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Kerstin Meißner, Aufsichtsrätin bei SSP The Food Travel Experts Deutschland Magazin Mitbestimmung

Aufsichtsrätin: Wir bestimmen mit

Ausgabe 06/2020

Kerstin Meißner, Aufsichtsrätin bei SSP The Food Travel Experts Deutschland. Von Fabienne Melzer

In ihrem Beruf, dachte Kerstin Meißner immer, könne ihr nichts passieren. Gegessen und getrunken werde doch immer, und reisen würden die Menschen auch immer. So dachte die gelernte Köchin, bis Anfang des Jahres die Corona-Pandemie kam. Das Unternehmen SSP Deutschland, dessen Gesamtbetriebsrat Kerstin Meißner vorsitzt und in dessen Aufsichtsrat sie mitbestimmt, betreibt in Deutschland Backshops, Fast-Food-Ketten und Cafés an Bahnhöfen, Flughäfen und Raststätten. Ende Oktober, bevor das Leben erneut heruntergefahren wurde, hatten 85 Prozent der Läden geöffnet, zum Teil mit verkürzten Öffnungszeiten. Doch der Umsatz brach stärker ein. Viele Menschen sind verunsichert, reisen seltener und konsumieren weniger, wenn sie unterwegs sind. „Die Ungewissheit, wie es weitergeht, macht den Beschäftigten sehr zu schaffen“, sagt Kerstin Meißner.

Aus ihrer Geburtsstadt Leipzig ist sie nie weggezogen. Nur einmal, kurz nach der Wende, hätte es sie fast nach Köln verschlagen. Ihr Mann machte ein Praktikum bei Ford. Doch dann entschieden sich beide gegen das Rheinland, auch wenn ihr Köln damals gut gefallen hätte.

Gelernt hat Kerstin Meißner Köchin. 1982 fing sie ihre Ausbildung bei der Mitropa in Leipzig an. „Wir haben für alle Lokale produziert, gefühlt habe ich schon in jeder Ecke des Leipziger Bahnhofs verkauft.“ Seit 38 Jahren arbeitet die 54-Jährige in dem Unternehmen, das zu DDR-Zeiten der alleinige Betreiber von Gastronomie an Bahnhöfen und Raststätten war. Als Kerstin Meißner im Februar 1990 aus der Elternzeit an ihren Arbeitsplatz zurückkehrte, war nichts mehr wie ein paar Jahre zuvor. „Alles war im Umbruch, im Bahnhof gab es plötzlich Konkurrenten.“ 

In dieser Zeit fing sie an, sich für ihre Kolleginnen und Kollegen zu engagieren, kandidierte für den Betriebsrat und wurde 1994 zur Vorsitzenden gewählt. „Als Betriebsrätin kann ich mitgestalten, das war mir wichtig“, sagt Kerstin Meißner. 2002 fragten Gewerkschaftskollegen der NGG, ob sie sich die Arbeit im Aufsichtsrat zutraue. Sie traute sich.

Sich zu Wort melden, die eigene Meinung vertreten, das fiel Kerstin Meißner anfangs nicht leicht. Geholfen hat ihr eine Weiterbildung zur Fachwirtin Gastgewerbe. „Das betriebswirtschaftliche Wissen war Futter für meine Arbeit als Aufsichtsrätin.“ Ihre Position vertritt sie selbstbewusst. „Wir arbeiten in einem Niedriglohnsektor, unser Unternehmen wird hart nach Kennzahlen gesteuert, das Management schaut stark auf die Produktivität. Da ist es mir wichtig, immer wieder darauf hinzuweisen, was das mit den Beschäftigten macht.“ In der Pandemie vermisst sie den persönlichen Austausch: „In einer Videokonferenz diskutiert man weniger.“

Dabei erlebt Birgit Weiland, Betreuerin des Gesamtbetriebsrats von der NGG in Berlin, sie oft als ihr eigenes Gegenteil: „Während ich eher spontan und geradeheraus reagiere, hört Kerstin erst gut zu, überlegt und antwortet dann. Es gibt Menschen, die werten das als zurückhaltend. Ich nenne es diplomatisch.“ An Kerstin Meißner schätzt sie besonders ihre gute Vorbereitung. „Zu jeder Aufsichtsratssitzung hat sie einen Katalog an Fragen vorbereitet. Mit ihr ist der Platz im Aufsichtsrat sehr gut besetzt.“ Sie schätzt auch die politische Kerstin Meißner, die für eine Demo am Wochenende in den Zug von Leipzig nach Berlin steigt. „Wenn wir Verstärkung brauchen, ist auf sie immer Verlass.“

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