Quelle: HBS
Magazin Mitbestimmung: Klären, was angemessen ist
VORSTANDSVERGÜTUNG Der DGB will ein weiteres Ansteigen der Managergehälter verhindern und dabei die Verantwortung der Aufsichtsräte stärken. Rückenwind kommt aus der Politik; eine Gesetzesänderung scheint möglich.
Von DIETMAR HEXEL, Mitglied des geschäftsführenden DGB-Bundesvorstandes
Bundespräsident Horst Köhler warnt vor einer "Entfremdung zwischen Unternehmen und Gesellschaft". Kanzlerin Angela Merkel befürchtet, dass "das Vertrauen in das soziale Gleichgewicht unseres Landes" untergraben wird. Und eine hochrangige Expertengruppe der SPD hat Vorschläge zur Begrenzung der Vorstandsvergütung erarbeitet, die auch aus DGB-Sicht in die richtige Richtung gehen. Eine gemeinsame Arbeitsgruppe der Großen Koalition soll bis Ende September eingesetzt werden.
Die Höhe der Managergehälter steht in der öffentlichen Kritik wie lange nicht mehr, und dies quer durch die politischen Lager. Bei allen politischen Unterschieden ist dabei bemerkenswert, dass die Kritik an der Explosion der Vorstandseinkommen in den großen Unternehmen nicht mehr als Neiddebatte angesehen wird. Stattdessen werden Gerechtigkeitsfragen in den Mittelpunkt der Debatte gestellt und die Auswirkungen auf den sozialen Frieden untersucht.
Der DGB begrüßt diese Debatte. Denn die Höhe der Vorstandsgehälter verstößt gegen die Grundsätze der Leistungs- sowie der Verteilungsgerechtigkeit - erst recht wenn man berücksichtigt, dass Arbeitnehmer in Deutschland im Zeitraum zwischen 2000 und 2007 eine reale Kürzung ihrer Stundenlöhne hinnehmen mussten. Und wenn man liest, dass in einigen US-amerikanischen Hedge-Fonds oder Private-Equity-Gesellschaften bereits Fantasiegehälter von über 1 Milliarde US-Dollar an die Vorstände (CEOs) gezahlt werden, wird deutlich, dass es keine natürliche Haltelinie nach oben gibt.
NACHHALTIG UND LANGFRISTIG_ Umso wichtiger ist es, ein weiteres Ansteigen der Vorstandsvergütung zu bremsen - auch im wohlverstandenen Interesse des Unternehmens. Von der Struktur der Vorstandsvergütung gehen wichtige Signale und Anreize für die Unternehmenspolitik aus. Eine wie bislang schwerpunktmäßig am Aktienkurs ausgerichtete Vorstandsvergütung wird die schädliche Kurzfrist-Orientierung der Unternehmenspolitik weiter stärken.
Warum aber sollte ein Vorstand einer langfristig ausgerichteten und nachhaltigen Unternehmenspolitik folgen, wenn bei einer kurzfristigen Steigerung des Aktienkurses der eigene Geldbeutel klingelt? Und der Aufsichtsrat dieses egoistische Verhalten durch sein Vergütungssystem geradezu einfordert? Es ist daher die strategische Aufgabe der Aufsichtsräte, ein Vergütungssystem festzulegen, das dem Ziel einer nachhaltigen und langfristigen Unternehmenspolitik entspricht.
Denn der Zweck eines Unternehmens besteht nicht darin, eine maximale Rendite für die Shareholder zu erzielen, sondern darin, gute Produkte und Dienstleistungen herzustellen und einen positiven Nutzen für die Gesellschaft zu stiften. Der Gewinn ist lediglich eine Voraussetzung für das Überleben und Wachstum eines Unternehmens. Denn eines muss klar sein: Das Aktienrecht fordert Vorstände und Aufsichtsräte auf, vom Unternehmensinteresse auszugehen.
