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Angelika Franzke, stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende bei der Carl Zeiss AG in Oberkochen Magazin Mitbestimmung

Kurzporträt: Wir bestimmen mit

Ausgabe 02/2021

Angelika Franzke ist stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende bei der Carl Zeiss AG in Oberkochen

Zur Mitbestimmung kam Angelika Franzke eher unbeabsichtigt, vielleicht auch weil es bei ihr in der Familie lag. Schon ihr Großvater war Betriebsratsvorsitzender bei Carl Zeiss in Oberkochen, und auch ihr Vater vertrat die Interessen der Beschäftigten dort. So begann sie nach der Schule eine kaufmännische Ausbildung bei Zeiss und entschied sich nach ihrem Abschluss unter verschiedenen Angeboten für eine Assistenzstelle beim Betriebsrat. „Weil es die interessanteste und vielfältigste Stelle war, nicht weil es der Betriebsrat war“, sagt Angelika Franzke. Erst mit der Arbeit für den Betriebsrat wuchs ihr Wunsch, sich selbst für andere starkzumachen.

1998 trat sie zur Betriebsratswahl an und wurde gewählt. Seit 2015 vertritt sie die Arbeitnehmerseite im Aufsichtsrat, seit Ende 2020 als stellvertretende Vorsitzende. Als Frau in einem Unternehmen mit vielen MINT-Berufen, also Jobs im mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich, will sie vor allem Frauen für diese Arbeit gewinnen und fördern. „Wir suchen händeringend Fachkräfte“, sagt die 48-Jährige, „vor allem Physikerinnen, Informatikerinnen und Mechatronikerinnen.“ Aber es gibt viel zu wenig Bewerberinnen für die derzeit 600 offenen Stellen bei Zeiss auf der Ostalb.

Dabei engagiert sich die Konzernbetriebsratsvorsitzende seit vielen Jahren in der Frauenförderung. Bei Zeiss gibt es ein Mentoringprogramm, das etwa Studentinnen Einblicke ins Arbeitsleben gibt, und Projekte an Schulen und Kindertagesstätten. „Wir müssen das Interesse für Naturwissenschaft schon bei den Kleinsten wecken“, sagt Angelika Franzke. Ein Girls’ Day mitten in der Pubertät reicht nicht.

Für Führungsaufgaben müsste Frauen mehr Mut zugesprochen werden. „Wir Frauen machen uns zu viele Gedanken, ob wir das alles unter einen Hut kriegen. Männer sagen meist: Das will ich, das mach ich.“ Angelika Franzke spricht aus eigener Erfahrung. Sie hatte sich selbst nie in der Position als Konzern-, Gesamt- und Betriebsratsvorsitzende gesehen. Erst der Zuspruch anderer ermutigte sie zu diesem Schritt.

Zuspruch erhielt sie auch privat, etwa als sie 2019 ein Studium begann, neben ihren Aufgaben als Konzernbetriebsratsvorsitzende, Aufsichtsrätin, Mitglied des Ortsvorstands der IG Metall Aalen und ehrenamtliche Richterin am Landesarbeitsgericht Stuttgart. „Mein Mann ist selbst stellvertretender Betriebsratsvorsitzender. Privat teilen wir uns die Arbeit “, sagt die Mutter eines 17-jährigen Sohnes.

In ihrem Bachelorstudium Business Administration, Personal und Recht an der Acadamy of Labour befasst sie sich unter anderem mit Unternehmensführung und Personalmanagement. „Ein ganzheitlicher Blick ist für viele Entscheidungen wichtig, die wir als Aufsichtsräte treffen müssen.“ Sie will sich mit ihrer Arbeit nicht profilieren, ihr geht es um Beteiligung und gleichberechtigtes Aushandeln der Interessen. Vieles muss neu geregelt werden: digitale Lernformen, mobile Arbeit, neue, agile Arbeitsmethoden. „Wir müssen die Kolleginnen und Kollegen in der Produktion dabei mitnehmen. Auch sie dürfen den digitalen Anschluss nicht verlieren.“

Angelika Franzke wuchs in Oberkochen auf und wohnt nur wenige Gehminuten von ihrem Arbeitgeber entfernt. Vor allem als berufstätige Mutter wusste sie die kurzen Wege immer zu schätzen.

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