine erhebliche Vielfalt von Werkverträgen gestoßen. Zum Teil seien die Auftragsnehmer – beispielsweise Handwerker – in der Tat nur punktuell in den untersuchten Betrieben tätig. Darüber hinaus gebe es aber auch problematische Varianten. Ausgelagert würden nicht nur fertigungsferne Tätigkeiten wie Kantine, Werkschutz oder Reinigung, sondern auch einfache Dienstleistungen in der Produktion. Arbeitsfelder, die auch für weniger leistungsfähige Mitarbeiter geeignet sind, fallen dadurch weg: „Wir haben keine Arbeitsplätze mehr für behinderte Menschen oder für Menschen, die nicht mehr voll arbeiten können“, zitieren die Autoren einen Betriebsrat.

Das Stammpersonal gerate durch diese Politik enorm unter Druck. Denn durch die Sichtbarkeit von Fremdunternehmen im Betrieb werde eine Drohkulisse aufgebaut. „In der betrieblichen Realität werden Werkverträge zum Einfallstor für prekäre Beschäftigung“, so die Sozialforscher. Effizienzgewinne würden oft ausschließlich durch Lohndumping erzielt. Dabei kämen zum Teil rechtlich fragwürdige „Sub-Subunternehmer-Ketten“ zum Einsatz, bei denen die Dienstleister ihrerseits Leiharbeiter beschäftigen. Leiharbeitsfirmen, die wegen schlechter Arbeitsbedingungen Mindeststandards nicht erfüllen, gelangten so aufs Werksgelände.

Neben den einfachen Jobs werden der Studie zufolge auch komplexe Aufgaben wie Forschung und Entwicklung regelmäßig an Externe vergeben. Dadurch dringe Fremdpersonal in die „Kernprozesse der Wertschöpfungskette“ ein, schreiben Obermeier und Sell. Das Problem dabei: Die Betriebe laufen Gefahr, ihre Innovationsfähigkeit einzubüßen. Die Kompetenzausdünnung erhöhe das Risiko, dass Standorte geschlossen oder verlagert werden.

Ob sich Werkverträge aus unternehmerischer Sicht wirklich lohnen, erscheint nicht nur aus diesem Grund fraglich. Ein weiteres Manko ergibt sich nach Analyse der Wissenschaftler aus der kurzen Laufzeit von Werkverträgen. Die führe dazu, dass die Auftragnehmer allenfalls marginal in Personalentwicklung und Verbesserungen der Arbeitssituation investieren. Ausbildungsbereitschaft sei insbesondere bei kleineren Firmen kaum vorhanden. Die Folge: Die Zahl der Ausbildungsplätze in der Region schrumpft, was langfristig die Personalrekrutierung der Unternehmen verteuern dürfte. Angesichts einer Vielzahl verdeckter Kosten – auch durch Abstimmungsprobleme, Kontrolle, Konflikte mit Gewerkschaften, weniger Motivation und Loyalität sowie Qualitätsmängel – sei davon auszugehen, dass Werkverträge unter dem Strich oft keine wirklich lukrative Alternative darstellen.

Die Betriebsräte der betroffenen Unternehmen, denen diese Probleme bekannt sind, seien um Mitgestaltung bemüht, berichten die Forscher. Allerdings seien ihre Möglichkeiten begrenzt. Denn anders als beispielsweise bei der Leiharbeit sehe das Betriebsverfassungsgesetz keine Mitbestimmungsrechte vor. Dabei wäre mehr Mitbestimmung nach Ansicht der Autoren auch betriebswirtschaftlich zu begrüßen: Betriebsräte stünden einem vernünftigen Einsatz von Werkverträgen in der Regel keineswegs im Wege. Vielmehr seien sie bemüht, das langfristige Unternehmenswohl gegenüber kurzfristigen Kostenvorteilen stärker zu gewichten.

  • Viele Unternehmen nutzen Werkverträge, um Tarifstandards zu unterlaufen. Zur Grafik

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