Das Unternehmensinteresse umfasst die Interessen von Anteilseignern, Arbeitnehmern und der Allgemeinheit. Weder die Interessen der Aktionäre noch die der Arbeitnehmer haben Vorrang, sondern das Interesse des Unternehmens nach Überleben und organischem Wachstum. Bei der Diskussion um die Vorstandsvergütung ist ebenfalls zu bedenken, dass Management immer Teamwork ist. Ein Unternehmen ist eine vielfältige Arbeits- und Leistungsgemeinschaft.
Es ist schlichtweg nicht möglich, den Erfolg eines Unternehmens auf eine Person oder eine Handvoll Vorstände an der Spitze zurückzuführen. Auch in ökonomischen Studien findet sich meistens kein Zusammenhang zwischen der Höhe der Vergütung und der Unternehmensperformance. Hohe Managereinkommen sind ungerecht und unfair. Sie tragen mit dazu bei, die Ungleichheit der Einkommensverteilung und damit auch der ökonomischen Ressourcen weiter zu verschärfen, mit der Folge einer fortschreitenden Spaltung der Gesellschaft.
Die Erarbeitung einer angemessenen Vergütungsstruktur und die Festlegung der Höhe der Gesamtbezüge der Vorstandsmitglieder gehören zu den Kernaufgaben eines Aufsichtsrates. Die Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsräten werden in Zukunft verstärkt darauf achten, dass es nicht weiterhin zu exorbitanten Steigerungen der Vergütungen kommt. Dazu ist es wichtig, dass der Gesetzgeber die Kompetenzen des gesamten Aufsichtsrates stärkt.
Die Höhe der Vergütungen wird bislang überwiegend in Ausschüssen des Aufsichtsrates festgelegt. Die Ausschüsse sind oftmals nicht paritätisch mit Arbeitnehmervertreter besetzt oder kennen ein Zweitstimmrecht des Ausschussvorsitzenden. In vielen Aufsichtsräten werden die Vergütungssysteme nicht offen diskutiert oder gar beschlossen, mäßigende Stimmen, besonders der Arbeitnehmervertreter, können sich oft nicht durchsetzen.
MEHR TRANSPARENZ_ Daher fordert der Deutsche Gewerkschaftsbund den Gesetzgeber auf, durch gesetzgeberische Maßnahmen einen Beitrag dazu zu leisten, dass ein weiteres Ansteigen der Vorstandsvergütung in den großen börsennotierten Unternehmen verhindert wird. Dazu gehört erstens eine Ergänzung der Definition der Angemessenheit im Aktiengesetz (AktG) um die soziale, gesellschaftliche und ökologische Verantwortung:
Der Gesetzgeber hat in § 87 Abs. 1 AktG festgelegt, dass der Aufsichtsrat dafür zu sorgen hat, dass die Gesamtbezüge der Vorstandsmitglieder in einem angemessenen Verhältnis zu den Aufgaben des Vorstandsmitgliedes und zur Lage der Gesellschaft stehen. Der derzeitige Begriff der "Angemessenheit" ist als Orientierungsgröße für Aufsichtsratsmitglieder jedoch zu unscharf. Neben der Leistungsfähigkeit des Unternehmens muss sich die Vergleichbarkeit der Vergütungen an deutschen und gegebenenfalls an europäischen Maßstäben vollziehen.
Außerdem fordern wir die Einbeziehung eines Kriteriums gesellschaftlicher und ökologischer Nachhaltigkeit in die Vorstandsvergütung. Nach den Ergebnissen einer im Auftrag des DGB durchgeführten repräsentativen Meinungsumfrage halten 85 Prozent der wahlberechtigten Deutschen die Anwendung sozialer und ökologischer Kriterien bei der Feststellung der Managergehälter für sinnvoll.
Zweitens ist eine Präzisierung der Definition des Unternehmensinteresses im Aktiengesetz erforderlich: Der Vorstand hat bei der Leitung des Unternehmens die Belange der Aktionäre, der Arbeitnehmer sowie der Allgemeinheit zu berücksichtigen (Unternehmensinteresse). In jüngster Zeit mehren sich jedoch interessengeleitete Stimmen, die sich für einen Vorrang der Aktionärsinteressen aussprechen. Deshalb fordern die Gewerkschaften, § 76 Abs. 1 AktG um eine Definition des Unternehmensinteresses im oben genannten Sinne zu ergänzen.
