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Magazin Mitbestimmung

Brandenburg: Verflixte sieben Jahre

Ausgabe 10/2012

Seit Monaten kämpft die Gewerkschaft der Polizei gegen die Rentenpläne der rot-roten Landesregierung, die das Pensionsalter von 60 auf 67 erhöhen wollte. Jetzt scheinen die Politiker einzuknicken. Aber die Kommunikation ist noch immer gestört. Von Andreas Kraft und Kay Meiners

Die Verwirrung ist perfekt. Unter der Überschrift „Keine Rente mit 67 für Polizisten“ meldete Ende September der Rundfunk Berlin-Brandenburg: „Brandenburger Vollzugsbedienstete in Polizei, Justiz und Feuerwehr können künftig mehrheitlich im Alter von 60 bis 62 Jahren in den Ruhestand gehen. Damit sind nach heftigen Protesten die Pläne zur Erhöhung der Pensionsgrenze für diese Mitarbeiter von 60 auf 67 Jahre vom Tisch.“ Innenminister Dietmar Woidke (SPD) und Justizminister Volkmar Schöneburg (Linke) teilten mit, dass die Beschäftigten im mittleren Vollzugsdienstkünftig mit 62 Jahren in Pension gehen könnten. Für den gehobenen Dienst sollten 64 Jahre gelten und für den höheren Dienst 65. Sie begründeten das mit den „besonderen Belastungen“, denen die Kollegen ausgesetzt seien. Schon vorher hatte das Ministerium einen Brief an alle Mitarbeiter geschrieben. Es werde geprüft, ob die Altersgrenze für Beamte im Schicht- oder Streifendienst generell niedriger angesetzt würde. Also Ende gut, alles gut?

GDP GEGEN ROT-ROTE LANDESREGIERUNG

Auf der Website der Brandenburger GdP liest sich das anders – hier ist lediglich von einem „Schritt in die richtige Richtung“ die Rede. Was die Medien als beschlossene Sache ausweisen, bezeichnen die Gewerkschafter als „Eckpunkte eines neuen Vorschlags zur Gestaltung (Verlängerung) der Lebensarbeitszeit“. Sie erklären trotzig: „Damit ist die Diskussion für uns auf keinen Fall abgeschlossen.“ Der Konflikt tobt schon seit gut einem Jahr. Begonnen hat alles im August 2011 mit Gerüchten über ein internes Eckpunktepapier des Innenministeriums zur Anpassung der brandenburgischen Pensionsregeln an die Rente mit 67. Im Mai 2012 beschloss das Kabinett um Ministerpräsident Mathias Platzeck (SPD) dann, die Altersgrenze der meisten Polizeibeamten auf 67 Jahre anzuheben. Die GdP bezeichnete die Entscheidung in einer Pressemitteilung als „schallende Ohrfeige für die ohnehin durch Stellenabbau und Polizeireform arg gebeutelte Brandenburger Polizei“. Das Ministerium wies darauf hin, dass auch Krankenschwestern und Stahlarbeiter körperlich hart arbeiten müssen. Und: Das Land Brandenburg sei finanziell schwach. Seitdem organisiert die Gewerkschaft den Widerstand, sammelt Unterschriften. Beim Sommerfest der „Märkischen Allgemeinen Zeitung“, die in Potsdam erscheint, empfingen die Kollegen am 8. August die geladenen Gäste: „Willkommen im Land der Wortbrüchigen“, titelte das Plakat an der Zufahrt. Ministerpräsident Platzeck und Innenminister Woidke stellten sich immerhin der Diskussion mit den aufgebrachten Beamten. Doch beruhigen konnten sie sie nicht. „Ihre Argumente waren einfach nicht nachvollziehbar“, sagt Andreas Schuster, Landesvorsitzender der GdP. Der brandenburgische Arbeits- und Sozialminister Günter Baaske (SPD) soll nach Berichten von GdP-Mitgliedern zu Polizisten gesagt haben: „Euch geht es zu gut. Ihr müsstet bis 70 arbeiten!“ Bis heute fordert die GdP, in die Diskussion einbezogen zu werden.

