Projektbeschreibung
Kontext
Mit zahlreichen Untersuchungen wurde eine Zunahme und Verfestigung sozialer Ungleichheit in Deutschland belegt. Offenbar hatten weite Bevölkerungskreise an den in den letzten Jahren günstigen makroökonomischen Bedingungen nicht teil, so dass sich ihre relative materielle Situation verschlechtert hatte. Diese Ergebnisse basierten überwiegend auf Querschnittsanalysen der Verteilung von Einkommen oder Vermögen sowie auf Mobilitätsanalysen, die auf Zeiträume von wenigen Jahren gerichtet waren. Trotz der differenzierten vorliegenden Studien blieben aber wichtige Zusammenhänge und Hintergründe der ökonomischen Ungleichheitsentwicklung verborgen. Mit dem Forschungsprojekt sollten einige Forschungslücken, die für die Gestaltung einer wohlfahrtsstaatlichen Politik mit dem Ziel des Ausgleichs von Teilhabe relevant sind, gefüllt werden. Dabei wurde der Blick auf materielle Teilhabe konzentriert. Weitere Teilhabedimensionen waren aber indirekt bzw. als Erklärungsfaktoren miteinbezogen.
Fragestellung
Sind bei integrativer Betrachtung von Einkommen, Vermögen, Ausgaben und Sparen Schichtgrenzen erkennbar, die von gängigen Armuts- und Prekaritäts-, Teilhabe- und Reichtumsdefinitionen abweichen? Welche Ungleichheiten materieller Teilhabe, basierend auf Einkommen und Vermögen, zeigeen sich insgesamt, zwischen verschiedenen Gruppen und in verschiedenen Lebensphasen? Welche Chancen und Risiken bestehen für Frauen und Männer in verschieden Phasen ihres Lebens, Auf- oder Abstiege zwischen bestimmten Schichtpositionen mehrdimensionaler materieller Teilhabe zu erleben? Finden sich typische Verläufe materieller Teilhabe? Welche Determinanten erklärten die Verfestigung von Schichtzugehörigkeiten?
Untersuchungsmethoden
Zur Projektbearbeitung wurden komplexe methodische Ansätze verwendet. Die Einbeziehung des Konsums in die integrierte Einkommens- und Vermögensschichtung wurde mit typisierenden multivariaten Verfahren, wie Faktoren-, Cluster- und Korrespondenzanalysen, auf Basis der Einkommens- und Verbrauchsstichproben (EVS) durchgeführt. Für die weitere Lebensverlaufsanalyse wurde das neue Schichtungsmodell auf das Sozio-oekonomische Panel (SOEP) mittels Imputation übertragen und mit uni- und bivariaten (deskriptiven) Auswertungen, mit multivariaten Panelanalysen sowie mit Sequenzanalyse unter Anwendung von Optimal-Matching- und Clusteranalysen analysiert.
Darstellung der Ergebnisse
Mit dem Projekt konnte die Messung von Wohlstandsverteilungen in zweifacher Hinsicht weiterentwickelt werden: Einkommen und Vermögen wurden integrativ betrachtet; zudem wurden mit der zusätzlichen Einbeziehung von Konsum und Sparen ein fundiertes Schichtungskonzept materieller Teilhabe für Deutschland entwickelt. Die Analysen führten zu einer Modifizierung der gängigen Armuts- und Reichtumsgrenzen, die erstmalig empirisch fundiert wurden. Die bisher üblichen Grenzziehungen auf Basis willkürlicher Setzungen waren für Armut zu niedrig und zu hoch bei der Erfassung von Reichtum.
Im Zeitvergleich hat seit 2000 die auf dieser Basis ermittelte Armutsquote deutlich zugenommen, wobei sich Unterschiede nach Teilgruppen der Bevölkerung zeigen. Insgesamt zeigt sich im Vergleich zu bisherigen Studien bei der Anwendung des mehrdimensionalen Konzeptes jedoch ein relativ kompatibles Bild sowohl in Bezug auf die Struktur und Gesamtentwicklung der Wohlstandsverteilung als auch in Bezug auf materielle Teilhabe und Prekarität im Lebensverlauf.