Forschungsprojekt: Gewerkschaftliche Sozialisation(en) und demokratische Praxis

Interviewprojekt zur Geschichte der Bundesrepublik

Projektziel

In dem Oral-History-Projekt wird die Rolle der Gewerkschaften als vermittelnde Organisation im Demokratisierungsprozess der alten Bundesrepublik Deutschland untersucht. Mit einem gruppenbiografischen und einem generationengeschichtlichen Ansatz wird der Demokratisierung aus der Perspektive gewerkschaftlicher Funktionär_innen der mittleren Ebene seit den 1950er-Jahren nachgegangen.

Projektbeschreibung

Kontext

Angesichts des katastrophalen Endes der Weimarer Republik und der anschließenden Diktaturerfahrungen wurden Demokratisierung, Liberalisierung und Westernisierung zu den zentralen Narrativen der Geschichte der Bundesrepublik. Die in dieser Perspektive geglückte und weitgehend bruchlose Demokratisierung der Bundesrepublik blendet mit wenigen Ausnahmen die Geschichte arbeitsweltlicher Akteure und deren Anteil an der deutschen Demokratiegeschichte aus. Dieses Forschungsdesiderat spiegelt sich in der mangelnden Repräsentanz von Gewerkschaften in medialen Debatten und der öffentlichen Wahrnehmung. Gewerkschafter_innen und Mitbestimmungsträger_innen treten als demokratische und demokratiestabilisierende Instanz wenig in Erscheinung. Indem die in Vergessenheit geratene gewerkschaftsgeschichtliche Perspektive auf die Zeitgeschichte neu entwickelt wird, wird auch die Geschichte der Gewerkschaften in der bundesrepublikanischen Zeitgeschichte neu aufgestellt.

Fragestellung

Im Zentrum des Projekts steht der mittlere Funktionärskörper der Gewerkschaften und dessen Bedeutung für die Demokratiegeschichte der alten Bundesrepublik. Der besondere Reiz dieser Mesoebene liegt in einer doppelt vermittelnden Rolle, welche sich in den mittleren Funktionär_innen findet: Sie agieren als intermediäres Bindeglied zwischen Führung und Mitgliedschaft und bilden das Rückgrat für die Ausformulierung politischer Ziele und Strategien der Gewerkschaften, die ihrerseits als intermediäre Organisationen verstanden werden (Organisationen mit vermittelnden Charakter zwischen Individuum und Gesellschaft bzw. zwischen Individuum, Markt und Staat). Für die Auswahl der Interviewpartner_innen wird ein gruppenbiografischer Zugang gewählt, der von politischen Sozialisationszeiträumen und -kohorten ausgeht und so die westdeutsche (Gewerkschafts-)Geschichte zwischen Mitte der 1950er- und Mitte der 1980er-Jahre in den Blick nimmt.

Untersuchungsmethoden

Im Sinne der politischen Sozialisationsforschung werden je zehn Funktionär_innen der Gewerkschaften zu ihren politischen Sozialisationserfahrungen in der Zeit 1955–1964 (Geburtsjahrgänge 1935–1944), 1965–1974 (Jahrgänge 1945–1954) und 1975–1984 (Jahrgänge 1955–1965) befragt. Es wird angenommen, dass sich politische Einstellungen insbesondere über Sozialisationsinstanzen in der sekundären und tertiären Sozialisation im Jugend- und jungen Erwachsenenalter bilden und die Gewerkschaften für die Interviewpartner_innen eine zentrale Rolle spielten. Die insgesamt 30 zu führenden Interviews werden nach den Standards der Oral History durchgeführt. Einer lebensgeschichtlichen narrativen Interviewphase folgt ein Interview zu Gewerkschaftspolitik und Demokratierfahrungen in der alten Bundesrepublik. Die Interviews stehen im Anschluss im Archiv der sozialen Demokratie (AdsD) für Forschung und die politisch-historische Bildung zur Verfügung.

Projektleitung und -bearbeitung

Projektleitung

Dr. Anja Kruke
Friedrich-Ebert-Stiftung e. V.
Public History
Anja.Kruke@fes.de

Bearbeitung

Paul Klopp
Friedrich-Ebert-Stiftung e.V. Archiv der sozialen Demokratie
Paul.Klopp@fes.de

Mirko Schwagmann
Friedrich-Ebert-Stiftung e.V. Archiv der sozialen Demokratie
Mirko.Schwagmann@fes.de

Kontakt

Dr. Michaela Kuhnhenne
Hans-Böckler-Stiftung
Forschungsförderung
michaela-kuhnhenne@boeckler.de

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