Projektbeschreibung
Kontext
Die europäische Schiffbauindustrie erlebt seit dem Jahr 2003 einen Auftragsboom, der auf vielen Werften die Beschäftigung bis über das Jahr 2012 hinaus sichert. Somit bliebe ausreichend Zeit, sich auf den prognostizierten Auftragsrückgang im Weltschiffbau gegen Ende dieser Dekade vorzubereiten.
Darüber hinaus muss der europäische Schiffbau drei weiteren zentralen Herausforderungen begegnen:
- Erstens werden vor allem in Südostasien (nicht nur in China, sondern auch in Vietnam, Indien und den Philippinen) neue Produktionskapazitäten aufgebaut, die in absehbarer Zeit zu deutlichen Überkapazitäten im Weltschiffbau führen werden.
- Zweitens wird besonders in China und Südkorea der Schiffbau in vielfältiger Weise subventioniert, sodass es auch dadurch zu Wettbewerbsverzerrungen kommt.
- Drittens drängen die dominierenden Schiffbaunationen Südkorea, Japan und China in Schiffssegmente vor, in denen bislang die europäischen Werften führend sind.
Fragestellung
Sowohl die theoretische Anlage der vorliegenden Untersuchung als auch die empirische Vorgehensweise konzentrierte sich auf fünf inhaltliche Schwerpunkte:
1. Aufschlüsselung der Strukturen (Wirtschaftsstruktur und Beschäftigungsentwicklung, Weltmarktkonkurrenz und regionale Standorte) der Schiffbauindustrie;
2. Europäische Werftenkooperation (horizontal und vertikal);
3. Arbeits- und Betriebsorganisation und deren Auswirkungen auf Qualifikationsstruktur der Arbeitnehmer, Personalpolitik der Werften;
4. Entwicklung der Arbeitsbeziehungen auf den Ebenen der Werften und auf europäischer Ebene;
5. Europäische Schiffbaupolitik: Erweiterungsprozess der EU und Schaffung eines gemeinsamen europäischen Schiffbau(maritimen Wirtschafts-)raums
Untersuchungsmethoden
Die sekundär-empirische Analyse umfasst die aus offiziellen Quellen und "grauer" Literatur gespeisten Daten zur Entwicklung des Seehandels und der Handelsschiffbaukapazitäten sowie die Struktur der Neubauaufträge der Jahre 2002 bis 2006 als Rahmenbedingungen des europäischen Schiffbaus.
Die primär-empirischen Analysen umfassen als einen ersten Teil die Totalbefragung aller (rund 240) europäischen Seeschiffs-Werften (Handels- und Marineschiffbau sowie Reparaturwerften) (mit Ausnahme der russischen und ukrainischen Werften). Die Fragebögen (getrennt nach Management und Interessenvertretungen) wurden im Rahmen des EU Sozialdialogs Schiffbaus zusammen mit den Sozialpartnern entwickelt und in alle Landessprachen übersetzt (insgesamt umfasste die Untersuchung 20 europäische Länder).
Ein zweiter Teil der primär-empirischen Erhebungen beinhaltete drei qualitative, insgesamt 13 Werften bzw. Werftgruppen umfassende Fallstudien zu Container-, Kreuzfahrt- und Marineschiffbau.
Darstellung der Ergebnisse
- Eine strategische Kooperation innerhalb der europäischen Werftindustrie findet lediglich innerhalb Westeuropas statt und geht weit über das reine Outsourcing von einfachen Arbeiten hinaus, welches das zentrale Motiv bei der Kooperation Westeuropas mit Mittel-/Osteuropa ist.
- Die Initiativen Intership und Euroyards sind erste gute Ansätze zur Verbesserung einer intensivren Kooperation, doch sie reichen bei weitem nicht aus. Erforderlich ist der Aufbau einer belastbaren Vertrauenskultur.
- Auf europäischer Ebene hat die Industrie mit Unterstützung der Gewerkschaften die industriepolitische Initiative Leader-Ship 2015 (CESA 2003) angestoßen, die erstmals die bis dahin nationalstaatlichen Schiffbaupolitiken zu überwinden sucht. Es bleibt aber abzuwarten, ob die verbleibende Zeit ausreicht, nachhaltige Kooperationsstrukturen in den einzelnen Ländern zu entwickeln.
- Vielversprechend erscheint der im Jahr 2003 ins Leben gerufene EU Sektorale Soziale Dialog Schiffbau. Die gemeinsame Arbeit der Arbeitgeberverbände und der Gewerkschaften in diesem Gremium ermöglicht vor allem die Generierung eines gemeinsamen Verständnisses des europäischen Schiffbaus.