zurück
Magazin Mitbestimmung

Die Fragen stellte ANNETTE JENSEN: „Wir sorgen für höhere und gerechtere Löhne“

Ausgabe 03/2018

Interview Was tun die Gewerkschaften, um die Entgeltlücke zu schließen und um Transparenzgebote und Prüfverfahren weiter zu verankern? Zum Weltfrauentag fragen wir Elke Hannack, stellvertretende DGB-Vorsitzende.

Die Fragen stellte ANNETTE JENSEN

Seit 100 Jahren gibt es das Frauenwahlrecht in Deutschland – immerhin. Zugleich ist Lohngleichheit in weiter Ferne, liegt der Gender Pay Gap bei 21 Prozent. Wann sind wir so weit, dass gleiche Lohnbedingungen für Frauen und Männer in Deutschland herrschen?

Für Prognosen ist die Zeit leider noch nicht reif. Wir haben einen verfestigten Gender Pay Gap von rund 21 Prozent und seit Jahren tut sich so gut wie nichts. Wir sind immer noch auf der Ebene der Bewusstseinsbildung; bestes Beispiel ist das Entgelttransparenzgesetz. Dabei geht es vor allem um einen Mentalitätswandel: Jetzt ist politisch ausdrücklich erwünscht, dass Kolleginnen individuell nachfragen können, was sie im Vergleich zu einer männlichen Beschäftigtengruppe verdienen. Doch selbst wenn in Betrieben mit mehr als 200 Beschäftigten viele Frauen diesen Anspruch einlösen, erreichen wir bestenfalls Transparenz. Von Lohngerechtigkeit sind wir dann immer noch meilenweit entfernt.

Um die Lage zu ändern, müssen im Prinzip viele Hebel gleichzeitig bewegt werden. Welche nächsten Schritte erscheinen Ihnen am wichtigsten? Was kann hierbei das Entgelttransparenzgesetz bewirken?

Erstmal muss das Recht auf befristete Teilzeitarbeit kommen. Laut Entwurf des Koalitionsvertrags soll es in Unternehmen mit mehr als 45 Beschäftigten eingeschränkt gelten. Erst bei mehr als 200 Beschäftigten soll es ein volles Recht auf befristete Teilzeit geben. Das ist nicht akzeptabel und hier muss die neue Bundesregierung nacharbeiten, damit alle Frauen und Männer die Möglichkeit haben, ihren Rechtsanspruch einzulösen.

Aber auch die Möglichkeiten des Entgelttransparenzgesetzes gilt es zu nutzen. Wir konnten zwar nicht durchsetzen, dass Unternehmen zu betrieblichen Prüfverfahren verpflichtet werden. Aber ich setze auf den Druck der Betriebsräte, dass solche Prüfverfahren durchgeführt werden.

Was sollten die Gewerkschaften 2018 in diesem Sinne konkret tun?

Unsere Mitgliedsgewerkschaften kämpfen seit vielen Jahren gegen die Entgeltlücke und sind dabei erfolgreich: In Betrieben mit Tarifvertrag und einem Betriebsrat, der dessen korrekte Anwendung kontrolliert, ist die Entgeltlücke deutlich geringer. Wir sorgen also nicht nur für höhere, sondern auch gerechtere Löhne, zum Beispiel mit der IG-Metall-Initiative „Auf geht’s – faires Entgelt für Frauen“ oder der „Initiative Lohngerechtigkeit“ der NGG. Die NGG wird mit dem Prüfinstrument eg-check Tausende ihrer Tarifverträge auf Diskriminierungspotential untersuchen, um Lohnungerechtigkeiten gegebenenfalls zu beseitigen und alle neuen Tarifverträge diskriminierungsfrei abschließen zu können.

Wie schätzen Sie die Offenheit der Männer innerhalb der Gewerkschaften ein, den Gender Pay Gap zu schließen?

Die Männer und Frauen der DGB-Gewerkschaften haben eine klare Beschlusslage: Wir wollen mit Hilfe betrieblicher Prüfverfahren unmittelbare und mittelbare Diskriminierung erkennen und beseitigen. Wir sollten beim Thema Gender Pay Gap auch keinen Interessengegensatz zwischen den Geschlechtern konstruieren. Keinem Mann soll etwas weggenommen werden. Aber Frauen sollen bekommen, was ihnen zusteht. Lohngerechtigkeit sollte eine Selbstverständlichkeit sein.

Digitalisierung ist das Megathema. Welche Rolle hat das auf der Bundesfrauenkonferenz im November gespielt und was bedeutet die digitale Arbeitswelt speziell für Frauen?

Wir haben das Thema intensiv auf der Bundesfrauenkonferenz diskutiert. So fordern wir realistische Einschätzungen, wie sich Berufe im Digitalisierungsprozess verändern. Berufsfelder etwa im Einzelhandel oder in der Büroorganisation, in denen viele Frauen arbeiten, sind ja besonders betroffen. Auf dieser Grundlage können wir dann gestalten und das Beste für die Kolleginnen herausholen – bei Weiterbildung, Mitbestimmung und fairer Bezahlung. Aber wir brauchen auch klare Regeln für mobiles Arbeiten und Homeoffice. Wenn moderne Technik Frauen und Männern mehr Zeit und mehr Freiheit bringen soll, müssen auch Erwerbsarbeit und Familienpflichten zwischen den Geschlechtern besser aufgeteilt werden.

ZUR PERSON

Elke Hannack, 56, ist im DGB-Vorstand zuständig für Frauen- und Gleichstellungspolitik, Bildung und öffentlichen Dienst. Die DGB-Vize ist studierte Theologin und Merkel-Vertraute. Auf dem DGB-Bundeskongress 2014 wurde sie mit 88 Prozent gewählt, dem besten Ergebnis, das ein Vorstandsmitglied aus der CDU je hatte. 2018 wird sie wieder antreten. Elke Hannack ist auch Vorsitzende des Kuratoriums der Hans-Böckler-Stiftung.

Aufmacherfoto: Rolf Schulten

Zugehörige Themen

Der Beitrag wurde zu Ihrerm Merkzettel hinzugefügt.

Merkzettel öffnen