Forschungsprojekt: Ausländische Pflegekräfte in Privathaushalten

Projektziel

Die irregulären Beschäftigungsverhältnisse osteuropäischer Pflegekräfte in Privathaushalten und ihre Einbettung in zwischenmenschliche Beziehungen werden beschrieben, die Perspektiven der Beteiligten aufeinander bezogen, Strukturen herausgearbeitet und sozialethisch vertretbare politische Vorschläge identifiziert.

Projektbeschreibung

Kontext

Der Bedarf der Privathaushalte an bezahlbaren pflegerischen Dienstleistungen und damit an Fachkräften in der Pflege ist in den letzten Jahren erheblich gestiegen und wird in den kommenden Jahrzehnten weiter zunehmen. Zu den wesentlichen dynamischen Faktoren zählen die Verschiebung des Altersaufbaus der Gesellschaft und die steigende Erwerbspartizipation von Frauen bei bleibend geringer Partizipation der Männer an der Haushaltsarbeit. In den Gesundheitsdienstberufen liegt der Anteil der Beschäftigten mit Migrationserfahrung weit über dem Durchschnitt der Gesamtwirtschaft. Seit einigen Jahren werden in deutschen Haushalten zunehmend ausländische, vor allem osteuropäische Pflegekräfte beschäftigt, die als Pendelmigrantinnen leben. Auch, wenn es sich nicht um Schwarzarbeit handelt, unterscheidet sich diese Erwerbsarbeit, die als 24-Stundenpflege in einem Live-In-Arrangement umgesetzt wird, sehr deutlich von den in Deutschland üblichen Arbeitsverhältnissen.

Fragestellung

Ziel des Projektes ist es, zu einer Vertiefung des Problemverständnisses und zur Suche nach Reformpfaden beizutragen. Als empirische Grundlage sollen das komplexe Bündel von Motiven für das irreguläre Beschäftigungsverhältnis, Interaktionsketten und institutionellen Arrangements sichtbar gemacht werden. Einerseits werden das Beschäftigungsverhältnis und seine vertragliche Ausgestaltung untersucht. Hier geht es um die Arbeits(vertrags)bedingungen, die Motive der Beteiligten, dieses Beschäftigungsverhältnis einzugehen, ihre Wahrnehmung der Irregularität sowie die Auswirkungen des Live-In-Arrangements auf das Arbeitsverhältnis. Zum anderen werden die zwischenmenschlichen Beziehungen, in die die Pflegearbeit eingebettet ist, in den Blick genommen. Hier wird nach der menschlichen Gestaltung des Pflegeprozesses, der Zufriedenheit der Beteiligten und nach ihrer Fähigkeit, die anderen als eigenständige Personen wahrzunehmen und sich in sie hinein zu versetzen, gefragt.

Untersuchungsmethoden

In vier ausgewählten Haushalten von Pflegebedürftigen wurden jeweils der zuständige Angehörige, die Pflegekraft und - sofern möglich - die Pflegebedürftige befragt. Zur Anwendung kam ein integrativer Methodenmix. Im Rahmen des qualitativen Paradigmas wurden offene, durch einen modifizierten Leitfaden (holistische Befragungsmap) gestützte Probleminterviews geführt. Ergänzt wurde dies durch eine Rekonstruktion der egozentrierten Netzwerke und quantitative Fragen. Letztere wurden mittels generierter Vergleichsgruppen aus repräsentativen Primärdaten kontextualisiert (sekundäranalytisch-adaptive-Kontextualisierung) und bilden zusätzlich die Grundlage für Indikatoren, mit deren Hilfe die Empathiefähigkeit eingeschätzt wird. In der Studie werden die Sichtweisen mehrerer Personen rekonstruiert und aufeinander bezogen. Dabei wird auch untersucht, wie die anderen Beteiligten bestimmte Sachverhalte und Probleme einschätzen und wahrnehmen.

Darstellung der Ergebnisse

- Das ambulante Pflegesetting entspricht dem Wunsch der Pflegebedürftigen. Reguläre Pflegearbeit ist aus Sicht der Beteiligten nicht finanzierbar. Das Einkommen der Pflegekräfte liegt zwischen 1.000 EUR und 1.350 EUR.

- Keiner Pflegekraft wird in jeder Woche eine Ruhezeit von mindestens 24 Stunden eingeräumt.

- Obwohl ohne formale Pflegequalifikation, erhalten die Pflegekräfte von den Angehörigen nur Bestnoten für die Pflegequalität. Die Beteiligten sehen in der irregulären Pflege zumeist eine Win-Win-Situation und nehmen die Irregularität nicht als Problem wahr.

- Zugleich zeigt sich jedoch, dass die hohe Prekarität die Arbeitnehmerinnen zu einer beinahe vollständigen Ergebenheit gegenüber den Arbeitgebern zwingt. Zwei Pflegekräfte verweisen auf einen inneren Konflikt zwischen der Verantwortlichkeit für das Wohlergehen der betreuten demenzkranken Person und einer - für den Erhalt des Wohlwollens ggf. notwendigen - Nachgiebigkeit gegenüber deren problematischen Augenblickswünschen.

- Die fast vollständige Okkupation des Alltags in den Phasen der Pflege bedingt bei den Erwerbstätigen häufig das Gefühl, nur in den Phasen außerhalb des Pflegesettings wirklich zu leben.

Projektleitung und -bearbeitung

Projektleitung

Prof. Dr. Bernhard Emunds
Oswald von Nell-Breuning-Institut für Wirtschafts- und Gesellschaftsethik
der Phil.-Theol. Hochschule Sankt Georgen
emunds@sankt-georgen.de

Bearbeitung

Uwe J. Schacher
Oswald von Nell-Breuning-Institut für Wirtschafts- und Gesellschaftsethik
der Phil.-Theol. Hochschule Sankt Georgen
schacher@sankt-georgen.de

Kontakt

Dr. Eike Windscheid-Profeta
Hans-Böckler-Stiftung
Forschungsförderung
eike-windscheid@boeckler.de

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