Um ihre Schlagkraft zu erhöhen, kämpfen die Brandenburger zugleich beim Bund gegen die Rente mit 67 und im Land gegen die Pensionspläne für die Kollegen. Auf der Website der GdP findet sich ein Link zu einer Pressemeldung von Dagmar Enkelmann, Bundestagsabgeordnete der Linkspartei, die von der rot-roten Landesregierung eine Bundesratsinitiative fordert, um die „Erhöhung des Renteneintrittsalters bundesweit zurückzunehmen“. Sie schreibt: „Dass jetzt die Erhöhung des Pensionsalters für Polizistinnen und Polizisten zurückgenommen werden soll, ist ein erster, begrüßenswerter Schritt, der vor allem auf Druck der Linken zustande kam. Aber nicht nur für die Beschäftigten im Polizeidienst ist die Rente erst ab 67 sozialpolitischer Nonsens. Sie gehört für alle Berufsgruppen abgeschafft.“ Es ist diese Verquickung von Bundes- und Landespolitik, die für einige schrille Töne im Land gesorgt hat: Die Linkspartei fordert auf Bundesebene die generelle Abschaffung der Rente mit 67, auch in der SPD ist mit Blick auf die anstehende Bundestagswahl die Debatte um die Rente mit 67 wieder aufgeflammt. Will man da die eigenen Polizisten wirklich bis 67 schuften lassen? Offensichtlich wollte man.

EXTREME BELASTUNGEN

Solche Pläne zu begraben müsste doch das „ureigene Anliegen“ der Landesregierung sein, finden die Gewerkschafter. Doch die Landesregierung, die eigentlich ihr natürlicher Verbündeter sein sollte, war auf einmal der Feind. Die GdP wirft ihr „Sozial- und Personalabbau“ vor. Dass nun Bewegung in die Debatte gekommen ist, kann man durchaus als Erfolg verbuchen. Die Mobilisierung war hoch, denn den Plan der rot-roten Landesregierung, das Pensionsalter der Polizeibeamten anzuheben, sahen die Gewerkschafter nur als weiteren Affront in einer langen Reihe von Sparmaßnahmen. Künftig, so die Vision, würden Brandenburgs Polizisten nicht nur schlechter bezahlt als in fast allen anderen Bundesländern, sondern sie müssten auch länger arbeiten als die Kollegen. Die GdP ist davon überzeugt, dass kaum ein Polizist bis 67 arbeiten kann. Dafür seien die physischen und psychischen Belastungen einfach zu hoch. Der Polizeiberuf stelle auch "besondere körperliche Anforderungen" – etwa bei Festnahmen –, die von Älteren nicht generell erwartet werden könnten. Die Folge: Viele Kollegen müssten mit Abschlägen in Frühpension gehen.

Dafür spricht der schon jetzt hohe Krankenstand: Pro Polizist fallen im Schnitt jedes Jahr 33 Krankentage an. Die Gewerkschafter argumentieren, nicht umsonst gebe es die besondere Altersgrenze für Polizisten, die schon in den 1920er Jahren gesetzlich eingeführt wurde. Nach den Vorstellungen der GdP sollten Polizeibeamte länger arbeiten dürfen, wenn sie das selbst wollen, sie gesundheitlich dazu in der Lage sind und ein dienstliches Interesse besteht. „Wir haben der Landesregierung damals ein Paket vorgeschlagen, das den Gegebenheiten Rechnung trägt, den Beschäftigten Perspektiven eröffnet und dem Dienstherren eine höhere Planungssicherheit gibt“, sagt Schuster. Wie es nun weitergeht, ist offen. Die GdP erklärte vor Redaktionsschluss, sie wolle sich „zeitnah in ihren Gremien beraten“. 

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