Forschungsprojekt: Berentungsgeschehen bei Erwerbsminderung

Sozialmedizinische Begutachtung, Leistungen zur Teilhabe und Berentungsgeschehen bei Erwerbsminderung aufgrund von Krankheit oder Behinderung

Projektziel

Im Projekt wurden Probleme der sozialmedizinischen Begutachtung im Rentengeschehen anhand vorliegender Forschung analysiert, es wurde die Verteilung von Leistungen zur Teilhabe bei vorzeitiger Berentung wegen Erwerbsminderung untersucht sowie die Praxis der beruflichen Wiedereingliederung und der sozialen Sicherung von erwerbsgeminderten Menschen in den Niederlanden beschrieben.

Veröffentlichungen

Mittag, Oskar, Christina Reese und Cornelia Meffert, 2014. (Keine) Reha vor Rente: Analyse der Zugänge zur Erwerbsminderungsrente 2005-2009, WSI Mitteilungen, 2/2014, S. 149-155.

Mittag, Oskar, Christina Reese, André Weel, Jim Faas und Wout de Boer, 2014. Arbeitgeberverantwortung für die Wiedereingliederung kranker Arbeitnehmer: Das Modell Niederlande, Recht & Praxis, 01/2014, S. 67-71.

Mittag, Oskar, Christina Reese, André Weel, Jim Faas und Wout de Boer, 2014. Berufliche Wiedereingliederung und soziale Sicherung bei Erwerbsminderung: Was in den Niederlanden anders gemacht wird. Ein Vergleich der Systeme in den Niederlanden und Deutschland, Soziale Sicherheit, 01/2014, S. 9-17.

Mittag, Oskar, 2014. Auf dem Weg nach 2020. Erfahrungen aus den Niederlanden - ein Modell für Deutschland?, In: Andreas Weber, Ludger Peschkes und Wout de Boer (Hrsg.), Return to Work - Arbeit für alle. Grundlagen der beruflichen Reintegration, Stuttgart: Gentner, S. 819-827.

Reese, Christina und Oskar Mittag, 2013. Berufliche Wiedereingliederung und soziale Sicherung von erwerbsgeminderten Menschen in den Niederlanden und in Deutschland. Handout zur Tagung "Erwerbsminderung: krank - ausgeschlossen - arm?" am 06.06.2013 in Berlin, Freiburg: Universitätsklinikum Freiburg, 23 Seiten.

Reese, Christina und Oskar Mittag, 2013. Wiedereingliederung und sozialer Sicherung bei Erwerbsminderung, Sozialrecht + Praxis, 23(06/2013), S. 343-359.

Weitere Informationen

Mittag, Oskar; Reese, Christina; Meffert, Cornelia: (Keine) Reha vor Rente:
http://www.boeckler.de/wsi_45981_46027.htm

Projektbeschreibung

Kontext

Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit aufgrund von Krankheit oder Behinderung haben Konsequenzen für die Betroffenen und für die Gesellschaft. Sozialpolitische Instrumente sollen Beeinträchtigungen überwinden (Teilhabeleistungen) oder deren Folgen kompensieren (Erwerbsminderungsrenten). Es stellt sich die Frage, ob das gegenwärtige System der sozialen Sicherung bei Erwerbsminderung ausreichend ist und ob die Möglichkeiten der Förderung der Teilhabe ausreichend genutzt werden.

Etwa 20 Prozent aller Versichertenrentenzugänge entfallen in Deutschland derzeit auf Renten wegen Erwerbsminderung; in Berufen mit schwerer körperlicher Arbeit liegt der Anteil bei 35 Prozent. Durch die Erhöhung der Regelaltersgrenze wird sich dieses Problem weiter verschärfen. Es gibt Hinweise darauf, dass die Möglichkeiten zur Sicherung der Teilhabe (z. B. Rehabilitation) im Vorfeld der Gewährung von Erwerbsminderungsrenten oft nicht ausgeschöpft werden.