Darüber hinaus brauchen wir eine Stärkung der Verantwortung der Aufsichtsräte: Die Inhalte der Vorstandsverträge, und hier insbesondere die Grundsätze und Leitlinien der Entlohnung, sind so bedeutend, dass sie dem Aufsichtsratsplenum vorbehalten und nur dort entschieden werden sollten. Der DGB fordert daher, gesetzlich zu verankern, dass der Abschluss von Anstellungsverträgen mit Vorstandsmitgliedern zwar durch paritätisch zusammengesetzte Ausschüsse des Aufsichtsrates vorbereitet werden kann, dass die Beschlussfassung aber nur vom Plenum getroffen werden kann.
Nicht zuletzt ist auch mehr Transparenz bei der Offenlegung der Vorstandsvergütung nötig. Das heißt: Kein Opting-out durch die Hauptversammlung. Der DGB fordert den Gesetzgeber auf, das Vorstandsvergütungsoffenlegungsgesetz (VorstOG) so zu überarbeiten, dass die Höhe und Struktur der Vorstandsvergütung in jeder Kapitalgesellschaft offenzulegen ist. Um mehr Transparenz und Übersichtlichkeit zu schaffen, fordern wir, die im Vorstandsvergütungsoffenlegungsgesetz geregelten Offenlegungspflichten auch im Hinblick auf ihre übersichtliche und verständliche Ausweisung im Geschäftsbericht zu überarbeiten - insbesondere bei langfristig wirkenden variablen Vergütungsbestandteilen, so genannten Long Term Incentives (LTI), und im Hinblick auf die Altersversorgung.
Der DGB fordert zudem eine Ergänzung des VorstOG dahingehend, dass der Aufsichtsrat die Angemessenheit der Vorstandsvergütung begründen muss. Diese Vorgabe stärkt die verantwortliche Diskussion im Aufsichtsrat - und erhöht damit den die Vergütungshöhe begrenzenden Einfluss der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat, die an einer langfristigen und nachhaltigen Zukunft des Unternehmens orientiert sind.
Auch wenn wir auf eine schnelle gesetzgeberische Umsetzung unserer Forderungen hoffen, bleibt eines festzuhalten: Die Forderungen des DGB wirken nicht als Zaubertrank. Sie stärken die Verantwortung des gesamten Aufsichtsrates. Und sie stärken die Arbeitnehmervertreter in ihrer Verhandlungsposition. Die eigentliche Arbeit muss jedoch im Aufsichtsrat geleistet werden. Hier gilt es, das Gesamtplenum von dem beiderseitigen Vorteil einer angemessenen Vorstandsvergütung im Rahmen einer nachhaltigen Unternehmensstrategie zu überzeugen.
Es ist bedeutend einfacher, Forderungen aufzustellen, als sie in den Aufsichtsräten durchzusetzen. Hier geht es um das Bohren dicker Bretter. Ich bin jedoch überzeugt, dass unsere Vorschläge einen wichtigen Impuls für eine angemessene Vorstandsvergütung bieten können. Unser nächster Schritt besteht darin, zusammen mit den Gewerkschaften und den Arbeitnehmervertretern in den Aufsichtsräten in eine intensive Diskussion über angemessene Vorstandsvergütung zu treten.
Mehr Informationen
DGB Bundesvorstand: DGB-VORSCHLÄGE FÜR EIN GESETZLICHES MAßNAHMENBÜNDEL ZUR REGULIERUNG DER VORSTANDSVERGÜTUNG. Berlin 2008; im Internet hier veröffentlicht.
Hans-Böckler-Stiftung: VORSTANDSVERGÜTUNG: INFORMATIONEN ZUR BEMESSUNG DER VORSTANDSVERGÜTUNGEN DURCH DEN AUFSICHTSRAT. Arbeitshilfe für Aufsichtsräte 14, Düsseldorf 2006
Dietmar Hexel: VORSCHLÄGE DES DGB FÜR EINE GESETZLICHE REGULIERUNG DER VORSTANDSVERGÜTUNG. In: Arbeit und Recht (im Erscheinen)