Projektbeschreibung
Kontext
Der Bedeutungszuwachs der Worker Centers in den USA seit den 1980er Jahren hat verschiedene Ursachen, die sich auf die Zunahme globaler Wirtschaftsverflechtungen und deren lokale Folgen sowie auf den Siegeszug neoliberaler Politikstrategien ("Deregulierung" unternehmerischer Beschränkungen und Beschneidung von Arbeitnehmerrechten) zurückführen lassen. Wo Gewerkschaften aufgrund restriktiver gesetzlicher Regelungen an die Grenzen ihrer Organisations- und Kampagnenfähigkeit stoßen, nutzen Worker Centers die Möglichkeiten dezentraler Organisation und Aktion. Denn anders als die US-amerikanischen Gewerkschaften fußen Worker Centers eben nicht auf staatlich garantierten Arbeitnehmerrechten, sondern auf der Solidarität und der kollektiven Interaktion derjenigen, die von den Auswirkungen von Globalisierung und Deregulierung unmittelbar betroffen sind.
Fragestellung
Ziel des Projekts war es, Informationen über die Entstehungsbedingungen und -motive sowie über Praktiken und Erfolge der Interessenvertretung zu erhalten und die möglichen Auswirkungen einer zunehmenden Verbreitung dieser Interessenvertretungsmodelle auf das deutsche Erwerbssystem abzuschätzen.
1. Aus welchen Gründen entstehen Worker Centers, wie arbeiten sie und welche Leistungen erbringen sie?
2. Inwiefern gelingt es Worker Centers, die Interessen ihrer Mitglieder bzw. "Klienten" effektiv zu vertreten?
3. Welche Argumente sprechen für eine zukünftige Zunahme der Verbreitung und Bedeutung von Worker Centers (in Deutschland), welche legen eher die entgegengesetzte Prognose nahe? Ist eine Entwicklung zu erwarten, die mit der in den USA vergleichbar ist? Welche Wirkungen auf das deutsche System der Arbeitsbeziehungen insgesamt lassen sich im Falle einer Zunahme der Verbreitung von Worker Centers erwarten?
Untersuchungsmethoden
Mit Hilfe einer Literaturstudie wurden verschiedene englischsprachige Publikationen aufgearbeitet, analysiert und vor dem Hintergrund der leitenden Fragestellungen zusammengefasst. Dabei ging es eher um die Aufarbeitung der verschiedenen Facetten des Phänomens insgesamt als um die Kontrastierung der Befunde verschiedener Studien.
Zusätzlich würden in einer Fallstudie Experteninterviews mit den Beteiligten geführt: mit Gründern und Betreibern des Worker Centers, mit Ratsuchenden und mit Externen (Gewerkschaften, Betriebsrat). Die Interviews wurden zum Teil transkribiert und inhaltsanalytisch ausgewertet.
Darstellung der Ergebnisse
Bei Worker Centers in den USA dominiert das Motiv, für Benachteiligte, die kaum Fürsprecher besitzen, eine "collective voice" zu etablieren. Entstehungshintergründe sind das soziale Engagement einzelner Personen in reaktion auf konkrete Vorfälle (wie Entlassungen oder Lohneinbehaltung). Worker Centers bieten verschiedene Leistungen und Aktionsformen an, mit denen es durchaus gelingt, die Interessen der Beschäftigten durchzusetzen. Auch beim 2010 entstandenen Untersuchungsfall in Deutschland dominiert das soziale Engagement der Gründer.
Die Auswirkungen auf das deutsche System werden als gering eingeschätzt, da sich die sozial-ökonomischen Voraussetzungen für Worker Centers deutlich unterscheiden. So verfügen die USA über einen größeren Niedriglohnsektor; bestimmte Städte weisen weitaus höhere Konzentrationen von Migrantinnen und Migranten auf; gleichzeitig bestehen schwächere institutionelle Rechte und sozialstaatliche Unterstützungsleistungen. Allerdings zeichnen sich auch hierzulande vergleichbare Trends ab (weniger Tarifverträge und Betriebsräte, Freizügigkeit, neue Personalkonzepte).