Fragestellung

Das Projekt verfolgte drei Ziele: (1) Analyse von Problemen der sozialmedizinischen Begutachtung im Rentengeschehen anhand der vorliegenden Forschung; (2) Analyse von Routinedaten der Deutschen Rentenversicherung (DRV) zur Beantwortung der Frage, in welchem Maße der Grundsatz "Reha vor Rente" bei Erstzugängen zur Erwerbsminderungsrente umgesetzt wird und welche Gruppen besonders gefährdet sind, ohne vorherige Rehabilitationsmaßnahme in Erwerbsminderungsrente zu gehen; (3) Beschreibung des niederländischen Modells der beruflichen Eingliederung und der sozialen Sicherung von Menschen, die durch Krankheit oder Behinderung erwerbsgemindert sind, sowie ein Vergleich mit dem deutschen Modell. Ziel war es, hieraus empirisch fundierte Anregungen zur Weiterentwicklung der sozial- und arbeitsrechtlichen Instrumente zur sozialen Sicherung bei Erwerbsminderung in Deutschland abzuleiten.

Untersuchungsmethoden

Es wurde eine systematische Recherche und Analyse vorliegender Forschungsarbeiten zu Problemen der sozialmedizinischen Begutachtung im Rentengeschehen durchgeführt.

Außerdem erfolgte eine Analyse von Datensätzen der DRV zu Erwerbsminderungsrenten hinsichtlich des Berentungsgeschehens und der vorhergehenden Maßnahmen zur Sicherung der Teilhabe (z. B. Rehabilitation).

Im Hauptteil des Projekts wurden die gesetzlichen Grundlagen (z. B. Lohnfortzahlung im Krankheitsfall) und die Praxis der beruflichen Wiedereingliederung oder sozialen Sicherung von Menschen, die aufgrund von Krankheit oder Behinderung erwerbsgemindert sind, in den Niederlanden und in Deutschland recherchiert und beschrieben. Hierfür wurden eine Literaturrecherche sowie ExpertInnen-Interviews durchgeführt. Für die Interviews nutzten wir Fallvignetten, um die Praxis in den Niederlanden und in Deutschland anhand konkreter Fälle gegenüberstellen zu können.

Darstellung der Ergebnisse

- Zur Beurteilung der Qualität der sozialmedizinischen Begutachtung im Rentengeschehen liegen lediglich vereinzelte empirische Forschungsergebnisse vor. Diese Ergebnisse weisen auf eine hohe Variabilität zwischen verschiedenen Gutachtern hin.

- Die Analyse der Datensätze der DRV ergab, dass über 40 Prozent der Neuzugänge in die Erwerbsminderungsrente in den letzten fünf Jahren vor der Berentung keine Teilhabeleistung erhalten haben. Dazu zählen insbesondere Männer, Versicherte mit niedrigem Qualifikationsniveau oder Wohnsitz in Ostdeutschland. Auch höheres Alter und geringe Beitragszeiten erhöhen die Wahrscheinlichkeit, ohne Teilhabeleistungen in Erwerbsminderungsrente zu gehen.

- Kennzeichnend für die Praxis der beruflichen Wiedereingliederung in den Niederlanden sind u.a. folgende Aspekte, die auch als Anregungen für Reformen in Deutschland aufgegriffen werden könnten: ein gesetzlich geregeltes, früh einsetzendes Rückkehrmanagement; starke Anreize für Arbeitgeber und Arbeitnehmer zur beruflichen Wiedereingliederung; die Unterstützung der beruflichen Wiedereingliederung durch Fallbegleiter sowie eine führende Rolle der Arbeitsmedizin im Wiedereingliederungsprozess.

Projektleitung und -bearbeitung

Projektleitung

Prof. Dr. Oskar Mittag

Institut für Qualitätsmanagement und Sozialmedizin

Kontakt

Dr. Eike Windscheid-Profeta
Hans-Böckler-Stiftung
Forschungsförderung