Forschungsprojekt: Rechte Diskursstrategien gegen linke Politik in Social-Media

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Projektziel

Das Projekt untersuchte aus diskurs- und politolinguistischer Perspektive kommunikative Praktiken und semantische Muster, mit denen rechte und populistische Akteure gewerkschaftliche und linke Politiken in sozialen Medien herausfordern. Neben direkten Konfrontationen standen semantische Aneignungsversuche im Vordergrund, in denen linke Inhalte, Begriffe und Argumente von rechts besetzt werden.

Projektbeschreibung

Kontext

Mit dem Aufstieg und der Etablierung der AfD in den Parlamenten ist die traditionelle Zuordnung von Parteien und politischen Lagern zu bestimmten Milieus und Bevölkerungsgruppen prekär geworden. Zudem steht der Aufstieg der AfD auch für den Durchbruch neuer Kommunikations- und Umgangsformen in der politischen Öffentlichkeit, auf die sich die etablierten politischen Akteure einstellen mussten. Als wichtigste Kommunikationsarena der AfD wie auch anderer Organisationen des gegenwärtigen rechten Lagers erwiesen sich die sozialen Medien wie facebook oder twitter.

Auch bei Arbeitnehmer_innen ist der rechte Populismus erfolgreich. Er adressiert gezielt das ‚einfache Volk‘ und inszeniert sich als dessen politischer Repräsentant. Dabei sind nicht nur ‚neoliberale‘ Programmatiken zu erkennen, sondern es werden teilweise (vermeintlich) sozialstaatliche bis antikapitalistische Motive herangezogen.

Fragestellung

Das Projekt untersuchte rechte Diskursstrategien in sozialen Netzwerken, mit denen linke und soziale Politik herausgefordert wird. Im Fokus standen drei Fragenkomplexe:

1. Welche Akteure agieren wie im Diskursfeld? Welche Formen der Kooperation lassen sich beobachten? Welche Gruppen lassen sich hinsichtlich ihres Sprachgebrauchs und ihrer Vernetzung unterscheiden?

2. Welche semantischen Strukturen werden von rechter Seite im semantischen Kampf herangezogen oder besetzt? Welche Fahnen- oder Stigmawörter werden verwendet? Welche Argumente provozieren größere Auseinandersetzungen? Welche werden übernommen und transformiert?

3. Welche wiederholt beobachtbaren Handlungsmuster und diskursiven Praktiken werden von rechter Seite in sozialen Medien eingesetzt: Wie werden antagonistische Positionen argumentativ adressiert, wo werden sie lächerlich gemacht? In welchen Kontexten lassen sich Beleidigungen und Bedrohungen (Hate-Speech) beobachten? Sind (erfolgreiche) Gegenstrategien erkennbar?

Untersuchungsmethoden

Das Projekt positionierte sich methodisch im Ansatz der korpusgestützten Mehrebenen-Diskursanalyse. Wir setzten auf eine Kombination hermeneutischer und computergestützter Verfahren als komplementäre Zugänge der Datenanalyse. Wir gingen von einem sprach- und diskurspragmatischen Grundverständnis aus, das Schlagwörter oder Argumentationsmuster als kommunikative Einheiten betrachtet, die primär sprachliches ‚Werkzeug‘ zur Stärkung der eigenen und gleichzeitigen Schwächung der gegnerischen Position sind.

Den fokussierten Diskursausschnitt erfassten wir durch ein umfangreiches Social-Media-Korpus, das eine vertiefende Analyse der rechten Kommunikationspraxis ermöglicht. Die Korpusgenerierung erfolgte mehrstufig: Zunächst werden manuell relevante Twitteraccounts identifiziert. Diesen Kernbestand erweiterten wir konzentrisch anhand bestehender Follower-Strukturen. Dazu flossen Tweets, in denen bestimmte Hashtags verwendet werden, in das Korpus ein (z.B. #afd, #betriebsrat, #streik, #btw21).

Darstellung der Ergebnisse

Das Projekt dokumentiert seine Ergebnisse auf einer Website (rechte-diskurse.de, im Erscheinen). Diese umfassen insbesondere:

- Die Ergebnisse einer netzwerkanalytischen Akteursanalyse. Dabei konnten verschiedene Communities identifiziert werden, aus denen sich das rechte Social-Media-Milieu auf Twitter/X zusammensetzt. Das Akteursnetzwerk der rechten Twittersphäre wurde auch in Form einer interaktiven Visualisierung aufbereitet.

- Vertiefende semantische Analysen konnten wesentliche Elemente des politischen Sprachgebrauchs rechter Gruppen dokumentieren. Insbesondere betrifft das den Gebrauch von Schlagwortclustern (z.B. um ‚Umweltschutz‘, ‚soziale Frage‘, ‚Kapitalismus‘ etc.), Argumentationsmustern (z.B. die Behauptung eines ‚politischen Rollentauschs‘ zwischen Linken und Rechten) und Handlungsmustern (z.B. Versuche der ‚Aneignung‘ bestimmter Teile ‚linker‘ Sprache durch rechte Akteure).

- Zum besseren Verständnis der empirisch erhobenen Kommunikationsmuster wurden relevante rechte Diskursstrategien analysiert und beschrieben, so insbesondere die allgemeine Strategie einer ‚Metapolitik‘ und damit verknüpfte Provokations- und Verzahnungsstrategien.

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