Projektbeschreibung
Kontext
Die Agenda 2010 stellt den strategischen Ansatz zur Erreichung der Ziele der Lissabon-Strategie dar. Diese verfolgt das strategische Ziel der Konvergenz der nationalen Sozialsysteme. Die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit der EU soll verbessert und dafür europäische Verfahren sozialen Schutzes entwickelt werden. Diese sollen sich an den Modi "Investitionen in Menschen" und "aktivierende Sozialpolitik" ausrichten. Die Anpassung der mitgliedstaatlichen Wohlfahrtsstaatsinstitutionen an die Idee eines erneuerten europäischen Sozialmodells soll mittels der neuen Form des sozialpolitischen Regierens in der EU auf nationalstaatlicher Ebene herbeigeführt werden. Entsprechend sind nationales und supranationales Regieren nun miteinander verzahnt. Welche Konsequenzen diese neue Form des sozialpolitischen Regierens für die inhaltliche Ausgestaltung von Sozialpolitik mit sich bringt, bedarf der Analyse. Der Politikprozess zum Hartz-IV-Gesetz dient als Fallbeispiel.
Fragestellung
Geprüft wird, ob sozialstaatliches Policy-Making im europäischen Mehrebenensystem stattfindet. Gefragt wird, ob - und wenn wie - zwei, in der Forschungslandschaft bislang separat von einander betrachtete Politikprozesse miteinander verschränkt sind. D.h., wie der Politikprozess eines ausgewählten Politikbereiches, in dem die MOK zur Anwendung kommt - hier der Politikbereich "Bekämpfung von Armut und soziale Ausgrenzung" -, mit einem nationalen Politikprozess, der zu einem Institutionenwandel führte, und zudem im Rahmen des ausgewählten Koordinierungsbereichs thematisiert wird - hier das Hartz-IV-Gesetz -, verknüpft ist. Des Weiteren wird gefragt, ob und wenn wie sich nationale Politikprozesse durch die Einführung der sozialpolitischen EU-Koordinierung verändern. Die Ergebnisse der Analyse werden daraufhin genutzt, um (a) zu prüfen, ob neue Strukturen der Interessenvertretung notwendig werden und (b) Forschungsperspektiven für die
Untersuchungsmethoden
Die chronologische Rekonstruktion des Politikprozesses erfolgt mittels Zeitungs- und Dokumentenanalyse. Zur Anwendung kommt die inhaltsanalytische Diskursanalyse. Beachtung finden insbesondere bundesdeutsche Zeitungsartikel, Bundestags- und Bundesratsdokumente, aber eben auch Texte, die im Kontext des EU-Koordinierungsbereichs "Armut und soziale Ausgrenzung" auf nationalstaatlicher und supranationaler Ebene produziert wurden.
Darstellung der Ergebnisse
Die Rekonstruktion des Politikprozesses zum Hartz-IV-Gesetz lässt hervortreten, dass seine Agenda Gestaltung in einem horizontal und vertikal vernetzten Spiel zwischen den einzelnen Ebenen des europäischen Mehrebenensystems stattfand. Festzustellen ist, dass sozialstaatliches Policy-Making auf ebenenübergreifende Weise im europäischen Mehrebenensystem stattfindet, ein Wandel der nationalstaatlichen Polity-Strukturen zu verzeichnen ist und sozialstaatliches Policy-Making in der BRD dem übergeordneten Ziel der Generierung eines europäischen Wohlfahrtsstaatssystems mit föderaler Struktur untergeordnet ist. Deutlich tritt hervor, dass effektive politische Einflussnahme auf die nationalstaatlich verankerte Wohlfahrtspolitik nur noch über die europäische Ebene und national durch die Teilnahme an der Gestaltung der Nationalen Aktionspläne (MOK-Prozesse) erfolgen kann. Zur Validierung der Ergebnisse der Fallstudie sind politikfeld- und ländervergleichende Forschungsarbeiten induziert.