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Das finale Panel auf der Labora 2021 Service aktuell

LABOR.A 2021: Die Zukunft wird noch digitaler

Auf der Labora werden Weichen für die Zukunft der Arbeit gestellt: Welche Ideen braucht es für die anstehende Transformation der Arbeitswelt? Welche Hebel haben wir? Welche Schritte können wir schon jetzt machen? Fragen, die auf der Konferenz für reichlich Gesprächsstoff sorgten.

[08.10.2021]

Von Andreas Schulte

Der Begriff, an dem auf der Labora kaum jemand vorbeikam: Digitalisierung. Elisabeth Botsch von der Forschungsstelle Arbeit der Zukunft der Hans-Böckler-Stiftung brachte es im Abschlusspanel auf den Punkt: „Die Arbeit der Zukunft wird digitaler sein, als wir uns dies denken.“ Grund sei unter anderem die Dekarbonisierung der Industrie, die nicht ohne die Digitalisierung gelingen könne. 

Einen Tag lang diskutierten Expertinnen und Experten in teils parallel veranstalteten Panels. Nur ein Teil der Gäste der insgesamt 30 Diskussionsrunden, Sessions und Ideenpitches versammelte sich zur diesjährigen Konferenz im „Café Moskau“ in Berlin. Weitere rund 1000 Menschen schalteten sich online zu.

Die Veranstaltung begann am Morgen in der Diskussionsrunde „Demokratie in der Arbeitswelt“ mit einem Streiflicht auf die politischen und gesetzlichen Rahmenbedingungen der Arbeit in Deutschland. Das erste Ausrufzeichen setzte Reiner Hoffmann. In den Belegschaften spiegle sich die zunehmende Individualisierung der Gesellschaft, sagte der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB). „Gewerkschaften stehen daher mehr als bislang vor der Herausforderung, Schutz zu bieten für Beschäftigte mit vielfältigsten Interessen.“ Bisher scheint das gut gelungen. „Mitbestimmte Unternehmen haben sich besser an die Bedingungen der Pandemie angepasst“, beobachtete der Vorsitzende. Auch deshalb müsse verhindert werden, dass sich noch mehr Unternehmen unter Zuhilfenahme europäischer Rechtsformen aus der Mitbestimmung verabschiedeten.

Um Mitbestimmung zu stärken, müssen sich Arbeitnehmervertreter europaweit besser vernetzen. Darauf wies Isabelle Schömann vom Europäischen Gewerkschaftsbund EGB hin. „Wir müssen die Arbeitnehmer auch digital erreichen“, sagte sie.

  • Das Panel Demokratie in der Arbeitswelt auf der Labora 2021
    Auf dem Panel "Demokratie in der Arbeitswelt" diskutierten unter anderem Dorothea Voss von der Hans-Böckler-Stiftung und Reiner Hoffmann vom DGB.

Abschied vom schwarzen Brett

Wie dies gelingen kann, verdeutlichte die Session. „Digitaler Zugang zu Belegschaften. Gehen wir es an.“ In Euskirchen beim Konzern Procter & Gamble ist man bereits losgegangen. Das schwarze Brett ist dort ein Stück fürs Museum. Das Betriebsratsteam um Timo Litzbarski hat stattdessen acht Monitore im Betrieb anbringen lassen. Der Vorteil: Jeder Mitarbeiter auch an den Außenposten des Standorts ist stets aktuell über die Aktivitäten des Betriebsrats und andere Vorgänge im Unternehmen informiert. Auch die Mitbestimmung profitiert. „Wir bemerken nun ein deutlich gesteigertes Interesse an Betriebsratsarbeit“, resümierte Litzbarski.

Wünschenswert wäre auch ein digitaler Arm der Gewerkschaften in die Betriebe. Dass er kommen muss, darüber herrsche auch innerhalb der Politik Einigkeit, sagte Isabel Eder von der IG BCE. Nur in welcher Form, ist noch nicht klar. Ein Problem: „Der Zugang sollte über Vertrauensleute laufen, aber die haben wir nicht überall“, so Eder.

