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Magazin Mitbestimmung

: Macher gesucht

Ausgabe 07/2006

Arbeitsorientierte Berater stehen Gewerkschaften und Betriebsräten bei Personalabbau und Unternehmenskrisen zur Seite und erarbeiten tagtäglich Alternativszenarien. Wie sehen ihre eigenen Entwicklungsperspektiven aus?



Von Klaus Kost
Klaus Kost ist geschäftsführender Gesellschafter der PCG PROJECTCONSULT GmbH Prof. Dr. Kost & Collegen. Das arbeitsorientierte Consultingunternehmen, 1997 gegründet. PCG beschäftigt zur Zeit 32 Mitarbeiter an fünf Standorten in Deutschland. Zu PCG gehört eine Transfergesellschaft (www.bob-transfer.de) und ein Bildungsträger (www.iqruhr.de). Wir stellen den Artikel zur Diskussion - Kommentare bitte an redaktion@boeckler.de



Seit den 1980er Jahren hat sich in Deutschland eine Consultingszene aus arbeitnehmer- bzw. arbeitsorientierten Beratern herausgebildet. Diese Beratungslandschaft ist wenig professionalisiert und stark zersplittert. Hervorgegangen ist sie aus gewerkschaftlichen Kooperationsstellen an den Universitäten und engagierten Institutsgründungen, wie GEWOS in NRW oder der MEMO-Gruppe in Bremen. Vor 25 Jahren haben die arbeitsorientierten Berater vor allem Gutachten erstellt, in denen sie regional- und strukturpolitische Forderungen an die Politik formulierten, die ihrerseits die arbeitsorientierte Begutachtung weithin finanzierte.

Heute müssen sich die Berater am Markt finanzieren und rasch betriebliche Lösungen erarbeiten, um zu "retten, was zu retten ist" (Kost 2004). Die Zukunft der Unternehmen und die Arbeitsplatzsicherung stehen heute - durchaus grenzüberschreitend - im Brennpunkt der Beratungstätigkeit.

Die Hinzuziehung von Coachs und Spezialisten ist bei Gewerkschaften und Betriebsräten zwar mittlerweile weit verbreitet - dennoch: Die Normalität ist es nicht. Bei einigen Einzelgewerkschaften besteht Skepsis gegenüber externen Sachverständigen, insbesondere wenn sie kostenpflichtig sind oder auch für die Unternehmensseite arbeiten. Dennoch ist der Trend zur Hinzuziehung externer Sachverständiger nicht zu stoppen, denn die Anforderungen gehen weit über das Erstellen von Alternativ-Konzepten hinaus.

Hilfe bei der Kapitalsuche und beim Management

Nicht selten fragen Betriebsräte wie Gewerkschaften Interim-Management nach. Das heißt, sie wünschen zum Beispiel, dass die arbeitsorientierte Consultingfirma dem Unternehmen für ein halbes Jahr einen Controller stellen kann. Angefragt wird auch Unterstützung, wenn Kapital mobilisiert werden muss. Der Consultant soll Kontakte herstellen zu Venture-Capital-Gesellschaften oder auch Finanzierungsmöglichkeiten über Banken sondieren.

Wird die Gründung einer Mitarbeitergesellschaft erwogen, wird bisweilen von dem Beratungsunternehmen verlangt, dass es Anteile und damit eine Gesellschafterrolle übernimmt - zumindest für eine erste Phase. Außerdem sind arbeitsorientierte Berater bei Unternehmenstransfers zunehmend gefragt, etwa um Unternehmensverkäufe, Nachfolgeregelungen, Mitarbeiterübernahmen zu organisieren. Nicht zuletzt häufen sich die Anfragen von Betriebsräten an die Berater, Analysen zu internationalen Verflechtungen der Unternehmen einzuholen.

Für Betriebsräte und Gewerkschaften ist im 21. Jahrhundert der Dialog mit dem Insolvenzverwalter genauso zum Standard geworden wie die Tarifauseinandersetzung. Fast immer werden die arbeitsorientierten Berater gerufen, nachdem Personalabbau angekündigt wurde. Daher müssen sie über Kenntnisse bei Personaltransfers ebenso verfügen wie ihre Unterstützungskompetenz bei Verhandlungen zum Interessenausgleich- und Sozialplan gefragt ist. Man muss Transfergesellschaften organisieren können wie auch firm sein in der Sozialberatung.

