Forschungsprojekt: Arbeitsbeziehungen in supranationalen Organisationen

Projektziel

In ihrer Grundrechtecharta bekennt sich die Europäische Union zu den Grundsätzen von Demokratie und Arbeitnehmerrechten. In den Europäischen Institutionen selbst indes gelten die auf nationaler Ebene errungenen Schutz- und Mitspracherechte der Beschäftigten nicht, sie haben dort allenfalls den Status eines Bekenntnisses zu den Prinzipien des „sozialen Dialogs“, nicht aber von einklagbaren Rechten.

Projektbeschreibung

1. Kontext

Im Zentrum des Projekts stehen supranationale Organisationen, die im „europäischem Auftrag“ handeln, aber weder einzelstaatlicher Gesetzgebungskompetenz und Gerichtsbarkeit, noch vergleichbaren supranationalen Regelungen unterliegen. Dies betrifft nicht nur die durch das jeweilige Mandat definierten Aufgaben und Zuständigkeiten der Organisation, sondern auch den Bereich des internen Individual- und Kollektivarbeitsrechts sowie die Möglichkeit einer gerichtlichen Überprüfung von arbeits- und personalrechtlichen Entscheidungen. Dies schränkt die Rechte sowohl der Beschäftigten als auch ihrer Interessenvertretung erheblich ein und erschwert somit konsensfähige Verfahren des Interessenausgleichs und der Konfliktregulierung. Eine Korrektur dieser Situation würde ein einstimmiges Votum jeweils aller beteiligten Vertragsstaaten erfordern und ist somit auf absehbare Zeit unwahrscheinlich. Inmitten der EU besteht somit eine Zone, in der diese ihre eigenen Rechtsansprüche nicht umsetzt.

2. Fragestellung

Das Projekt fragt nach den Arbeitsregimes in den untersuchten Organisationen sowie danach, wie mit der in Hinblick auf fachliche Kompetenzen, Beschäftigtenstatus und nationale Herkunft relativ großen Heterogenität der Beschäftigten umgegangen wird. Dabei wird auch der Frage nachgegangen, wie sich diese Rahmenbedingungen aus der Sicht der Beschäftigten darstellen, welche Partizipationsansprüche diese artikulieren und welche Rolle dabei fachliche Kulturen und das professionelle Selbstverständnis spielen. Ein weiterer Gegenstand der Untersuchung sind die enorme Bandbreite arbeitsvertraglicher Bedingungen in diesen Organisationen und die daraus entspringenden Konsequenzen für Beschäftigte und deren Interessenvertretung(en).

Im Vergleich zwischen den untersuchten Organisationen wird zudem nach dem Zusammenhangvon Arbeitsanforderungen, Arbeitsbeziehungen sowie dem jeweiligen Mandat der Organisationen im Spannungsfeld zwischen administrativen und wissenschaftlichen Aufgaben gefragt.

3. Untersuchungsmethoden

Die Fragestellung erfordert ein mehrdimensionales qualitatives Forschungsdesign: Zunächst werden Strukturen und Rechtsgrundlagen der drei untersuchten Organisationen auf der Basis von Dokumentenanalysen erhoben. Im Rahmen von Expertengesprächen mit Interessenvertretung und Management werden die Arbeitsbeziehungen weiter exploriert. Das Herz der Untersuchung bilden schließlich qualitative Interviews mit Beschäftigten, in denen sowohl Erfahrungen als auch Partizipationsansprüche rekonstruiert werden. Erhebungsbegleitend werden Aktivitäten der Interessenvertretungen wie Veranstaltungen und Workshops in Form einer teilnehmenden Beobachtung besucht.

Um die Übertragbarkeit der Ergebnisse auszuloten, werden weitere Expertengespräche durchgeführt und ergänzend Unterlagen, Statistiken zur Beschäftigungssituation, Dokumente, Medienberichte zu Arbeitsbeziehungen und Beteiligungsrechten der Beschäftigten in anderen europäischen Institutionen, Einrichtungen und Agenturen vergleichend einbezogen.

Projektleitung und -bearbeitung

Projektleitung

Dr. Christiane Schnell
Institut für Sozialforschung an der Johann Wolfgang Goethe-Universität

Dr. Hermann Kocyba
Institut für Sozialforschung an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Ffm.

Kontakt

Dr. Stefan Lücking
Hans-Böckler-Stiftung
Forschungsförderung

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