So sehr Betriebsräte auf der einen Seite von der Digitalisierung profitieren wollen, so sehr ist Vorsicht an anderer Stelle geboten. Der Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI) in Unternehmen, etwa für die automatisierte Bewertung von Lebensläufen, schien sich lange ohne ausreichende gesetzliche Grundlagen zu verselbstständigen. Nun hat die EU-Kommission einen Regulierungsvorschlag für die Zulassung von Künstlicher Intelligenz vorgelegt. Das Prinzip: je höher das Risiko beim Einsatz der KI, desto weitreichender die Pflichten für Anbieter und Nutzer. So ist etwa der Einsatz im Personalmanagement der höchsten Risikostufe zugeordnet. Doch damit sind die Probleme längst nicht vom Tisch. Denn weiterhin ist die Definition von KI unklar, was ihren unbemerkten Einsatz ermöglicht. Christiane Benner, Zweite Vorsitzende der IG Metall forderte im KI-Panel daher, dass Betriebsräte das Recht bekommen, eigenständig Sachverständige zur Beurteilung der eingesetzten Software zu benennen.

  • Das Panel Künstliche Intelligenz in Europa mit Christiane Benner
    Christiane Benner von der IG Metall auf dem Panel "Europäische Regelungsansätze für Künstliche Intelligenz in der Arbeitswelt"

Belegschaften fühlen sich nicht mitgenommen

Nicht nur Betriebsräte, auch Belegschaften sollen den digitalen Wandel gestalten. Doch längst nicht alle Arbeitgeber sind dazu bereit. Michaela Evans vom Institut Arbeit und Technik (IAT) stellte in der Session „Digitalisierung des Krankenhauses“ eine entsprechende Befragung unter Beschäftigten vor. Das Ergebnis. Die Beschäftigten in den Spitälern fühlen sich – entgegen ihrem Wunsch – bei der Digitalisierung überwiegend nicht mit ins Boot geholt. Und sie wissen zudem nicht, dass der Betriebsrat ein Mitspracherecht besitzt, wenn es um die Einführung neuer Hard- und Software geht. Wie Digitalisierung unter Einbeziehung der Mitbestimmung und der Belegschaft dennoch erfolgen kann, zeigte der Bericht des Betriebsrats Philipp Amen vom Klinikum Osnabrück.

Amen rief eine eigene Arbeitsgruppe ins Leben, die sich ausschließlich um Digitalisierungsthemen kümmert. Die Arbeitsgruppe bietet nun den Beschäftigten eine regelmäßige Sprechstunde an, die über den Umgang mit digitalen Neuerungen im Krankenhaus informiert. Zudem setzt sich der Betriebsrat vierteljährlich mit der IT-Abteilung zusammen, um den Weg der Digitalisierung gemeinsam zu besprechen. Die Initiative führte zum Erfolg: „Wir haben keine Schwierigkeiten mehr, Digitalisierung voranzutreiben“, sagte Amen, allerdings auch unter dem Verweis auf das Krankenhauszukunftsgesetz und der damit verbundenen finanziellen Hilfen für die Digitalisierung.  

Wir müssen die Arbeitnehmer auch digital erreichen.

Isabelle Schömann vom Europäischen Gewerkschaftsbund EGB

Jugend fordert

Wie die Jugend mit dem Thema Digitalisierung umgeht zeigte sich in der Session: „Ausbildung 4.0. jetzt!“ – die online leider deutlich schlechter besucht war als die anderen Sessions. Die Teilnehmer standen mit Ausnahme des Moderators nicht live auf dem Podium, sondern hatten Videos vorproduziert, um ihre Beiträge zu präsenteren. Thematisch spielte die Digitalisierung für die Jugend hier allerdings eine untergeordnete Rolle. Im Vordergrund standen stattdessen die Rechte für Azubis und die Ausbildungsqualität. 