Unterstützung im Krisen- und Co-Management

Insgesamt erwarten Gewerkschaften und Betriebsräte von den arbeitsorientierten Beratern zunehmend Unterstützung im Krisen- und Co-Management. Dies ist nur mit einem funktionierenden Netzwerk von kompetenten Spezialisten zu bewältigen - von Juristen über Betriebswirte und Manager bis hin zu Personalentwicklern. Als Berater werden mithin branchenfeste Betriebspraktiker gesucht, weniger wissenschaftlich ausgerichtete Gutachtenverfasser. Es sind marktfähige und durchsetzbare Machbarkeitskonzepte gefordert, die der Kritik der Arbeitgeber und ihrer Verbände nicht nur standhalten, sondern potenziell auch deren Unterstützung gewinnen sollen. Die arbeitsorientierten Berater haben deshalb in Zukunft verstärkt die Aufgabe:

- betriebswirtschaftliche Ist-Analysen zu erstellen und Zukunftsszenarien zu entwickeln;

- strategische Neuausrichtungen der Unternehmen im Auftrag der Betriebsräte zu initiieren und zu begleiten;

- Controlling von Vereinbarungen zwischen Tarif- und Betriebsparteien sicherzustellen;

- Personal- und Organisationsentwicklung zu beherrschen und

- Moderationskompetenz für Konsensbildung und Umsetzungsschübe zu besitzen.

Dabei haben sich ihre finanziellen Grundlagen verändert. War in der Vergangenheit die öffentliche Finanzierung für Qualifizierungs- und Beratungsleistung - etwa für so genannte Belegschaftsinitiativen - die Regel, so finanzieren heute die Unternehmen selbst die Beratungen. Grundlage sind oftmals Regelungen des Betriebsverfassungsgesetzes (§§ 37.6, 80.3, 111).

Neue Wege, wie sie das 2001 novellierte Betriebsverfassungsgesetz vorsieht (z. B. § 92 a) werden bislang nur unvollkommen genutzt, obwohl der Gesetzgeber die Betriebsräte explizit autorisiert, alternative Vorschläge zur Sicherung und Förderung der Arbeitsplätze zu erarbeiten, und es ihnen freisteht, sich dabei externen Sachverstandes zu bedienen.

Die Vorschläge der arbeitgebernahen Berater sind häufig Alternativkonzepte, die auch kontrovers mit Unternehmensleitungen und ihren Beraterstäben diskutiert werden. Oft besteht unsere Tätigkeit darin, die vorliegenden Beraterempfehlungen zu prüfen: Sind sie plausibel? Haben sie Lücken oder gar Fehler? Nicht selten müssen die Berater versteckten Gewinnen oder verheimlichten Verlagerungs-Plänen auf die Spur kommen.

Zu klein, um erfolgreich zu sein?

Sehr häufig stehen die arbeitsorientierten Berater den von den Unternehmensleitungen beauftragten Consultern - wie McKinsey, BCG, Roland Berger - in einem Verhältnis von David zu Goliath gegenüber. Wobei die einen über Millionenbudgets verfügen, während die anderen gedeckelte 20-Tages-Sätze für ein Alternativkonzept zur Unternehmensentwicklung zur Verfügung haben.

Sicherlich ist die Aufgabenstellung der arbeitsorientierten Berater anderer Natur als die der von den Unternehmensleitungen eingesetzten Consulter. So kann der Shareholder-Ansatz und seine quasi zum Naturgesetz erklärte Bedeutung nicht zu den Kernsätzen arbeitnehmernaher Beratung gehören. Eher, dass wir uns einem Dreiklang von betriebswirtschaftlicher Machbarkeit, maximaler Arbeitsplatzsicherung und Wahrung der Sozial- und Tarifstandards verpflichtet fühlen.

Gleichzeitig muss eine "Waffengleichheit" gegeben sein, um sachlich fundierte, umsetzungsfähige Vorschläge zur Standort- und Beschäftigungssicherung zu erstellen. Um diese "Waffengleichheit" zu erreichen, müssen die arbeitsorientierten Consultingunternehmen über einen gut gerüsteten Beraterpool verfügen. Sie müssen also künftig mehr betrieblich erfahrene Praktiker beschäftigen und dabei auch ehemalige Banker, Manager, Insolvenzverwalter einbeziehen. Im Gegenzug bedeutet dies, weniger Sozial- und Politikwissenschaftler mit rein akademischer Ausrichtung einzusetzen.

All dies können wir nur dann realisieren, wenn arbeitsorientierte Consultingunternehmen verstärkt Arbeitsgemeinschaften bilden und man sich gemeinsam Zugänge zu Netzwerkpartnern schafft - seien es Insolvenzverwalter, Geldinstitute, Politik und Behörden, Transfergesellschaften oder Bildungsträger. Arbeitsgemeinschaften würden auch in höherem Maße Crash-Einsätze ermöglichen - wie etwa im Falle von Insolvenzen, wo schnelles operatives Handeln verlangt wird.

