Forschungsprojekt: Erfolgsbedingungen patienten- und versichertenorientierter Selbstverwaltung

Soziale Selbstverwaltung in der gesetzlichen Krankenversicherung: Erfolgsbedingungen patienten- und versichertenorientierter Selbstverwaltung durch Arbeitnehmervertreter

Projektziel

Anhand ausgewählter Beispiele hat das Projekt die Bedingungen und Chancen eines erfolgreichen Wirkens der Selbstverwaltung in der Gesetzlichen Krankenversicherung untersucht. Seine Ergebnisse tragen dazu bei, Wege zur Stärkung der Ressourcen für eine effektive Selbstverwaltung zu identifizieren und Strategien zur Durchsetzung von Versicherten- und Arbeitnehmer/innen-Interessen zu entwickeln.

Veröffentlichungen

Gerlinger, Thomas, Nora Knötig, Caspar Daniel Lückenbach, Johannes Staender und Thomas Wüstrich, 2016. Soziale Selbstverwaltung in Krankenkassen, Working Paper Forschungsförderung 15, Düsseldorf: Hans-Böckler-Stiftung, 40 Seiten.

Gerlinger, Thomas, Nora Knötig, Caspar Daniel Lückenbach, Johannes Staender und Thomas Wüstrich, 2016. Beispiele für erfolgreiches Handeln bei den Krankenkassen (Teil 2), Soziale Sicherheit, 5/2016, S. 192-197.

Gerlinger, Thomas, Nora Knötig, Caspar Daniel Lückenbach, Johannes Staender und Thomas Wüstrich, 2016. Beispiele für erfolgreiches Handeln bei den Krankenkassen (Teil 1), Soziale Sicherheit, 3/2016, S. 93-102.

Gerlinger, Thomas, Thomas Wüstrich, Nora Knötig, Caspar Daniel Lückenbach und Johannes Staender, 2016. Ergebnisbericht zum Forschungsvorhaben "Soziale Selbstverwaltung in der gesetzlichen Krankenversicherung: Erfolgsbedingungen patienten- und versichertenorientierter Selbstverwaltung durch Arbeitnehmervertreter", Bielefeld: Universität Bielefeld, 13 Seiten.

Projektbeschreibung

Kontext

Die Selbstverwaltung in der Sozialversicherung gehört zu den Kernstrukturen des deutschen Sozialstaats, ist aber zugleich Gegenstand einer tiefgreifenden Kritik, deren zentrale Punkte seit Jahrzehnten im Raum stehen: "Partizipationsdefizit", "Interessendefizit", "Machtdefizit". Seit Einführung des Kassenwettbewerbs vor zwanzig Jahren haben die ehrenamtlichen Selbstverwalter/innen zudem gegenüber dem hauptamtlichen Vorstand an Gestaltungsmöglichkeiten verloren. Gleichzeitig wurde den Verwaltungsräten eine Reihe neuartiger Kompetenzen übertragen, die auf wettbewerbsstrategische Entscheidungen ausgerichtet sind. Die Versichertenvertreter/innen in der Selbstverwaltung bewegen sich zunehmend in einem Spannungsverhältnis zwischen Versicherten- beziehungsweise Patienteninteressen, dem Interesse der Kasse als "Unternehmen" sowie dem sozial- und gesundheitspolitischen Interesse am Erhalt eines solidarischen Gesundheitswesens.