Sascha Stampfer, Jugendvertreter der Continental AG, forderte einen Betreuungsschlüssel: ein Ausbilder auf acht Azubis. Für mehr Qualität in der Ausbildung schaute er über den betrieblichen Tellerrand hinaus. Investitionen in Berufsschulen und in den öffentlichen Personennahverkehr seien nötig. Cosima Steltner von der IG Metall Jugend beklagte den unklaren Status dual Studierender. Sie hätten keinen gesetzlich verankerten Anspruch auf Vergütung und Urlaub. Sie forderte zudem einheitliche Ausbildungsstandards. Debby Neuenfeld schließlich machte sich für eine gesetzliche Ausbildungsplatzgarantie stark, verankert im Sozialgesetzbuch. Dazu sollen Betriebe in einen sogenannten Zukunftsfonds einzahlen, aus dem die Ausbildungen finanziert werden.

Ohne Digitalisierung kam allein das Panel „Zukunft Wohnen“ aus. Wohnen verschärft soziale Ungleichheit, denn wer weniger verdient als andere, muss einen höheren Anteil seines Lohns für das Wohnen aufbringen. Das ist das Resultat einer Studie der Humboldt-Universität in Berlin. Zudem wurden in den vergangenen Jahren zu wenige Wohnungen in Deutschland gebaut, und die Steigerung von Löhnen hält mit den Mietpreissteigerungen nicht mit. Wie lässt sich diese Gemengelage aufbrechen? Ein Ansatz: Mittelständler, die Fachkräfte suchen, sollen in eine nachhaltige Quartiersentwicklung investieren, wo dann ihre Mitarbeiter wohnen. Das schlägt Job & Wohnen vor – der gemeinnützige Verband versteht sich als Servicegesellschaft für Genossenschaften.

Diese Initiative begrüßte Inga Jensen vom DGB. Der Dachverband indes fordert grundsätzlich den Aufbau eines gemeinnütziges Wohnungsbestands. Dazu sollten auch zum Beispiel private Investoren etwa mit Steuererleichterungen bewegt werden. Sebastian Dullien vom Institut für Makroökonomie (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung betonte die Bedeutung von Instrumenten, die gezielt den Wohnbau fördern. Jetzt sei wegen der Niedrigzinsphase ein guter Zeitpunkt, um den Wohnungsbau voranzutreiben. Wohngeld indes sei zwar sozial notwendig, doch weniger nachhaltig, weil dadurch eben kein neuer Wohnraum entstehe.

  • Inga Jensen vom DGB auf dem Panel 'Zukunft Wohnen'
    Darüber, wie eine gemeinwohlorientierte Wohnungspolitik aussehen könnte, sprachen unter anderem Inga Jensen vom DGB und Sebastian Dullien vom IMK.

Preise für Kreativität

Wie die Arbeit von morgen auch mithilfe von Kreativität gestaltet werden kann, deutete abschließend die Preisverleihung für die Ideenpitches an. Dabei stellten je fünf Kandidaten in zwei Sessions ihre Konzepte für bessere Arbeit vor. Es gewann das Projekt „Kurzzeitsabbaticals“ des sozialwissenschaftlichen Instituts Sowitra in Berlin. Die kurzen Auszeiten für Arbeitnehmer sollen zu einer verbesserten Wok-Life-Balance beitragen. Ausgezeichnet wurde zudem die Crow Cycle Courier Collective, die mit ihrer selbstverwaltenden Organisationsform ein Gegengewicht gegen die prekären Beschäftigungsverhältnisse bei Kurierdiensten setzt.

  • Auf der Labora 2021 wurde auch wieder mit vielen Ideen gepitcht
    Wie die Arbeit von morgen gestaltet werden kann, wurde mittels diverser Ideenpitches angedeutet.

Weitere Informationen

Website der LABOR.A® DIGITAL 2021

Forschungsstelle Arbeit der Zukunft

Dokumentation der LABOR.A® 2021

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