Gewerkschaften sollen Standards definieren

Zu diesem Zweck sollten Zusammenschlüsse, aber auch Übernahmen und Fusionen arbeitsorientierter Consultingunternehmen erfolgen und auch gefördert werden. Warum schaffen wir keine "UNION Consulting AG", und zwar nach Möglichkeit als europäische Aktiengesellschaft? Könnte das nicht für alle Beteiligten erhebliche Vorteile bringen? Gesellschaftsrechtlich wäre einer Konstruktion ohne öffentliche und ohne gewerkschaftliche Anteilseigner der Vorzug zu geben. Das sichert Unabhängigkeit, was dem Image und der Akzeptanz der arbeitsorientierten Beratung zugute kommt.

Das heißt aber nicht, dass Gewerkschaften außen vor bleiben sollten. Sie sind mehr als gefragt, wenn es darum geht, Auditierung und Qualitätsstandards zu entwickeln. Trotz der bedeutenden Anzahl von arbeitsorientierten Beratungsinstitutionen existiert bis dato kein Fachverband oder Auditierungszirkel, um einerseits den brancheninternen Diskurs zu verstetigen, andererseits sich über gemeinsame Qualitätsstandards zu verständigen.

Die "Einhaltung tarifvertraglicher Regelungen" und eine "beteiligungsorientierte Arbeitsweise" wären zwei von vielen denkbaren Kriterien, für die arbeitsorientierte Berater stehen sollten. Hier besteht erheblicher Nachholbedarf, auch wenn erste Diskussionen geeignet scheinen, eine ausbaufähige Plattform zur Qualitätssteigerung und -verbesserung zu entwickeln. So hat die IG-Metall-Bezirksleitung NRW im Rahmen ihrer ERA-Umsetzungsstrategie die Berater "auf Herz und Nieren" mit Blick auf ihre fachliche Kompetenz geprüft und erst dann eine Zertifizierung ausgesprochen. Ebenso gibt es inhaltliche Anforderungen an Berater, die vom IG-Metall-Vorstand für betriebswirtschaftliche Analysen - so genannte Quick-Checks - eingesetzt werden.

Generell gibt es auf dem spezifischen Markt für arbeitsorientiertes Consulting kaum Wettbewerbs- und Ausschreibungsverfahren. Kontaktnetzwerke entscheiden darüber, wer den Auftrag bekommt, wodurch mehr oder weniger fest vergebene Aktions- und Auftragsräume entstanden sind. Insgesamt ist die arbeitnehmernahe Beratungsszene stark zersplittert und tritt häufig wenig professionell auf, so ist die Mehrzahl der Berater nicht zertifiziert. Einige wenige mittelgroße Consultingunternehmen sind - oft mit regionaler Schwerpunktsetzung - tätig. Mehr Transparenz und Wettbewerb wäre in diesem Teilmarkt vorteilhaft, insbesondere wenn der Auftraggeber bzw. die koordinierende Einzelgewerkschaft eigene Kriterien für Beratungsinhalt und Qualität entwickelt.

Multinationale Beraterteams notwendig

Eine ungelöste Herausforderung ist nach wie vor die Internationalisierung der Unternehmen. Der Europäische Metallarbeiterbund (EMB) bemüht sich seit mehreren Jahren, grenzüberschreitend arbeitsorientierte Berater an einen Tisch zu bringen - mit mäßigem Erfolg. Auch langjährige Erfahrungen mit EU-Projekten, in denen grundsätzlich mehrere internationale Partner verlangt sind, haben bislang keine stabilen europäischen Beraternetzwerke entstehen lassen.

Zu unterschiedlich sind die Strukturen, die rechtlichen Grundlagen und die gelebte Praxis der Interessenvertretungen. Gleichwohl kann der Weg nur darüber gehen, dass multinationale Beraterteams an konkreten Beratungsfällen arbeiten, wie es zurzeit die Kollegen der INFO-Beratungs Gmbh unternommen haben wie auch wir bei der Projekt Consult GmbH. Auf französischer Seite ist hier der Partner die Groupe Alpha.

Begrenzt könnte auch die Mitgliedschaft im Bundesverband Deutscher Unternehmensberater (BDU) weiterhelfen. Und natürlich stellen auf diesem steinigen Weg hin zur Internationalisierung der arbeitsorientierten Consultingszene die europäischen Gewerkschaftsorganisationen eine wichtige Plattform dar.

 



Zum Weiterlesen

Klaus Kost (Hrsg.): Wir retten, was zu retten ist. Arbeitsplatzerhalt durch Belegschaftsinitiativen. Schüren Presseverlag, 2004.

Christoph Mulitze: Besser als die Gelben Seiten. In: Magazin Mitbestimmung 04/2006

Eckhard Voß/Peter Wilke/Klaus Maack (Hrsg.): Mitarbeiter am Unternehmen beteiligen. Modelle, Wirkungen, Praxisbeispiele. Gabler, 2003.

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