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Magazin Mitbestimmung

Außenhandel: Keine Entwarnung

Ausgabe 06/2019

Forscher des IMK haben die Folgen eines Zollkonflikts zwischen den USA und der EU untersucht. Wahrscheinlichstes Szenario: ein langer Wirtschaftskrieg. Von Andreas Molitor

Noch immer schwebt das Damoklesschwert des Strafzolls über den Autofabriken in der EU. Wird Donald Trump Importzölle in Höhe von vermutlich 25 Prozent gegen europäische Autohersteller verhängen? Zuletzt verschob der US-Präsident die Entscheidung auf Mai 2020. 

Das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung der Hans-Böckler-Stiftung hat die wahrscheinlichen Folgen eines Handelskonflikts in mehreren Szenarien untersucht. Beunruhigend liest sich vor allem der pessimistische Simulationsansatz, wonach das Zollscharmützel zu einem mehrjährigen Wirtschaftskrieg eskaliert. Die Forscher halten dies für die wahrscheinlichere Variante des Konfliktverlaufs. Es sei „unwahrscheinlich, dass Strafzölle auf europäische Autos ohne Gegenmaßnahmen“ bleiben. Auch eine Abwahl des „Handelskriegers“ Trumps bei den Präsidentschaftswahlen 2020 ist alles andere als sicher. Damit schwindet auch die Hoffnung auf eine baldige Rücknahme von Strafzöllen.

Nicht zuletzt die Erfahrungen aus dem Handelskonflikt zwischen den USA und China deuten auf eine längere Auseinandersetzung hin. Das Konfliktmuster zeigt aufeinandergestapelte Schocks, die sich gegenseitig verstärken. Zunächst „dürften die Autozölle auf weitere Produkte ausgeweitet werden“. Im nächsten Schritt antwortet die EU dann mit Gegenzöllen. Der vielleicht größte Schaden erklärt sich jedoch primär wirtschaftspsychologisch. „Schädlicher als die Zölle selbst ist die Unsicherheit, die mit Dauer des Konflikts zunimmt.“ Aus Furcht vor einer weiteren Eskalation streichen die Unternehmen vor allem ihre Investitionsbudgets zusammen – mit negativen Folgen für das Wachstum. 

Die wirtschaftlichen und sozialen Folgen lesen sich, rein zahlenmäßig betrachtet, zunächst nicht allzu dramatisch. Im pessimistischsten Szenario ergibt sich für Deutschland ein Rückgang des Bruttoinlandsprodukts um 0,7 Prozent sowie ein Anstieg der Arbeitslosigkeit um 0,2 Prozentpunkte – allerdings in einer Situation, in der das Land ohnehin am Rand einer Rezession steht. Eine Eskalation des Konflikts habe somit durchaus „das Potenzial, die deutsche Wirtschaft in eine ‚echte‘ Rezession zu stoßen“.

Auch die USA als Anstifter kommen nicht ungeschoren davon. Beim Wachstum ist der Schaden sogar größer. Das IMK sieht die US-Wirtschaft in einer „Abwärtsspirale“: Weil die Zölle mit der Zeit voll auf die Preise durchschlagen, sinken Kaufkraft und Konsum, die Unternehmen investieren weniger, die Wirtschaft schrumpft. Fazit: „Dass ein Handelskrieg leicht zu gewinnen‘ sei, wie von US-Präsident Trump behauptet, erscheint angesichts der Ergebnisse aller Simulationen unwahrscheinlich.“

Die Studie

Sebastian Dullien/Sabine Stephan/Thomas Theobald: Vom Zollscharmützel zum Handelskrieg. Wie viel transatlantische Eskalation verträgt die deutsche Wirtschaft? (pdf), IMK Report 151, November 2019

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