Fragestellung

Die öffentliche und wissenschaftliche Debatte um die soziale Selbstverwaltung in der Gesetzlichen Krankenversicherung ist auf deren Defizite fokussiert. Dabei bleibt die Frage unbeantwortet, wie es trotz offensichtlich schwieriger Rahmenbedingungen möglich ist, dass Selbstverwalter/innen in gesetzlichen Krankenkassen durchaus erfolgreich handeln können. An diesem Punkt setzte das Forschungsvorhaben an. Es ging der Frage nach, welche Bedingungen für ein "erfolgreiches" Wirken der Selbstverwaltung existieren. Als "erfolgreich" wurde eine Selbstverwaltung verstanden, die versicherten- und patientenorientiert agiert, eine aktive, gestaltende und qualifizierte Interessenvertretung betreibt, Transparenz und Versichertennähe herstellt und sich für den Erhalt eines solidarischen Gesundheitswesens einsetzt. Das Forschungsinteresse galt sowohl Versicherteninitiativen, die in der Krankenkasse durchgesetzt werden konnten, als auch Initiativen, die am Widerstand anderer Akteure scheiterten.

Untersuchungsmethoden

In den Vorarbeiten waren mittels explorativer Expertengespräche Beispiele erfolgreicher Selbstverwaltung identifiziert worden, die ein breites Spektrum möglicher Gestaltungsfelder der Versichertenvertreter/innen offenbarten. Für die Studie wurde ein fallrekonstruktives Design gewählt, das sich zur Erfassung komplexer Handlungsverläufe in ihrem jeweiligen sozialen Kontext in besonderer Weise eignet. Insgesamt wurden 15 Fälle untersucht, von denen 11 einer detaillierten Analyse unterzogen wurden. Die übrigen 4 Fälle zeigten hinsichtlich der Verlaufsbedeutung der Versichertenvertretung kein klares Bild. Die Datenerhebung beruhte im Wesentlichen auf leitfadengestützten Interviews mit Angehörigen der Selbstverwaltung und hauptamtlicher Vorstände. Ziel war die Identifikation der Bedingungen und Voraussetzungen, die eine erfolgreiche Interessenvertretung begünstigen oder behindern. Die Interviewdaten sind qualitativ-inhaltsanalytisch ausgewertet worden.

Darstellung der Ergebnisse

- Ein Schwerpunkt der untersuchten Selbstverwaltungsaktivitäten liegt auf dem Leistungsangebot der Kassen.

- Daneben finden sich Initiativen, die der Versichertennähe, der Organisation der Selbstverwaltung oder den Regeln ihrer internen und vorstandsbezogenen Kooperation gelten.

- Vielfach wurde die Bedeutung personenbezogener Merkmale deutlich, etwa der Kompetenzen und Vernetzungschancen, die mit dem beruflichen Hintergrund der Selbstverwalter/innen zusammenhängen, aber auch mit ihrem Gespür für relevante Themen und Entwicklungen in der gesellschaftlichen Umwelt.

- Vergleichbare Krankenkassen können sich bei grundsätzlich übereinstimmender Konsensorientierung organisationskulturell deutlich unterscheiden. Dies gilt zum Beispiel für den Grad der Proaktivität eines Verwaltungsrats und die Orientierung der für die Selbstverwaltung zuständigen Organisationseinheit.

- Der Kassenwettbewerb ist eine zentrale Rahmenbedingung des Selbstverwaltungshandelns. Die Erfolgschancen einer Initiative hängen deshalb wesentlich davon ab, ob glaubhaft gemacht werden kann, dass sie im Wettbewerbsinteresse der Kasse liegt oder es zumindest nicht stört.

Projektleitung und -bearbeitung

Projektleitung

Prof. Dr. Dr. Thomas Gerlinger
Universität Bielefeld Fakultät für Gesundheitswissenschaften

Prof. Dr. Thomas Wüstrich
Universität der Bundeswehr München
Fakultät für Betriebswirtschaft

Bearbeitung

Caspar Daniel Lückenbach
Universität Bielefeld Fakultät für Gesundheitswissenschaften

Dr. Nora Knötig
Universität der Bundeswehr München
Fakultät für Betriebswirtschaft

Dr. Johannes Staender
Universität Bielefeld Fakultät für Gesundheitswissenschaften

Kontakt

Dr. Eike Windscheid-Profeta
Hans-Böckler-Stiftung
Forschungsförderung