Projektbeschreibung
Kontext
Das Projekt knüpfte an die Diskussion um veränderte gesellschaftlich-politische Rahmenbedingungen für Gewerkschaftsarbeit an. Danach sind insbesondere die traditionellen Industriegewerkschaften herausgefordert, angesichts sich verändernder Branchen-, Tarif- und Beschäftigtenstrukturen auf die vor allem mit Mitgliederschwund und mit arbeitspolitischen Einflussverlusten verbundenen Probleme der gewerkschaftlichen Repräsentation zu reagieren. Auch in der wissenschaftlichen Diskussion wird immer wieder darauf hingewiesen, dass in der Gewerkschaftsforschung Untersuchungsperspektiven der sich mit Macht und Herrschaft in ihren sozialen Kontexten befassenden politischen Soziologie kaum präsent sind. Insofern ist das Projekt ein Versuch, mit dem in der Tradition der hannoverschen politischen Soziologie stehenden Ansatz einer auf die Praxis der sozialen Akteure ausgerichteten regionalen und sozialstrukturellen Milieuanalyse das Feld der Gewerkschaftsforschung zu ergänzen.
Fragestellung
Im Mittelpunkt des Projekts stand die Frage nach den grundlegenden Beziehungsdimensionen, in denen sich die Akteure einer traditionellen Industriegewerkschaft in ihrer alltäglichen Arbeit vor Ort bewegen. Analysiert wurden typische Verhaltens- und Konfliktmuster, die im Feld der Gewerkschaft Nähe- und Distanzbeziehungen zur eigenen Organisation beeinflussen und die darüber hinaus auch die Handlungsorientierungen der gewerkschaftlichen Akteure in den übrigen von der Gewerkschaft zu bearbeitenden Feldern der Wirtschaft, der Politik, der Alltagskulturen vor Ort und der anderen Gewerkschaften beeinflussen und kennzeichnen.
Untersuchungsmethoden
Methodologisch bedeutete dies, zunächst die Voraussetzungen und Bedingungen gewerkschaftlicher Arbeit regionalspezifisch in ihren Traditionen und Brüchen in den jeweiligen Handlungsfeldern zu untersuchen. Auf der Grundlage von Experteninterviews, Gruppendiskussionen, teilnehmenden Beobachtungen, Feldbegehungen, Dokumentenanalysen und Analysen der regionalen Wirtschafts- und Sozialstatistik wurden drei umfangreiche Regionalanalysen durchgeführt. Die zweite Untersuchungsebene richtete sich auf die Beziehungsdimensionen der im gewerkschaftlichen Feld wirksamen Verhaltensorientierungen gewerkschaftlicher Akteure. Die Analyse (Gruppendiskussion und Einzelinterviews) der Handlungsdispositionen der Akteure und ihrer Mentalitäten bzw. Habitusmuster unter Einbeziehung ihrer jeweiligen Ressourcen, die in den gewerkschaftlichen Handlungsfeldern von ihnen eingesetzt werden, zielte auf die Identifizierung spezifischer praktischer Problemzusammenhänge gewerkschaftlicher Arbeit.
Darstellung der Ergebnisse
Die Ausgestaltung gewerkschaftlicher Akteursbeziehungen auf betrieblicher Ebene ist entscheidend von den Verhaltensdispositionen und Ressourcen der jeweiligen Akteursgruppen gekennzeichnet. Sie repräsentieren die sozialen Bedingungen der Mitgliederentwicklung und -bindung, die sich immer nur dann als erfolgreich erweisen, wenn Vertrauen bzw. soziales Kapital zwischen Hauptamtlichen, Betriebsräten und Vertrauensleuten aufgebaut werden kann. Klassenkulturell bedingte und insbesondere politisch überformte wechselseitige soziale Verkennungen zwischen den Akteursgruppen fördern bestehende Vorbehalte potenzieller Gewerkschaftsmitglieder. Sofern diese Konfliktdimensionen vor Ort offensiv reflektiert und kommuniziert werden, wächst das Interesse an Beteiligung in der Gewerkschaft. So ist es sinnvoll, die jeweils spezifischen sozialen Bedingungen der Mitgliederentwicklung in gewerkschaftlicher Praxis und in der Forschung stärker zu berücksichtigen. Erst mit Blick auf milieuspezifische Handlungsdispositionen, ungleiche Ressourcenausstattung und regional unterschiedliche Umfeldbedingungen werden typische Konfliktdimensionen zwischen gewerkschaftlichen Akteuren verständlich und beeinflussbar.