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Podium bei der Tagung 'Besser geht's mitbestimmt' Service aktuell

Tagung „Besser geht’s mitbestimmt“: Just transition darf kein netter Slogan bleiben

Der „Green Deal“ der Europäischen Union zum Klimaschutz muss auch ein sozialer Deal sein. Dies war Konsens bei der Tagung „Besser geht’s mitbestimmt“, die die Hans-Böckler-Stiftung in Kooperation mit der IG BCE Mitte Mai in Brüssel organisiert haben.

[21.05.2022]
Von Eric Bonse

Wenn es um „Just Transition“ geht - also den gerechten und sozialverträglichen Übergang in eine klimaneutrale Wirtschaft - schmücken sich auch gerade deutsche Unternehmen mit Hochglanzbroschüren. Doch mit dem schönen Schein allein will sie der CDU-Europaabgeordnete Dennis Radtke nicht durchkommen lassen. Zwar täten manche Unternehmen so, als gehe es ihnen „nicht ums Geldverdienen, sondern um die Weltrettung“. Viele „Kalenderblattsprüche“ des Managements hielten dem Realitätscheck jedoch nicht stand. Die „Just Transition“ dürfe nicht nur ein netter Slogan bleiben, so das Fazit – sie muss hart erkämpft werden.

Einen einfachen Weg zu „Just Transition“, so viel wurde in zwei Tagen intensiver Debatte mit Fachleuten aus Betriebsräten, europäischen Institutionen und der Stiftung deutlich, gibt es nicht. Dafür ist die Europäische Union (EU) zu kompliziert.

Dabei hat die Bedeutung der Sozialpolitik in der EU in den letzten Jahren zugenommen, wie Radtke betonte. Seit der Einführung der Säule sozialer Rechte unter dem früheren Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker habe sich viel bewegt. Das zeige auch die Reaktion der Arbeitgeber. Noch nie habe er so viel Ärger aus dem Arbeitgeberlager bekommen, so Radtke – ein Indiz dafür, dass es ernst werde mit der Sozialpolitik. Als Beispiele nannte er die Richtlinie über europäische Mindestlöhne und den Vorschlag zur Plattformarbeit. Das seien „richtige Brummer“, die die Arbeitgeber auf die Palme brächten.

  • Dennis Radtke von der CDU auf der Tagung 'Besser geht's mitbestimmt'
    Dennis Radtke von der CDU betonte, dass die Bedeutung der Sozialpolitik in der EU in den letzten Jahren zugenommen hätte.

Optimistisch äußerte sich auch Kathleen Stranz von der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik bei der EU. Die soziale Perspektive habe nicht nur Eingang in die Klima-, sondern auch in die Handelspolitik gefunden. Obwohl es voran gehe, müsse man aber geduldig sein.

Doch die Geduld wird manchmal überstrapaziert, wie Isabel Eder von der IG BCE und mehrere Kollegen aus Europäischen Betriebsräten berichteten. Entscheidungen, mit denen sich Konzerne an die neuen EU-Vorgaben zu Nachhaltigkeit und Klimaschutz anpassen, würden hinter verschlossenen Türen getroffen – ohne die Vertreter der Beschäftigten.

Der Europäische Betriebsrat (EBR) brauche mehr Rechte, die Arbeitgeber dürften sich nicht länger hinter dem Betriebsgeheimnis verstecken, forderte Radtke. Er arbeitet an einem Initiativbericht zur Novellierung der EBR-Richtlinie, der im Herbst im Europaparlament verabschiedet werden soll. Danach will die EU-Kommission einen Vorschlag ausarbeiten. „Ich hoffe, dass der Vorschlag noch in dieser Legislatur kommt“, so Radtke.

  • Isabell Eder von der IG BCE auf der Tagung 'Besser geht's mitbestimmt'
    Es würden zu viele Entscheidungen von Konzernen hinter verschlossenen Türen getroffen, monierte Isabel Eder von der IG BCE.

Für eine nachhaltige Stärkung der Mitbestimmung sprach sich auch Corinna Zierold vom Gewerkschaftsdachverband IndustriAll aus. Der Wandel betreffe rund 25 Millionen Industriearbeitsplätze im Zuge des „Green Deal“. Doch bis heute fehle es an detaillierten Analysen, wie er sich auf Unternehmen und Regionen auswirke.

Zierold stellte ein Manifest für den gerechten Strukturwandel vor mit Forderungen der Gewerkschaften wie einem EU-Rechtsrahmen zur Bewältigung des Strukturwandels. Die Unternehmen sollen verpflichtet werden, Pläne für den gerechten Übergang vorzulegen.

Nötig seien auch soziale Auflagen für Unternehmen, die von nationalen Finanzhilfen oder EU-Mittel profitieren. Nur so lasse sich sicherstellen, dass die Unternehmen die Arbeitnehmerrechte achten.

Für eine andere Strategie plädierte Ulrich Hilpert, Professor an der Universität Jena. Die Arbeitnehmer seien nicht nur Objekte der Transition, sondern auch Akteure. Sie könnten sich selbst bei der Umgestaltung der Produktion und Lieferketten einbringen, auf EU-Ebene sollten Europäische Betriebsräte Druck machen.

  • Maxi Leuchters vom I.M.U. auf der Tagung 'Besser geht's mitbestimmt'
    Maxi Leuchters vom Institut für Mitbestimmung und Unternehmensführung (I.M.U.) stellte einen finanzpolitischen Ansatz vor.

Einen finanzpolitischen Ansatz stellte Maxi Leuchters von der Hans-Böckler-Stiftung vor. Sie plädiert für eine soziale Taxonomie, die faire Arbeit, angemessene Löhne und Lebensstandards und das Wohlergehen der Verbraucher fördern soll. Ein mögliches Unterziel wäre, die Weiterbildung der Beschäftigten aber auch die Mitbestimmung zu fördern, so Leuchters.

Als Vorbild gilt die – umstrittene – energiepolitische Taxonomie. Sie soll Investitionen in klimafreundliche Projekte lenken, sorgt jedoch mit Empfehlungen für Gas und Atomkraft für Streit. Eine soziale Taxonomie kann eine Chance sein, die soziale Dimension von Nachhaltigkeit zu stärken, sagte Leuchters. Diese sei bisher zu wenig Thema. Allerdings sei offen, ob die EU-Kommission einen Vorschlag machen werde.

In der Schlussrunde ging es dann noch einmal um die Rolle der Gewerkschaften und der Betriebsräte in der Transformation. Mehrere Rednerinnen und Redner betonten die Bedeutung der Europäischen Betriebsräte wegen ihrer europaweiten Vernetzung. Die Einbeziehung der Beschäftigten in strategische Fragen müsste aber durch mehr Rechte gestärkt werden.  

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