Projektbeschreibung
Kontext
Die Sozialpartnerschaft mit ihren zentralen Arenen der Tarifautonomie und Betriebsverfassung gilt als Kerninstitution der deutschen Variante einer "koordinierten Marktökonomie". Seit den 1990er Jahren mehren sich Befunde, die eine Erosion oder eine Erschöpfung der Sozialpartnerschaft konstatieren, festgemacht am Rückgang der Tarifbindung, der Entstehung tarif- und mitbestimmungsfreier Zonen oder der Ausweitung prekärer Beschäftigungsformen. Dem entgegen steht die wichtige Rolle von Gewerkschaften und Betriebsräten bei der Bewältigung der Auswirkungen der Finanzmarktkrise sowohl mit Blick auf fiskal- und wirtschaftspolitischen Maßnahmen der Bundesregierung als auch hinsichtlich innovativer tarifpolitische Lösungen zur Reduzierung von Arbeitszeiten sowie schließlich der betrieblichen Organisation von Kurzarbeit, dem Abbau von Zeitguthaben auf Arbeitszeitkonten oder der Vereinbarung kollektiver Arbeitszeitverkürzungen im Rahmen betrieblicher Beschäftigungsbündnisse.
Fragestellung
Im Forschungsprojekt wurden die Entwicklungen der Sozialpartnerschaft in und nach der Krise eingehend beleuchtet. Besonderes Augenmerk lag auf den Veränderungen von Deutungsmustern, Machtressourcen und Normen, die von den Akteuren der Sozialpartnerschaft als Regeln und Ressourcen in ihren Austauschbeziehungen genutzt werden. Dabei wurde davon ausgegangen, dass sich sozialpartnerschaftliche Beziehungsmuster durch eine Schnittmenge gemeinsamer Deutungen und Interessen, durch eine relativ ausgeglichene Verteilung der Machtressourcen und durch stabile Arbeits- und Interaktionsnormen auszeichnen. Konkret standen in der Analyse drei Fragen im Vordergrund:
1. wie sich die Rückkehr der Sozialpartnerschaft in der Krise vollzogen hat;
2. wie die Rückkehr der Sozialpartnerschaft in der Finanzmarktkrise vor dem Hintergrund ihres langfristigen Bedeutungsverlustes zu bewerten ist;
3. welche Erneuerungsperspektiven für die Sozialpartnerschaft bestehen.
Untersuchungsmethoden
Die Studie beruhte methodisch auf drei Säulen: der Literaturstudie, der Internetrecherche und der Auswertung der eigenen Forschungserfahrungen für das Projektvorhaben. Das Arbeitsprogramm teilte sich in zwei Schwerpunkte auf. Der erste Schwerpunkt bestand in der Vervollständigung des Literaturüberblicks und der Internetrecherche zu aktuellen Entwicklungen. Zweiter Arbeitsschritt war die Abfassung des Papiers.
Darstellung der Ergebnisse
- Die Sozialpartnerschaft hat entscheidend zum deutschen "Beschäftigungswunder" in der Krise beigetragen. Gewerkschaften und Betriebsräte haben konjunkturfördernde Maßnahmen durchgesetzt, die interne Flexibilität der Unternehmen stark erhöht und Entlassungen begrenzt. Die Unternehmen haben in der Krise ihre Kernbelegschaften gehalten und dafür erhebliche Einbrüche bei der Arbeitsproduktivität hingenommen.
- Allerdings vollzog sich diese "Rückkehr der Sozialpartnerschaft" vor dem Hintergrund einer langfristigen Erosion ihrer Fundamente. Der Staat schwächt durch Förderung eines Niedriglohnsektors sowie durch Privatisierung und Liberalisierung sozialpartnerschaftliche Arbeitsnormen, der Geltungsbereich der Tarifautonomie nimmt kontinuierlich ab und die Unternehmen stellen im Zeichen straffer Renditesteuerung Tarifnormen, sozialpartnerschaftliche Deutungsmuster und eingespielte Machtverteilungen in Frage.
- Voraussetzung einer langfristigen Stabilisierung der Sozialpartnerschaft ist daher die Revitalisierung der Interessenvertretungen. Dafür finden sich erste Ansatzpunkte wie eine Orientierung auf Mitgliedergewinnung und beteiligungsorientierte betriebs- und tarifpolitische Konzepte.