Projektbeschreibung
Kontext
Ausgangspunkt ist die Beobachtung, dass traditionelle Formen der Interessenvertretung im Kulturbereich an ihre Grenzen stoßen und zugleich kollektive Solidaritätsformen diesseits und jenseits traditioneller Strukturen zunehmen. Jedoch beruht kollektive Solidarität in den Kulturberufen auf labilen Voraussetzungen. Denn Kulturberufe sind kein Feld klassischer Gewerkschaftspolitik und neue Interessenformationen haben aufgrund der strukturell prekären Erwerbssituation im Kulturbereich bislang nur eine geringe Durchsetzungsmacht. Ziel des Forschungsprojektes ist, die Strategien und Ziele von Interessenvertretungen im Kulturbereich zu untersuchen sowie ihre politische und gesellschaftliche Wirkmacht zu beurteilen. Ausgelotet werden zudem Allianzen und Konflikte zwischen den einzelnen Gruppierungen der Interessenvertretung.
Fragestellung
Untersuchungsgegenstand sind sowohl die Vertretungsbedarfe der Kulturarbeiter:innen selbst als auch die inhaltlichen Positionen und arbeitspolitischen Strategien der Interessenvertretung des Kulturbetriebs und insbesondere der darstellenden Künste. Die Leitfrage lautet: Wie und in welchen Solidaritätsformationen verläuft die Arbeitspolitik im Kulturbetrieb und wie und in welchen Bündnissen treten die arbeitspolitischen Akteur:innen für ihre Interessen ein? Zentrale Fragen sind: Wie gestaltet sich die kollektive Interessenvertretung in den Kulturberufen? Welche Rückschlüsse lassen die Formen der Arbeitsregulation im Kulturbereich auf den Wandel der industriellen Beziehungen in Deutschland zu? Bildet sich hier womöglich ein Prototyp für die Interessenvertretung der Arbeitswelt des 21. Jahrhunderts heraus?
Ziel ist die Arbeitspolitik der darstellenden Künste in ihrer Komplexität und sozialhistorischen Eigenart zu verstehen.
Untersuchungsmethoden
Ausgangspunkt war, dass die Interessenvertretung im Kulturbereich plural organisiert ist. Als Ergebungsinstrumente dienen Dokumentenrecherchen, Interviews mit Vertreterinnen und Vertretern verschiedener Interessenverbände sowie mit Künstlerinnen und Künstlern aus der freien Kulturszene. Im Hinblick auf die Frage, welche politische Durchsetzungskraft Interessenvereinigungen im Kulturbereich haben, spielt das politische Feld eine wichtige Rolle. Es werden daher auch Experteninterviews mit Vertreter*innen des politischen Feldes sowie mit der politischen Verwaltung erhoben. Die Arbeitspolitik im Kulturbetrieb wird untersucht, indem arbeitspolitische Spiele sowie damit zusammenhängende "Glaubenskämpfe" und Machtstrategien im Feld der darstellenden Künste in ihren jeweiligen, arbeitspolitischen Arenen als politisches Spiel (Bourdieu) rekonstruiert werden.
Darstellung der Ergebnisse
Solidarität wird im Kulturbetrieb mit neuem Leben gefüllt. Die empirischen Befunde verdeutlichen, dass in der postindustriellen Arbeitswelt der darstellenden Künste entschieden für sozialen Zusammenhalt und die Durchsetzung von sozialen Rechten gestritten wird. Doch lässt sich deren Streit um gute Arbeit, worum es im Kern geht, nicht mit „der“ Solidarität alter Schule erklären. Denn in der Arbeitswelt der Gegenwartsgesellschaft, zumal im Kulturbetrieb, ist es nicht sinnvoll, Solidarität auf die – traditionell gesagt – „Brüderlichkeit“ unter Gewerkschaftsmitgliedern zu verengen. Von Interesse ist demgegenüber, wie solidarische Allianzen ausgehandelt werden – und von wem sowie in welchen Konstellationen. Mit einer solch kulturwissenschaftlich inspirierten Perspektive lässt sich der Begriff aus seiner engen Bindung an die soziale Frage der Arbeiterklasse lösen und für weitere Solidaritätsformationen öffnen, etwa für zivilgesellschaftliche Akteur:innen der Bewegungspolitik. Die Ergebnisse zeigen, dass Künstler:innen die soziale Frage stark machen. Im Kern geht es um einen Streit um gesellschaftliche Anerkennung als Erwerbsbürger:innen.