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Magazin Mitbestimmung

Gute Arbeit: Strukturwandel nutzen: Arbeit aufwerten

Ausgabe 05/2019

Viele Beschäftigte fühlen sich durch den Wandel der Arbeitswelt verunsichert. 
Sie wissen nicht, was sie erwartet und rechnen mit dem Schlimmsten. Doch Veränderungen 
sind immer auch eine Chance, Arbeitsbedingungen zu verbessern – wenn man sie nutzt. Von Dorothea Voss, Leiterin der Abteilung Forschungsförderung der Hans-Böckler-Stiftung

Strukturwandel bedeutet nicht immer, dass Beschäftigte ihren Job wechseln müssen. Viel häufiger ändern sich die Anforderungen an ihren Arbeitsplatz. Die gegenwärtige Dynamik in Betrieben und am Arbeitsmarkt verunsichert viele Menschen. Doch wenn Arbeit sich verändert, öffnet sich auch ein Zeitfenster, sie neu und besser zu gestalten. Arbeitnehmervertreterinnen und -vertreter können strukturelle Veränderungen nutzen, um Arbeit aufzuwerten. 

Zu guter Arbeit gehören ganzheitliche Arbeitspakete, die Menschen fordern, ihre Kreativität und ihren Verstand. Dennoch gibt es Trends, Arbeit zu standardisieren und in immer kleinere Einzelpakete zu zerstückeln. Unternehmen, auch im Dienstleistungsbereich, versprechen sich davon mehr Effizienz. Doch das Gegenteil ist der Fall: Beschäftigte in sozialen Berufen wie der Pflege entfremden sich von ihrer Arbeit. 

Gute Arbeitsbedingungen lassen sich leichter einführen, wenn Arbeitsplätze neu eingerichtet oder umgestaltet werden. Hier sollten Arbeitnehmervertreterinnen und -vertreter ansetzen und darauf achten, dass mit den Änderungen etwa psychische und körperliche Belastungen abnehmen, Lernen am Arbeitsplatz gefördert wird und eben Aufgaben abwechslungsreich sind. Wenn Maschinen monotone Arbeiten übernehmen, können Beschäftigte sich auf die Fähigkeiten konzentrieren, die den Menschen von der Maschine unterscheiden – auf Kreativität und soziales Verhalten. 

Die bisherigen Erkenntnisse über den Strukturwandel zeigen, dass die Bedeutung fachlicher Kernqualifikation auch in Zukunft hoch sein wird. Beschäftigte werden zukünftig komplexere Prozesse planen und steuern. Dafür brauchen sie mehr Wissen über Produkte und ihre Herstellung. Für alle Berufe und Tätigkeiten werden EDV-Kenntnisse wichtiger und die Fähigkeit, zu kommunizieren und zu kooperieren. Genau diese psychosozialen Fähigkeiten sind traditionell chronisch unterbewertet und auch ein Grund für die große Gehaltslücke zwischen Frauen und Männern. 

Das Gebot der Stunde ist also: Beschäftigte entwickeln und ihnen eine Perspektive geben, ihre Kompetenzen ausbauen und verstärken. Das wird aber nur gelingen, wenn sich auch die Betriebe organisatorisch weiterentwickeln. Es gibt einen klaren Trend hin zu mehr Vernetzung zwischen Einheiten, Abteilungen und in Wertschöpfungsketten. Organisatorisch zeigt die Entwicklung in Richtung offenere Arbeitsstrukturen und die Zusammenarbeit in multiprofessionellen Teams, auch über Betriebsgrenzen hinweg. 

Von selbst wird Arbeit nicht aufgewertet, schon gar nicht ohne Beteiligung und Mitbestimmung. Arbeitnehmervertreterinnen und -vertreter müssen sich einmischen, wenn Prozesse neu organisiert werden, wenn es darum geht, ob die bestehende Belegschaft für die neuen Anforderungen qualifiziert werden kann und für welche Aufgaben neue Beschäftigte mit anderen Qualifikationen eingestellt werden sollen. Viele Betriebe wissen gar nicht, was ihre Beschäftigten können. Ungeachtet aller Unsicherheiten, wohin sich die Branche entwickelt, können sie schon heute bei dem vorhandenen Wissen ansetzen und Beschäftigte weiterqualifizieren. Betriebsräte sollten und können das einfordern.

Dafür sollte im Betrieb zunächst geklärt werden, über welche Qualifikationen und Kompetenzen die Beschäftigten verfügen, und diese Bestandsaufnahme den zukünftigen Anforderungen gegenüber gestellt werden. Sandra Hofmann vom WifOR Institut in Darmstadt sieht in den so entstehenden Ähnlichkeitsmatrizen die notwendige Voraussetzung, um für Beschäftigte Übergangspfade in die veränderte Arbeitswelt zu entwickeln. 

Nun könnte eingewendet werden, dass die zukünftige Struktur der Arbeitsplätze in vielen Betrieben noch gar nicht bekannt ist. Das kann mit Unsicherheiten zusammenhängen, die technologisch, politisch oder konjunkturell bedingt sind. Ebenso gibt es Arbeitgeber, die schlicht keine Strategie für den Strukturwandel haben. Dennoch können Mitbestimmungsakteure wichtige Förderer für die Beschäftigung von morgen sein.

Schon immer hat sich Arbeit im Strukturwandel verändert. Oft genug wurden Ältere früh verabschiedet, während die neuen Strukturen mit jüngeren Beschäftigten aufgebaut wurden. Aufgrund des demografischen Wandels wird diese Karte in der gegenwärtigen und zukünftigen Veränderung der Arbeitswelt immer weniger gezogen werden können. Umso wichtiger ist daher die Personal- und Organisationsentwicklung, die alle einbezieht und deren Grundorientierung und Ziel die Aufwertung von Arbeit ist.

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